Montag, 28. Juli 2014

„Den frisch anfahrenden Fechtern und Soldaten für erst nötig und nützlich zu wissen“ - Transkription der Fechtlektionen aus Johann Salgens „Exercitii Militaris, Et Artis Aureae Principia“ (1637)

von Jan Schäfer

Der Tyronum in arte militari Paedadogum Johann Salgen gab 1637 ein Kriegsbuch unter dem Titel

Exercitii Militaris, Et Artis Aureae Principia, Das ist: Kriegsuebung / darunter etwas merckliches von der guelden Kunst vermischet vnd angehengt : den Frisch anfahenden / Fechtern vnd Soldaten / für erst noetig und nuetzlich zu wissen (1)

in Druck.

Das 53-seitige Buch ist dem Herzog August zu Braunschweig und Lüneburg gewidmet (2). Auf den Seiten 9 bis 17 widmet sich der Autor dem Fechten. Er beschreibt Fechtlektionen, die er selbst erlernt hat und nun weitergibt: "Allegramente ihr Herren. Nun gehets Fechten an / hoeret vnd sehet / was ich davon behalten habe / lernet / behalt / vnd gebraucht es noch besser."


Der Text

Zur Bearbeitung des Textes

  • Der Text wurde buchstaben-, zeichen- und seitengetreu transkribiert.
  • Die Abkürzungszeichen des Druckers wurden aufgelöst (z.B. 'dē' zu 'den').

Der Text

[Seite 9] (3)

Folgen vier Puncten / die einem jglichen Fechter pro fundamento sehr noetig zuwissen vnd zu observirn seindt.

Primo.

Alles / consequenter auch die Fechtkunst muß zur Ehre Gottes gebraucht werden. a. (4)

Secundo.

Lerne Fechten / nicht so viel darumb / daß du deinen Nechsten beschedigen / sondern dich im Nothfall verthedigen moegest / wiltu dann gleich als ein Discipul des Herren / vmb Gottes willen alle Schlaege gedulden / daran thustu Christlich. b. (5) Da du aber dein Leben wilt erretten / vnd solches ohne verletzung des andern / nicht koendte geschehen / alßdann bistu entschueldiget / magst dich mehren vnd schlagen darauff / vermuege der Rechten. c. (6)
Solchem deinem Feinde aber guts zu goennen / zu thun / vnd ihn zu lieben / auch fuer ihn zu bitten / ist dir zu rathen / dann es Gott dem Herren / als Freund vnd Feindes Schoepffern / sehr angenehm vnd lieb ist. d. (7)

Tertio.

In obgemelten zweyen Puncten / dich desto baß vnd fueglicher zu resolviren, vnd zum Streite gefast zu sein (dann du must einmal zu dieser Zeit nolens volens ein Soldat sein vnd Fechten) e. (8)

[Seite 10]

Gedenck in allen deinen Wercken / deiner letzten Dinge / so gehestu gantz sicher auff den Plan. f. (9) Zu wissen daß der letzten Dinge des Menschen seind Vier: Der Todt / das gericht / vnendliche Qual vnd Pein / oder ewige Frewde vnd Selligkeit.
Der Todt koempt gewisse vber alle Menschen. g. (10) wie / wo / vnd wann / ist vngewiß.
Dannehero ein jedweder Mensch vnd Fechter / alle Stunde zum Todt bereit vnd gefast zu sein / schueldig ist. h. (11)
Geschwindt auff den Todt folget das Gericht. i. (12)
Nach dem dann gehandelt ein jedweder in seinem Leben. k. (13) Wird er in die ewige Seligkeit auffgenommen / oder in das Hellische Fewer verworffen werden. l. (14)

Quarto.

In diesem allen was obstehet / gluecklich fortzugehen / hurtig vnd redlich zu fechten (dann es redlich vnd tapffer gefochten sein muß / da man etwas erhalten wil. m. (15) ) vnd allen Streit zugewinnen / hastu dich zu gruenden / fundirn vnd zuverlassen / auff das bitter Leiden eintzig vnd tewre Verdienst Jesu Christ / dann ausserhalb Jesu Christo / kein ander Weg / Thuer / noch Nahme / durch welchen hinein gehen vnd selig werden muegest / vnter dem Himmel den Menschen gegegebn ist. n. (16)

[Seite 11]

Allegramente ihr Herren. Nun gehets Fechten an / hoeret vnd sehet / was ich davon behalten habe / lernet / behalt / vnd gebraucht es noch besser.

Vnterstehe dich nicht / eine vngerechte Sache mit dem Degen zuverteidigen.
Rauff dich lustig vnd mit Frewden / daß die Hunde das Blut lecken / wann dich die Noth so hoch zum Kampffe treibet / daß du es für Gott / vnd desen Nachgesetzter Obrigkeit / verantworten kanst / sonsten setzestu Leib / Gut / Blut / Ehr vnd ewige Seligkeit / in die Schantze / so alle in einem Augenblick / ewig / ewig / ewig / verschertzet werden mag / daß rechnet mancher vor eine grosse Kuehnheit / ich aber halte es gleich ein vnbedachtsamb / verwegen / vnd vber die maß gefehrliches Stueck / was geduenckt dich selbst bey diesem Streich?
Wann es dann anders nicht sein kan / daß du dich mit einem der dich wieder alle Billigkeit zuvberfallen sich vnterstehete / zum Rauffen kommen must / vnd weder die liebe Obrigkeit / noch andere Defension verhanden / auch die gueldene Kunst / so ich zwar aliquo modo weiß / aber noch nicht voellig gebrauchet Matth. 5. v. 39 / 40 / 41 / vnd 42. nicht gelernet hast / Zeug von Leder in Gottes Nahmen / nur zu deiner Vertheidigung / vnd nicht zur Raach / welch Gott allein gebueret / Deut. 32. v. 35. vnd Hebr. 10 / v. 30. Mihivindicta. mea est ultio: Schlag / stich / hawe darauff / vnd alßdann bistu ein Diener der Justitz, so wegen dir gethonen Nothwehr nicht gestraffet wird / weder von Gott noch der Welt.

[Seite 12]

Ad Rem Gladii. Holla zur Wehr Burß / habt acht auff die Order vnd Regulen ut infra.

I. Anfenglich parir, vnd lieffere mit gutem Garbo die fünff tiraten, Nemlich den Mandrit vnd Revers zu Haupt vnd Fuessen / vnd di stucath in= vnd außwendig.

II. Bedecke dich mit der Handt / darin den Degen hast / vnd laß die spitz des Degens nach der Brust / Kehl vnd Augen des Wiederparts zielen / alßdenn hat er kein Vrsach sich zu beschweren / gleich habsetu ihnen hinterruecks geschlagen.

III. Dein rechter Fueß secundire deine rechte Handt / dein lincker Fueß die lincke Handt / praesentire dem Adversario nicht die breite / sondern die bedeckte Seyt deiner Persohn.

IIII. Verleure nicht, id est, laß nicht bedecken vnd einnehmen / deinen Degen / wann deine Klinge vntertruckt vnd verloren ist / hebe sie schleunig wieder auff vnter dem Joch herauß.

V. Bedeck / gewinn / vnd stringire den Degen deines Wiederparts.

VI. NB. Sey nicht allzu eiffrig zum feriren, sondern befleisse dich erst zum pariren, Wanns dann die Noth vnd das Vortheil gibt / kumpstu noch fruee gnug / ein Stoß zu bringen / Sonst ein jung Kerll leichtlich an / vmv ein blaw Auge.

VII. Im feriren obersvirest du zwey Dinge / Erstlich ob du wol bedeckt / vnd sicher im Vortheil stehest / zum andern ob der Feind fcopert, bloß vnd außm Vortheil seye.

[Seite 13]

VIII. Wann dann im Vortheil vnd guter postur bist / der Feindt aber daraussen ist / So nahe / daß du jhn erreichen magst / dann ist es zeit, die stucata in oder außwendig / zu lieffern auch wol eine Cordelata, gleich oder verwendt / nach dem es das tempo, oder die bequeme Zeit gibt.

IX. Da der Feindt dir ein stucata lieffern wil / parirest du dieselbe con il filo dritto, das ist mit der Schneidt / vnd nicht mit dem ruecken deines Schwerts / also auch gibstu oder nimstu Mandrit Revers vnd stramazon.
NB. Wann die stucat parirest, kanstu im selbigen Tempo fortfahren / vnd jhme eine Stucata beybringen ehe der Feindt sich wieder in guardia stelle.

X. Nimb in gute acht / den schwach= vnd sterckern theil / deines eigen / vnd deines Wiederparts Gewehr / dann die Erfahrenheit im Exercitio gibt / daß hier an maechtig gelegen / wie auch cavar e coprir la spada, id est, das Gewehr außheben stringiren vnd bedecken / von grosser importanz, vnd viel auff sich hat.

XI. Im fall der Feindt gantz hoch sich beindet / der gestalt daß seiner spitz befreyet bist / kanstu in einem Tempo, dein Haupt vnd Rueck buecken / die augen auff / die Faust zu thun / vnd passiren durch.

XII. Wann so nahe beim Feind bist / daß einer dem andern mit der Spitze nicht abhaben koennte / all ora favolta strenge gladiosso e Tira. Das ist / kehre dich vmb dring nahe bey ihn hinzu / also kanst jhm die spitze auffm Coller bringen. Schone aber sein Leben / wie du wolst daß dir in solchem fall geschehe. Darumb alles was ihr wollet / daß euch die Menschen thun sollen / daß thut jhr jhnen auch. Matth. 7 v. 12.

XIII. Wann alle prese, das ist / dem Wiederpart mit deiner

[Seite 14]

ledigen Handt / an seinen Arm oder gefest reichen kanst / alßdann fasse vnd halte dichte / zeug dein Degen zurueck / vnd ferire, da es anderst nicht sein kan.

XIIII. Da des Adversarij pariren wilst / retirire dich behende vnd eilig in gute Guardia, mit deiner Spitz gegen den Adversarium zielend / hier leufft er selber leichtlich an.

XV. Wisse finten zu machen / vnd für denen des Feindes dich zu hueten.

XVI. Dempffung darunter finten vnd tiraten vermischet / lassen sich wol thun.

XVII. Wann der Adversarius sein Gewehr vnter dem deinigen herauß hebt / brich jhm das Tempo, gewiß/gewitz / bedecke / stringire seine schwaeche / mit deiner stercke / vnd ferire eilig.

XVIII. Solte er Adversarius obgemelte feriten pariren, alßdann kanstu stringiren, seine Spitz abkehren / vnd passiren gleich auß / oder rund vmb / nach dem es die positur gibt.

XIX. Wann dich etwa verhauen / oder verstossen hast / also daß niht mehr feriren, oder passiren noch fassen koenntest / reterire dich eylends mit guter manier, vnd stelle dich in sichere Guardia, sonst moechtestu abbruch leiden.

XX. Brauche beyde Haende ein vmb die andere / wie viel daß nuetzet / wirsti in kutzen erfahren.

XXI. Da der Feind von ferne / die Fueß oder beine wil verletzen / retirire den foerdern bey den hindern Fueß / vnd ziele mit der Spitze auff des Feindes Wambs / so wird er selbst anlauffen.

XXII. Tgiamata all petto duoe parate, e una passata,

[Seite 15]

id est eine ladung geben gegen dem Wambs zwey paraden, darauff kan eine gute passata gehen.

XXIII. Cuoprend' è battendo la spada poi ferir tut a un tempo di lono, das ist bedecke / schlage auff sein Klinge / ferire gestracks fort in einem tempo.
NB. Da er bloß / kanstu ohn schlag gleich langen stoß versuchen / fallirstu dann / reterire dich mit dem Sprung / kanst sechs oder sieben Fuß zue ruecke kommen in Guardia
NB. Da er zu weit vnd hart pariret, sich auff der andern seyten entbloesset / das ist ein schon tempo, schnel außzuheben vnd feriren, contra tempo, aber hier huete dich fuer seiner finten, dann kanstu auch passiren.

XXIIII. Mit zwey Klingen zugleich kanstu NB. im Nothfall / sonst nicht / wieder etzliche Personen dich wehren / mit einer stucat, vnd reverso tundo, in einem tempo, darauff kumpstu in Guardi, darauß parrien, feriren, auch dich kehren vnd wenden / stucaten reversen, vnd Mandrit, stramazon vndd fendenten bringen magst / nach deme es die Aprochen der Feinde / an ein vnd anderer seit erheischen.

Summa 24. Regulen vor erst zu exerciren, hernach mehr zu lernen / was Fechten belanget.

Zum beschluß des Fechtens / seind folgende wenig Motiven in acht zu nehmen.

1. Fordere Niemand auß zu scharffen Streit / dann solches von Gott / auch nachgesetzet allerhoechsten Geist= vnd Weltlichen Obrigkeit / bey Leib vnd Seel scharpff verbotten ist.

2. Auff dem Fechtboden fechte / wann / mit wem / vnd so lang es der Meister anordnet.

[Seite 16]

3. Ruehme dich durchauß selber nicht.

4. Verachte weder ab= noch anwesende / sondern rede friedt=freundlich / von / bey / vnd mit jederman.

5. <fehlend oder Numerierungsfehler>

6. Jn oder nach dem Exercitio, thue keine meldung davon / wann du schon den Adversarius getroffen hast.

7. Scheme dich nicht daß ein ander mehr weiß dann du / vnd dir ein Stoß beybringen kan / lerne es auch / bleibe Demuetig vnd werde nicht Hoffertig / sonst stinckestu hefftiger als ein Bock / vnd wirst verlachet.

8. Meide wie die Pest / das Gesuff / vnd Vnzucht / Stehlen vnd Liegen / sey nicht schwetzig. Eccl. 7. v. 13. 14. & 15.

9. Sey schnell zu hoeren / aber langsamb zureden / vnd langsamb zum Zorn / dann des Menschen Zorn / wircket die Gerechtigkeit Gottes nicht. Jac. 1. v. 8. probatum est.

10. Meistere niemand oeffentlich / dann daß leiden wenig Leute ohn Verdruß / da aber privatim einen guten Gesellen / mit hoefflicher bescheidenheit / eines mangels erinnern kanst / alßdann ist es wohlgethan.

11. Vor allen Dingen vergiß Gott nicht / sondern so viel mueglich ist / richte alle deine Gedancken / Wort vnd Werck / zu Gottes Lob vnd Preiß / deine Eltern / auch die Obrigkeit vnd sonsten Jederman Respectir vnd ere / Standes geuehr nach trewlich / ists mueglich / so halt Friede mit allen Menschen / so viel an dir ist. Rom. 12. v. 18. Alßdann kanstu ein gut Fechter / vnd rechtschaffener Cavallier werden.

[Seite 17]

Summa Summarum, Der gantze Jnhalt meines Fechtens / ist kuerzlich in 4 Puncten begriffen.


1. Parat'
2. Cauar'
3. Coprir'
4. Ferir'

a tempo justocon Dio.

Das ist.

1. Parire oder begegne den Streichen deines Wiederparts / vnd wende sie ab.
2. Cauire, hebe auß / wuerck vnd mache wieder loß dein Schwerdt / da es bedecket / gehemmet / stringirt, vnd vbernommen ist.
3. Copriere bedecke / hemme / stringiere vnd vbernimb den Degen deines Adversarij.
4. Ferire, stoß / haw / schlag drauff.

Zu rechter Zeit mit Gott.

Ende des Fechtens in infima.


Anmerkungen

(1) Vollständiger Titel: Exercitii Militaris, Et Artis Aureae Principia, Das ist: Kriegsuebung/ darunter etwas merckliches von der guelden Kunst vermischet vnd angehengt: den Frisch anfahenden/ Fechtern und Soldaten/ für erst noetig vnd nuetzlich zuwissen / Einfaeltig kuertzlich auffgesetzet / vnd in Des Durchleuchtigen Hochgeborenen Fuersten vnd Herrn / Herrn Augusti, Herzogen zu Braunschweig vnd Lueneburg / etc. Meines Meines Gnaedigen Fuersten vnd Herrn / Hochfuerstliche protection vnterthaenig recommendirt, Durch Joannem Salgen Tyronum in arte militari Paedadogum. Lustig Burß / gaudeamus, Stiil der General ist verhanden. Gaudete in Domino semper, iterum dico gaudete, modestia vestra nota sit omnibus hominibus, Dominus prope est. Philip. 4. v. 4. o. o. f. s. v. o. f. s. 1. Cor: 9. v. 22. Eben das pro modulo meo zu imitiren, ist mein Ziel und Ende. Gedruckt bei Joachim Gössel, Hildesheim 1637. (Wolfenbüttel: Herzog August Bibliothek)
(2) Butzmann, Hans, „August der Jüngere“, in: Neue Deutsche Biographie 1 (1953), S. 445-446 [Onlinefassung]
(3) Eigene Paginierung, da der Druck keine Seitenzahlen besitzt.
(4) Der Text hat einige Randbemerkungen. Im Folgenden werden diese in den Anmerkungen wiedergegeben.
a. Omnia in glorium dei facite, Cor: 10. v. 31.
(5) b. Si quis re percusserit in dexter am maxillam. Matt. 5. v. 39.
(6) c. Luc vim. 3. ff. d. 1. & 3. Vt vim atq. Injuriam propulsemus, nam jute hoc evenit, ut quod quisq. Optutelam corporis sui fecerit, jure fecisse existi metur & cum inter nos cognationen quan dam Natur a constituit, consequenz est hominem homini insidiari nefas esse I. 45 ibi si tuendi duntaxat num etiam ul ciscendi causa factum sit ff. ad leg aquil.
(7) d. Diligite inimoicos vestros, benefateite his, qui oderunt vos & orate pro persequentibus, & calumniantibus vos Mat. 5. v. 44.
(8) e. Militia est vita hominis super terra & sicut Dies Mercenarij Dies ejus Iob. 7. v. 1.
(9) f. Memorare novissima & aternum & Eccl. 7. v. 40.
(10) g. Statutum est hominibus semel mori Heb. 9 v. 7.
(11) h. Et vis estote parati, quia qua hora non putatio filius homines veniet Luc 12. v. 16.
(12) i. Post hoc autem judicium, Heb. 9. v. 2
(13) k. Prout gessit sive bonum sive malum, 2. Cor. 5. v. 10.
(14) l. Venite, Mar. 25. v. 34
discedite ibidem v. 41.
(15) m. Non coronabitur, nisi legitime averit 8. Tim. 8. v. 5.
Regnum caelorum vim patitur & violenti rapium illud. Matth. 12. v. 12.
(16) n. Ego sum via veritas & vita Ioh. 14. v. 6.
Ego sum ostium per me si quiu introriit salvabitur, Ioh. 10. v. 9. Neq, enim aliud nomen est sub salo datum hominibus, in in quo oporteat, nos salvor fieri, 4. v. 12.

Samstag, 19. Juli 2014

„Eine Rede, eine Rede!“ - Christian Peter Kressen von Kressenstein zur Einweihung eines Fechtplatzes (1686)

von Jan Schäfer

Aus Anlass der Einweihung eines Fechtplatzes (1) hielt der zwölfjährige Christian Peter Kressen von Kressenstein (2)  an einem Sonntag, den 15. August 1686 eine Rede. Diese wurde im gleichen Jahr unter dem Titel

Oratorische Lob=Rede / Der Edlen / und Hoch-nutzbaren Fecht=Kunst. Bey an- und Eintritt / eines zu solchen Adelichen Exercitien / auserwehlten ansehnlichen Platzes. Zu Ehren seinem Lieb-werthest und Treu=meinenden Herrn Fecht=Meister / in pleno vielen Hoch=ansehnlichen Herrn / wie auch / der Edlen und Preist=Löbl. Fecht=Compagniae / Freud=muetigst gehalten und abgeleget: Sonntags den 15. August / durch Christian Peter Kressen / von Kressenstein / seines Alters 12. Jahr. (2)

abgedruckt.

Bei dem Reder handelt sich wahrscheinlich um Christian Peter Kressen von Kressenstein aus Nürnbergs. Er wurde am 15. Mai 1674 geboren und starb 1695 als kaiserlicher Fähnrich des Zweibrücker Regiments bei Casale Monferrato in Italien. (3)

Der Text

NB. Vor Eintritt zu gegenwärtiger Lob=Rede / Ward in dem herrlich=ausgezierten Fecht=Sahl / eine zierliche Intrata und Freud=erschallende Music erklungen. Darauf dann erfolgte; Die Lob- und Anrede selbst.

[Seite 4]

Hoch-Edle! und der Edlen Fecht=Kunst Resp. Hochgeneigte anwesende Herren!

In was vor einem schoenen Lust=Zimmer / und Magnifiqven Fecht=Sahl befinden wir uns allhier?

[Seite 5]

In Wahrheit / es scheinet / als ob wir uns auf einem Olympischen Palaestra oder Fecht=Platz befaenden; und recht so! dann diese Edle Ubung wird nicht unfueglich gewuerdiget / an einem so ungemeinem Orte / ihren Aufenthalt zu haben.

[Seite 6]

Billig hoeret man anheute / eine freudige Wald=Feld= und mundere Kriegs=Music / und wird damit gegenwaertiger ruhmbare Fecht=Platz eingeweyhet. O du aller angenehmste! und recht Uralt=Edle / Ritter=übliche Tapffere Fechtkunst!

[Seite 7]

wie findest du nicht zu allen Zeiten / noch favorisierende und Edel=muethige Freunde / denen deine tapffere Kunst=Floretten / noch eine innerliche Zuneigungs= und Befoerderungs=Affection / imprimiren und anfeuren? Und zwar / du bist es auch wohl wuerdig / wann man die hohe Nutzbarkeit deiner Heroischen

[Seite 8]

Ubungen erwieget; welche nicht nur zur Zeit des Edeln Friedens / wohl geuebte / sondern auch in Kriegs=Zeiten / tapffere und wehrhaffte Helden ausfaertiget. Kaeiser Maximilianus der Erste / aus dem Glorwuerdigsten Haus Oesterreich / wie hoechlich hatte dich dieses Kron= und Thronen=Haupt / mit deinen

[Seite 9]

tapffer-muethigen Kunst=Soehnen / du Edle Wissenschaft! nicht jederzeit erhaben und begnadet gehabt.

Hierauf wurde schnell zu blasen angehoben / unterwaehrendem Vivat des Actoris, und so dann wider ax abrupto aufgehoert.

SA! Vivat & Floreat! Ars nobilissima gladiatoria!

Vivant & Floreant! FAUTORES, PROMOTORES, & AMATORES ejus!

[Seite 10]

Sie ist eine Zierde der Länder / die Krone tapfferer Helden / ja / der baeste und getreuste Freund in allen Anstoessen; Eine Beschuetzerin des leibes / eine Erhalterin des Lebens / das Berle/?) der Kuensten / und das baeste Kleinod / Edelmuetiger Cavalliers und Tugend=Gemueter.

[Seite 11]

Hay demnach Sa! nochmaln: Floreat & Vigeat, ARS NOBILISSIMA GLADIATORIA!

Es blueh die Edle Kunst und Wissenschaft des Fechten /
Sie bleibe Gnad= bestrahlt / zur Linken und zur Rechten /
Das Zepter=Traeger=Volck / beschuetz dich fuer und fuer /
Es wachen Tapffre Leut / (a) O Edle Kunst! in dir.

[Seite 12]

(a) Als sonderbare Ruhm=Spiegel / und wohl=erfahrne Meistere / dieser Edlen Kunst=Wisenschafft / und hochnoethigen Leibs=Defension des Fechtens / waren hiebevor: der Welt=beruehmte tapffere Laelio zu Rom / der fuertreffliche Kunst=geübte Hubert zu Somer / als von dem Cardinal Richelieu / seiner Exercitien-Academie wohlvorgesetzter Director. So da in der Edlen Ring=Kunst / und des Camminirens experientissimus sich erwiesen. Imgleichen der tapffere Kunstmeister Monsieuer S'Piere, und jener

[Seite 13]

unvergessliche / oder vielmehr unvergleichlech Johann Camerarius zu Leiden / dessen ungemeinen Unterweisungs=Fleiß / noch viel Holsteinische Cavalliers / in ruehmlicher Gedaechtnus haben. Wie nicht weniger auch / ein fuertrefflicher Typott / der Preißloebl. von Velten / der Kunst=wohlerfahrene Johann Wilhelm zu Marpurg / der weit=beruehmte Salvator Faber / der Italiaenische Nicolettus Giganti von Venedig / und der Nuernbergische Kunst=geuebte Frey=Fechter Sebastian Haeuszler. Welche drey letzere / sich

[Seite 14]

durch fuertrefflich=nutzbare Kunst=Werker / in offnem Druck / bey der Nachwelt unsterblichen Namens gemachet.

In Ansehung dessen / und zu Einweihung dieses Ruhmbaren Platzes / unsere tapffere Uebungen hierinnen ferner fortzusetzen / Ihr Hoch=Edlen Freunde / und allsaemtlich anwesende Herren Liebhaber! ist diese Loebl. Zusammenkunfft / anheute / das erstemal

[Seite 15]

angestellet worden; gegenwaertig unsern viel=geliebten Lehr=Prinzen / dem Edlen und Mannvesten auch Ritter=Kunst erfahrnen Herrn Ephraimb Zilrep / weit=berühmten Fecht= und Exercitien=Meistern / den Gehorsam seines Anschlags zu leisten.

[Seite 16]

Sehet demnach / Ihr Edel=wehrteste Freunde! sehet an / dieses tapffere treu=meinend und Lehr=eyffrige Gemueth / unsers Herrn ExercitienMeisters: den klugen Geist / fuertreffliche Lectionen / in Fahnen / Piqven und Floretten / vorzugeben und aufzufuehren.

Haben sich jemals obgedachte beruehmte Kuenstler und Fecht=Meistere /

[Seite 17]

einen unsterblichen Nahmen und Dank / by der hierinnen sich uebenden Jugend / erworben und zu wege gebracht; so hat gewieszlich auch unser getreuer Herr Ephraimb / von einem jeden unter uns / Zeit seines unermuedeten Lehr=Fleisses / einen nicht geringern Ehren=Dank / fuer die offenherzige Unterweisung

[Seite 18]

erworben / dessen Edler Kunst=Geist / auch aus dessen Mi(e)nen hervor leuchtet / und sich nicht anderst / als hoechst=begierigst / zu unseren baesten erweiset.

So komet dan / ihr Hoch Edlen / und Kunst=Liebenden Herrn und Freunde! kommet! kommet! lasset den Helden=Muth noch nicht

[Seite 19]

sinken / solche fuertreffliche Wissenschafften / zu Eurer eigenen Defension noch ferner loebl. fortzusetzen.

Kommet! neiget Euch mit hoeflichen Manieren / ergreiffet die Edlen Floretten / aufdasz Ihr kuenftig wisset / euren getreuesten Diener / mit Recht an der Seite zu fuehren.

[Seite 20]

Lasset uns Vernunfft-sittlich annehmen / die schoenen Lehren und Unterweisungen / unsers getreuen Lehr=Meisters / damit wir auf dem Fall ja nicht unnoethig offensivè, sondern vielmehr klueglich defensivè zu gehen / und unsern Feind wohl erwarten lernen.

[Seite 21]

Hay Sa! nur frisch daran! stringirt, ligirt, cavirt und concavirt imgleichen /
Ihr Freund der Edeln Kunst! merkt auf das recaviren /
man musz sich resolut / mit unverzagtem Muth / in Estucaten zeigen /
Das contra-tempo auch / wohl wissen auszufuehren.
Es nutzt das chiamat, und das parat-cavat, auch die grand-ritiratten,
Nebst dem parat-falcat, und klugen circuliren;
So treibet man den Femd / und sichert sich gewies / durch die Kunst-Camminaten /
Wann sich der Nothfall weist / den Leib zu defendiren.

[Seite 22]

Dis sey nun fuergebracht / weil hier Anfang gemacht /
der schoenen Kunst zu Ehren /
Ihr Edel=werthen Freund! lasst Euchs nicht misbelieben:
Du mundre Feld=Music / und Edle Ritter-Zier! lasz noch einmal dich hoeren /
und dann / so schauet an / die Ordnung so geschrieben.

Hiermit kehrete sich der Actor, mit tieffer Neigung / und Nachfolgen der Special-Anrede / gegen den Wohl=Edlen Monsieur Gustav Philipp Fuerer / zu Uberreichung der Floretten / einen gluecklichen Anfang zu machen.

[Seite 23]

Indes / O Pallas=Sohn! der Compagniae Kron /
Herr Fuerer nach dem Namen!
Gelahrte Musen=Freund! Er wird den Reihen fuehren;
Als Fuerer vom Geschlecht / Ruhm=Fuerer im Gefecht / von Edlen Ritter=Samen / (*)
Ein solcher Fuerer musz / den Fecht=Platz erst bezieren.

(*) Anno 1565. ist aus duesen Uralt=Adelischem Geschlecht / Herr Christoff Fuerer / Ritter zu Jerusalem gewesen / welcher in Sicilia und Malta nebenst andern Rittern allda sich glorioes signalisirt.

[Seite 24]

Wormit er also die Floretten uebergabe / und wurde wiederum die Laute Feld=Music / Freud=erheitert / in währenden ersten Gaengen geblasen.

Anmerkungen

(1) Der Nürnberger Fechtplatz ist im Text nicht näher örtlich benannt. In der frühen Neuzeit gab es in der freien Reichsstadt eine ganze Menge Fechtplätze: das 1628 eröffnete Fechthaus (siehe Tafel 30 in Boener, Johann Alexander: Nürnbergische Kleider-Trachten, der Manns- und Weibs-Personen denen zu mehrerer Ergötzung und beygefüget sind etliche der vornehmsten Plätze und Gebäude in und an der Stadt, Wie auch der Grund-Rieß und doppelter Prospect derselbigen. Nürnberg 1689), der Heilsbronner Hof, der Sternhof oder der Egidier Hof. Zur Geschichte der Nürnberger Fechtplätze und -häuser siehe Schwertbund Nurmberg. Werner Ueberschär vom Schwertbund Nurmberg e.V. gab den Hinweis, dass es sich beim Fechtsaal auch um ein Vorgängergebäude des 1695 ausgebauten Marstalls handeln könnte, die bereits als Reitbahn und Fechtboden (über der Reitbahn liegend) genutzt wurden. Ob es sich bei dem im Text erwähnten Fechtsaal um einen gänzlich neuen Ort handelt oder ob die Rede möglicherweise bezug auf einen der o.g. Schauplätze nimmt, lässt sich derzeit nicht abschließend klären.
(2) Vollständiger Titel: Oratorische Lob=Rede / Der Edlen / und Hoch-nutzbaren Fecht=Kunst. Bey an- und Eintritt / eines zu solchen Adelichen Exercitien / auserwehlten ansehnlichen Platzes. Zu Ehren seinem Lieb-werthest und Treu=meinenden Herrn Fecht=Meister / in pleno vielen Hoch=ansehnlichen Herrn / wie auch / der Edlen und     Preist=Löbl. Fecht=Compagniae / Freud=muetigst gehalten und abgeleget: Sonntags den 15. August / durch Christian Peter Kressen / von Kressenstein / seines Alters 12. Jahr. Nürnberg / gedruckt bey Andreas Knorzen Seel. Wittib An. 1686
(3) Siehe Biedermann, Johann Gottfried: Geschlechtsregister des Hochadelichen Patriciats zu Nürnberg. Nürnberg, gedruckt bei Friedrich Elias Dietzel, 1748. Tabelle CCXCV. 
Und außerdem: Kiefhaber, Johann Carl Sigmund: Fragmente aus der Geschichte des Patriziats in der freyen Reichsstadt Nürnberg. Nürnberg, gedruckt mit Schmidischen Schriften, 1799, S. 22.

Freitag, 18. Juli 2014

Das Duell zwischen den Neapolitanischen Fürsten D. Francesco Carafa de Noja und D. Gulio Antonio Aquaviva de Aragona (1673)

Der vorliegende Text von 1673 thematisiert den Zweikampf zwischen den Fürsten D. Francesco Carafa de Noja und D. Gulio Antonio Aquaviva de Aragona, den sie im November 1673 mit Schwert und Beidolch austrugen. Es handelt sich in der Originalform um einen einseitigen Druck im Format ca. 50 x 32,5 cm. (1) Dem 30-zeiligen Text sind Portraits der beiden Protagonisten beigefügt (siehe die Originalform am Ende dieses Artikels).

Der Text
Fuertrefflicher Ritter=Kampf / Der zweyen Neapolitanischen Fuersten D. Francesco Carafa de Noja. und D. Guilio Antonio Aquaviva de Aragona. am 5. 15. Novemb. 1673.

Die Wolmeinung der unpartheyisch-verstaendigen ist jederzeit dahin gegangen / daß die zwischen beyden hohen Neapolitanischen Haeusern de Conversana und di Noja, biß auf zwey Jahr und etliche Monat ausgeschlagene Tod=Feindschafft / am besten durch ein Duell mit Ritterlichen Gewehren koenten ausgetragen und beygelegt werden: Zu dem End dann gleich Anfangs ein bequemer Platz zu Vollziehung dessen gesucht / niemals aber gefunden worden / als am 5 / 15 Novemb. dieses Jahrs / da auf ordentliche Ausforderung / von D. Aquaviva geschehen / D. di Noja, mit beyderseits erbetenen Secunden erschienen / die zweyfache Gewehre / als Dolchen und Degen gegeneinander gemessen / und darauf in Beyseyn und Ansehen etlich 1000 hoher und niderer Personen aufeinander gegangen. Der Kreiß war von Pferden und Reutern umschlossen. D. Aquaviva so der erste / als Forderer / auf dem Kampf=Platz gewesen / erwartet / mit besonders verspürtem Eifer / biß D. Carasa sich zum ersten Gang in Postur stellen wuerde. S auch nicht gesaeumet. Sie stunden beyde mit subtilen von Silber und Gold ausgemachten Camisolen zugegen / die noch vor dem Kampf von denen Secunden eroeffnet / und ob kein Vortheil darunter verborgen / besichtigt worden. Vorhero aber liesen sie ihre Haare aufbinden / und erwarteten einander mit blosen Haeuptern. Der Angriff geschahe mit solcher Annehmlichkeit der Geberden gegen die Anwesende / daß sie gleichsam / als ihnen für die Beywohnung zu danken / sich darstellten / so auch bey jedes Gangs Anfang wiederholet wurde. Hoechstgefaehrlich schien der erste Gang durch ohne Unterschied angebrachte Hieb und Stich / daß es scheinbarlich fuer eine Unmoeglichkeit gehalten wurde / es mueste dann einer der Kaempfer / sonderlich auch wegen der anhaltenden Zeit=Laenge / im Stich und auf dem Platz bleiben. Der andere Gang war zwar etwas kuerzer / weilen sie von dem ersten noch etwas ermuedet schienen: desto hitziger aber die folgenden / da nicht allein Herr Aquaviva / durch das Hembd und an das Knie getroffen worden / sondern D. Carafa auch einen ungefehrten Fall thate / und wiewol man vermeinte / sie dardurch zu Aufhebung deß Duells zu bewegen / mit Zusprechung / daß ein jeder das seinige Ritterlich gethan / und also der Sach ein Genuege geschehen sey / wollten sie sich doch nicht eher bequemen / es haette dann einer derselben eine blutige Wunde empfangen / welches erst im siebenden Gang geschehen / da D. Carafa in den Arm einen Stich bekommen / daß er davon geblutet / und sich auf dem Platz muessen verbinden lassen. Er ließ nichts desto weniger eine Begierde weiter zu fechten spueren / so aber von denen Herrn Secunden verwehret wurde / die sie zu Ablegung der Waffen beredet / auch endlich dahin gebracht / daß sie nicht allein die Haend einander freundlich gereichet / sondern sich auch umhalset und gekuesset / welches dann bey den Zuschauern eine sonderbare Bewegung der Gemuether verursacht. Worauf sie sich zusamm in die Karete gesetzt / und einander in die vorher ingehabte Herberge begleitet. Der Tag hiese nicht umsonst Blandina / an welchem so hefftige Feinde wieder dergestalt zu Freunden worden / daß sie einander geliebkoset.

Die Sinnsprüche in den Randverzierungen lauten:
Seitlich links: „Durch Zweytracht nimt ein groß Gut ab /“
Seitlich rechts: „Durch Eintracht waechst die kleine Gaab.“
Unten links: „Kein Loew faellt Loewen an / kein Schlang ein andre sticht / Kein Rab den andern hackt / kein Wasser=Thier auch nicht“
Unten rechts: „Der Mensch nur suchet / sich in Menschen=Blut zu baden / Und will dem andern mehr / als Loew und Schlangen / schaden.“

Der Text in Originalform

[Digitalisat Goethe-Universität Frankfurt am Main]

Anmerkungen

(1) Siehe Datenblatt der Goethe-Universität Frankfurt am Main

Nachtrag

Das Buch "The Carafas of Maddaloni: Naples under Spanish Dominion" (Digitalisat bei Archive.org) berichtet, dass den beiden Parteien überall in Italien ein offizielles Duell zur Beilegung ihres Streits verwehrt wurde. Deswegen wandten sie sich nach Nürnberg, wo sie vom Stadtrat die Erlaubnis für ihren in der Öffentlichkeit ausgetragenen Zweikampf erhielten. Vielen Dank an Piermarco Terminiello für den Hinweis.

Montag, 14. Juli 2014

Über die Ehefrau des Exercitienmeisters Johann Joachim Hynitzsch: Das Leben der Christina Hynitzsch

von Jan Schäfer

Der Exercitienmeister Johann Joachim Hynitzsch (1638-1707) war Autor der Fabris-Übersetzung „Italiänische Fechtkunst“ (1677/1713). (1) Der in Nordhausn geborene Hynitzsch soll Recht in Jena und studiert haben und stieg später zum Stadtleutnant in Leipzig auf. (2) Verheiratet war er ab 1673 mit Christina Hynitzsch, von der eine Leichenpredigt erhalten ist, die uns ihr Leben und ihre Ehe(n) in wichtigen Daten rekonstruieren lässt.

Die Leichenpredigt erschien in: "Außerlesene Trost- und Leichen-Sprüche: bey unterschiedenen begräbnissen Christselig entschlaffener Personen" (2) und trägt den Titel:
"Davidische hoffnung / bey Christlicher Leichbestattung Frau Christinen / geborner Hauptmannin / Herrn Johann Joachim Hynitzschens / berühmten Kriegs-Exercitien-Meisters / und Stadt-Lieutenants im Grimmischen Vierthel zu Leipzig / gewesenen Eheliebsten / den 20. Novembris, Anno 1696. über den Spruch Ps. XXV, 1. 2."

Der Text (Auszug):
[Seite 359]

"ES ist die Wohlehrbare / Viel=Ehr= und Tugendreiche Frau Christina Hynitzschin Anno 1630. den 24. Septembris gebohren in Dreßden. Ihr Herr vater ist gewesen Herr Sebastian Hauptmann / J. U. Practicus; die Frau mutter Frau Catharina / geborne Manickin allhier aus Leipzig. Diese ihre eltern haben sie alsobald nach ihrer suendlichen geburt versorget / daß durch die heilige tauffe in den gnadenbund der Christlichen kirchen einverleibet worden / haetten sie auch ohne zweiffel gerne in aller gottesfurcht und andern jungfraeulichen tugenden aufferzogen / wenn nicht der tod die Frau Mutter in ihrer zartesten kindheit hinweggerissen / und den Herrn Vater genoethigt / bey schreitung zur andern

[Seite 360]

ehe sie anher nacher Leipzig zu dero freunden zu ueberbringen / da sie denn tit. Herr Zacharias Kramer sel. vornehmer des Raths und weiterbuehmter Handelsherr allhier / auffgenommen und vollend zu allen Christlichen tugenden aufferziehen lassen. Worinnen sie sich so wohl auffgefuehret / daß Anno 1656. Herr Gottfreid Cunrad / damahls Handelsbedienter allhier / buertig von Breßlau / eine eheliche affection zu ihr gewonnen / und sich im monat Aprilis durch priesterliche einsegnung in GOttes nahmen mit ihr copuliren lassen. Da dann diese ihre ehe nicht ohne GOttes segen geblieben / massen sie darinnen vier toechter / nahmentlich Anna Catharina / Maria Christina / Susanna Dorothea und Johanna Gertraud / miteinander gezielet / deren die erste Anno 1680. an Herrn Heinrich Hoppen / Buergern und Handelsmann allhier das erstemahl vereheliget / welche ehe sie aber ohne leibes=erben beschlossen / als der selige Herr Hope Anno 1688. verstorben / sie aber ihren wittwenstand bisz Anno 1690. fortgesetzet und erduldet / da Herr Heinrich Kumpfthoff / auch Buerger und Handelsmann allhier / sie in die andere ehe versetzet / und dadurch die selige als Großmutter mit dreyen kindern / einem sohne / welche in die seligkeit vorangegangen / und zwo toechtern / welche GOTT grosz erziehen lassen wolle / vergnueglich erfreuet. Die andere ist ihrem seligen Herrn Vater und der Frau Mutter im zehenden jahr ihres alters vorangegangen. Die dritte ist Anno 1694. an Herrn Christian Gottlieb Wagnern / Handelsmann allhier vereheliget / bey welchen man zwar noch keinen ehesegen spueret / solchen aber noch von GOTT zu erbitten hoffet. Die vierdte wurde Anno 1687. Herrn Johann Pascha / Exercitien=Meister allhier / Christlich beygeleget / und hat unsere selige aus solcher Enckelein / nebmlich drey Soehne und drey Toechter erlebet / ob gleich der aelteste Sohn aus dieser serbligkeit allen vorangegangen. Nachdem nun die selige mit ihrem ersten Herrn in die 16. jahr eine vergnuegliche ehe gepflogen / muste sie auch endlich Anno 1672.

[Seite 361

im Julio den bittern creutz=kelch kosten / und sich geduldig in den elenden wittwenstand versetzen lassen / und darinne biß Anno 1673. aushalten / da sie Herr Johann Joachim Hynitzsch zu seiner ehegattin begehret / und den 26. Octob. selbigen jahres durch priesterliche copulation erhalten / auch Anno 1676. einen sohn / nahmens Erasmus / mit ihr gezeuget / welcher aber Anno 1684. im neundten jahr seines alters den 20. Augusti beyderseits eltern durch allzufruehes absterben in hoechsten trauerstand gesetzet / und ihnen die von sich gefaste hoffnung entwendet. Sonsten ist dieser ihr anderer ehestand in die 24. jahr vergnueglich und glueckselig gnug gewesen / ob gleich der Allerhoechste sie dann und wann in die creutz= undt gedult=schule gefuehret / indem sie unterschiedene zeit vor ihrem seligen ende sich kraenklich befunden / biß letzlich im vergangenen monat Junio sich die rechte krankheit mit stechen in der lincken seiten / mit drucken des magens und mit kurtzem athem geaussert / und also ihre letzte bettlaegerigkeit verursachet / da zwar auff gebrauch dienlicher artzneyen solche zufaelle ziemlich nachgelassen / und man zu voelliger genesung gute hofnung geschoepffet. Demnach aber kurtze zeit darauff sich ein starcker gichtflusz eingefunden / welcher sich im ruecken und rechter huefft so fest gesetzet / daß so wohl durch innerliche als aeusserliche medicamenten solchen ohn gefahr schwerer zufaelle zu zertheilen es unmoeglich gewesen; als hat sie aus diesen zufaellen und denen zuweilen darzugestossenen ohnmachten und motibus convulsivis wohl angemercket / dasz ihre lebenstage zu ende lauffen wuerden; dannenhero sie sich zu denen himmlischen medicamenten gewendet / ihren Herrn Beichtvater zu sich erbeten / ihre suende reuend bekennet / die absolution gebeten / und im festen vertrauen auf das verdienst ihres Heylandes JESU Christi dieselbe empfangen und angenommen / auch darauf den letzten zehrpfennig im heiligen Abendmahl genossen. Nach diesem liesse sichs wiederum an / als wolte sichs mit ihrer gesundhet bessern / aber ohne bestand. Dannenhero ihr Herr Beichtvater

[Seite 362]

sie zum oeffteren besuchet und getroestet / allemahl aber als eine bestaendige streiterin Jesu Christi abgetroffen / und sie deswegen der ewigen gnadenkrohne in jenem seligen leben versichert / bisz er letzlich am dienstage / war der 17. Novembris, nachdem er zu ihr fruehe umb 8. uhr erbeten / sie zwar bey voelligem verstande / aber abgehender sprache angetroffen: da er dann / weil ihr ende augenscheinlich herangenahet / sie nochmahls getroestet / absolviret und eingesegnet / auch darauf biß nach zehen uhren mit steten singen derer dabeystehenden / ihres Mannes / kinder und kindes kinder / auch anderer verwandten und guten freundinnen auf eilf uhr / in ihrem Erloser ohne einiges zucken sanfft und selig eingeschlafen / ihres alters 66. jahr und zween monat / weniger 7. tage."

Bei dem im Text genannte Johann Paschen könnte es sich um einen Verwandten des Exercitienmeisters Johann Georg Paschen (1628-1678) (4) handeln. Ein Johann Paschen lebte von 1653-1710 in Leipzig. (5). Er war dort Tanzmeister und 1707 erschien sein Buch „Beschreibung wahrer Tanzkunst“. (6)

Anmerkungen:

(1) Vollständiger Titel: Scienza E Pratica D'Arme = Herrn Salvator Fabris Obristen des RitterOrdens der sieben Herzten verteutschte Italiansche FechtKunst / Di Salvatore Fabris, Capo Dell'Ordine Dei Sette Cuori. Hynitzsch, Kloßen, Leipzig 1677 und 1713. [Digitalisat der Ausgabe von 1713, Göttinger Digitalisierungszentrum]
(2) Siehe den Datensatz im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
(3) Vollständiger Titel: Außerlesene Trost- und Leichen-Sprüche: bey unterschiedenen begräbnissen Christselig entschlaffener Personen / in denen damahligen Leichpredigten fleißig erkläret / und eintzeln heraus gegeben / hernach auff begehren zusammen gesuchet / und zu gemeiner erbawung überlassen / von Jo. Benedicto Carpzov“, Band 7. Gedruckt bei Immanuel Tietze, verlegt durch Friedrich Lanckischens Erben, Leipzig 1700. [Digitalisat in der digitalen Bibliothek der Universität Halle]
(4) Zu Johann Georg Paschen siehe den zugehörigen fechtgeschichte-Artikel.
(5) vgl. Thesaurus.
(6) Siehe: Petermann, Kurt (Hrsg.): Johann Paschens Beschreibung wahrer Tanz-Kunst. Zentralantiquariat, Leipzig 1981. 

Mittwoch, 9. Juli 2014

"Die Adeliche und Ritterliche Fecht Kunst auff den Stoss": Die Handschrift des Johann Heinrich Eich, Sig. MS Best. 7010, 289, Fechtkunst

von Jan Schäfer

Die vorliegende Handschrift Sig. MS Best. 7010, 289, Fechtkunst (Historisches Archiv Köln) von Johann Heinrich Eich ist betitelt „Die Adeliche und Ritterliche Fecht Kunst auff den Stoss“. (1) Der Autor stellt sich im Vorwort als „[d]ieser des Heiligen Römischen Reichs Freyen Statt Cöllen am Rhein Privilegirten Statt Fecht Meisteren“ vor. (2) Die Handschrift hat einen Umfang von 95 Blatt, davon 63 Illustrationen, und erschien zwischen 1731 und 1755. (3) Sie ist den beiden amtierenden Bürgermeistern von Köln Johanni Nicolao von Krusst und Melchiori Rutgero von Kerich sowie einem nicht namentlich genannten Ratsmitglied gewidmet. (4)

Von Johann Heinrich Eich existiert eine weitere Handschrift. Sie liegt in der Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz (dort unter der Sig. MS Germ. Oct. 227). Auch sie trägt den Titel „Die Adeliche und Ritterliche Fechtkunst“ und ist den beiden amtierenden Bürgermeistern von Krusst und von Kerich sowie einem nicht namentlich genannten Ratsmitglied  gewidmet (5) und auch hier weist sich der Autor als privilegierter Fechtmeister der Stadt Köln aus. (6) Allerdings hat diese Handschrift mit 73 Blatt, davon 63 Illustrationen, einen geringeren Umfang. Datiert wird sie auf nach 1733. (7)

Im Vergleich beider Handschriften zeigen sich folgende Unterschiede in Illustrationen und Inhalt.
  1. Illustrationen: Die Federzeichnungen der MS Germ. Oct. 227 sind im Vergleich mit denen der  MS Best. 7010, 289, Fechtkunst sehr schlicht gehalten.
  2. Inhalt: Der größere Umfang der  MS Best. 7010, 289, Fechtkunst rührt vor allem aus den Textpassagen auf fol. 86r und folgenden her, die in MS Germ. Oct. 227 fehlen. Diese Seiten beinhalten das Wentiren, Laschiren, Vorpassen, Dobbliren, Brullyren, Mensur brechen, Dreiangelparade, Linksfechten und was ein Fechter im allgemeinen zu beobachten habe. Zusätzlicher Inhalt findet sich außerdem auf den Seiten 10r und 10v, 49r und 49v, 52r und 52r. Demgegenüber hat die MS Germ. Oct. 227 zusätzlichen Inhalt auf 19v und 40r. Abgesehen davon sind die übrigen Lektionen der  MS Best. 7010, 289, Fechtkunst mit denen in MS Germ. Oct. 227 nahezu deckungsgleich. Aber kleinere Abweichungen in Anordnung und Inhalt der Lektionen sowie Überschriften und allgemeinen Wortschreibweisen lassen sich auch hier ausmachen.

Der Text Sig. MS Best. 7010, 289, Fechtkunst

Zur Bearbeitung des Textes

  • Die Transkription der Handschrift erfolgte buchstaben-, zeichen- und seitengetreu.
  • Die Groß- und Kleinschreibung ist an moderne Regeln angepasst (auch bei Fremdworten und eingedeutschten Worten, wo es eindeutig erkennbar ist). Wo nicht klar erkennbar, wird das Wort klein geschrieben.
  • Die Getrennt- und Zusammenschreibung ist ebenfalls an moderne Regeln angepasst. Ausnahme sind alle Worte, die im Original mit Bindestrich oder Doppelbindestrich getrennt wurden. Diese werden so übernommen. Wo nicht klar erkennbar, wird das Wort getrennt geschrieben.
  • Umlautzeichen (z.B. 'ü') und die Akzente Aigu (z.B. 'é'), Grave (z.B. 'è') und Circonflexe (z.B. 'ê')  werden wiedergegeben. Zeichen zur Unterscheidung von Buchstaben (z.B. 'u' mit Strich oder 'y' mit Doppelpunkt) werden weggelassen.
  • Die verschiedenen Formen eines Buchstaben (z.B. bei 's') werden nicht unterschieden.
  • Nachträglich eingefügte, durchgestrichene, überschrieben Worte und die Benutzung diakritischer Zeichen wurden mit <> kenntlich gemacht.
  • Alle verso-Seiten sind überschrieben mit “Die adeliche und Ritterliche fecht=Kunst”, alle recto-Seiten mit “auff den Stoss”. Diese sind im bearbeiteten Text in kursiv dargestellt.
  • Alle [fol.] des Texts sind auf das jeweilige Original des Digitalisats des Historischen Archivs Köln verlink. Zum Vergleich sind in Klammern die fol. der Handschrift MS Germ. Oct. 227 aus Berlin beigefügt, wobei die Zuordnung den Stücken und Zeichnungen entsprechend erfolgte und leere Seiten weggelassen wurden.

Der Text

[fol. 1r] (MS Germ. Oct. 227 [fol. 1r])

Titelblatt

DIE ADELiCHE UND RiTTERLICHE FECHT KUNST


leere Seite

[fol. 2r] (MS Germ. Oct. 227 [fol. 2r])

Deutliche Erklärung der adelichen und ritterlichen Fechtkunst

Vorstellend die rechte beste Art und Manier mit den darzu nöthigen Figuren, wie anjetzo bey denen der Kunst recht verständigen Maiteren practicirt und denen Herren also communiciret werden musz.

Durch

Dieser des Heiligen Römischen Reichs freyen Statt Cöllen am Rhein privilegirten Stattfechtmeisteren Joan Heinrich Eich


leeres Blatt

[fol. 3r] (MS Germ. Oct. 227 [fol. 2v])

Denen wohlgebohrnen und gnädigen Herren Herren Johanni Nicolao von Krusst und Melchiori Rutgero von Kerich, zur Zeit regierenden Burger Meisteren.

Wie auch einem hochedlen und hochweisen Rath dieser des H. R. Reichs freyer Statt Cöllen am Rhein &: meinen gnädigen und hochgebietenden Herren.

[fol. 3v] (MS Germ. Oct. 227 [fol. 3r])

Gnädige hochgebietende Herren.

Ewer Gnaden ist bester Maszen bekänt, wie dasz von vielen Jahren hero die Künsten immer Höher gestiegen, also ist es auch mit der ritterlichen Fecht=Kunst beschaffen, dasz fast nicht vieles mehr mit der vorherigen Fechtart ubereinkommet, wie ausz allen noch vorig auzgegangenen Fechtbücheren gegen diesseithige sattsam

[fol. 4r] (MS Germ. Oct. 227 [fol. 3r] und [fol. 3v])

zu erweisen, weilen nun unterschiedene Liebhaber der Kunst mir öffters angelegen dieses schön längst vorgehabte Werk zu verfertigen, so hab mich darauff beflissen, die rechte Art und Manier der ritterlichen Fechtkunst ans Licht zu bringen, weilen solches meines Wissens weder von meinen Vorfahren noch anderen geschehen;
Derohalben hatt meine Pflicht und schudige Devotion von mir nicht unbillig erfordert dieses geringe Werk zum Zeichen meiner unterthäniger Erkäntnus und Dankbarkeit zu dero Hohen Händen zu überreichen mit der

[fol. 4v] (MS Germ. Oct. 227 [fol. 3v])

unterthäniger Bitte, Ewer Gnaden Geruhen geruhen wollen ein solches mit Gnädigen Augen anzuschauen, und dero Hohen Gnaden beständig Empfohlen Sein zu Lassen

Ewer Gnaden
Meiner Hochgebietenden Herren Hn.

Unterthänig Trewgehorsambster

Johann Henrich Eich
Privilegierter Statt Fecht Meister.


<leere Seite>


<leere Seite>

[fol. 6r] (MS Germ. Oct. 227 [fol. 4r])

Wie mann eine gutte Positur machen soll

Erstens muss der Leib gradt auf gehalten werden, dass lincke Knie soll gebogen sein also das der gantze Leib darauff ruhet, der rechte Fuss muss frey sein damit mann bequäm zum Ausstossen ist, doch muss der rechte ungefähr 2. Fuss vom lincken in grader Linie abstehen, das also die Absätz ohne Hindernus hintereinander hergebracht werden können, welches bey starker Reterade erfordert wirdt, das rechte Knie muss gradt stehen, aber nicht gantz gestreckt sein, gleich wie auch der rechte Arm, in der Positur muss die lincke Handt nechst bey das Gesicht

[fol. 6v] (MS Germ. Oct. 227 [fol. 4r] und [fol. 4v])

Die adeliche und ritterliche Fecht=Kunst

gehalten werden, umb allenfalls eine Desarmation oder Handtparade damit zu verrichten, beym Ausstossen muss die lincke Handt wie die rechte ausgestrecket sein, damit der Leib, Arm und Bein sambt dem Degen alles in grader Linie ausgesträckt ist, dabey man den Degen vorsichtig halten muss, auff das er nicht ausz der Hand geworfen werde, und nach gethanem Stoss musz mann sich in aller Eil wiederumb in gutte Positur setzen umb den Nachstoss pariren zu können, in der Positur muss die Spitze des Degens gegen des Adversary Gesicht gehalten werden, undt Höher stehen als die rechte Handt, damit der Feindt die Schwäche nicht gewinnen kan, wan mann nun in Positur stehet undt zu

[fol. 7r] (MS Germ. Oct. 227 [fol. 4v] und [fol. 5r)

auff den Stoss

fechten ahnfangen will, so wirdt zu erst das Complement erfordert, welches allezeit der Ahnfang ist.

Sobaldt nun beyde in Positur stehen so macht ein jeder zu gleicher Zeit bey Abziehung des Huths eine Apell mit dem rechten Fuss auff die Erdt, den Degen in grader Linie haltend, alsdan tritt mann zwey Paas zuruck, undt bey jedem Paas muss die Handt sambt der Klinge gewendet werden, undt auff selbige Manier wiederumb zwei Paas vor sich gemacht,

[fol. 7v]

(8)

[fol. 8r]

(s. Anm. 8)

[fol. 8v] (MS Germ. Oct. 227 [fol. 5v] und [fol. 6r])

Die adeliche und ritterliche Fecht=Kunst

11. caviren, auff den Attaque Tempo stossen
12. repostiren, nachstossen
13. coupiren, im ausstossen über seiths fallen
14. passiren, einlauffen
15. voltiren, sich auff des Feinds Stoss wenden
16. desarmiren, den Degen abnehmen
17. contramarchiren, den Feind auff seine Attaque zu gleich attaquiren
18. corumpiren, in der Parade auff den Stoss avancirn
19. broullyrn, den Feint in confusion bringen
20. dobbliren, Stoss auf Stoss führen
21. arrettiren, vorhalten oder bedecken
22. appelliren, einen zum Stossen verführen
23. wentiren, keine Kling geben
24. caminiren, in der Positur den lincken Fuss vor den rechten setzen

[fol. 9r] (MS Germ. Oct. 227 [fol. 6r])

auff den Stoss

Abtheilung der Kling in 4 Theil.

Die Kling wird in 4 Theil getheilet

Nemblich

Nom: 1 Die ganze Sterck. Nom: 2 Die halbe Sterck
Nom: 3 Die halbe Schwech. Nom: 4 Die ganze Schwech

<Illustration>


Die adeliche und ritterliche Fecht=Kunst

leere Seite


auff den Stoss

Woraus die nahe und weite Mensur zu erkännen.

Wan mann in Positur stehet, undt die beyde gantze Schwächen zusammen kommen, so ist es die weite Mensur, kommen beyde Klingen aber ahn der halben Schwäche zusammen, so ist es die rechte Mensur, in der weiten Mensur sol mann niemahls ausstossen, weil der Feindt zu weit entfernt, undt dadurch mann sich selbst in Gefahr setzet, dieweil der Feindt im Nachstossen, sein Gegenparth erreichen kan, auch hatt man sich vorzusehen, das wan schon beyderseiths in weiter Mensür stehen, dass der Feindt nicht mit Zuziehung des lincken Fuss unvermerckt die Mensur gewinne, undt ein Stoss versettzen thäte, auch muss ein jeder


Die adeliche und ritterliche Fecht=Kunst

behutsam gehen, wan er aus der weiten Mensur in die rechte rucken will, damit der feindt ihme kein Tempostoss versetze, dan die Tempostöss müssen mehrentheils gemacht werden, wan der Feindt auss der weiten Mensür in die rechte zu kommen trachtet.
Welches bey den tempo stössen deütlicher kan gesehen werden.

wie dan.

wie dan diese zu erst folgende Figür die weite, undt die zweite die rechte Mensür vorstellet, worin man ausstossen kan.

[fol. 11r] (MS Germ. Oct. 227 [fol. 7r])

auff den Stoss

<Illustration>


Die adeliche und ritterliche Fecht=Kunst

leere Seite

[fol. 12r] (MS Germ. Oct. 227 [fol. 7v])

auff den Stoss

<Illustration>


Die adeliche und ritterliche Fecht=Kunst

leere Seite

[fol. 13r] (MS Germ. Oct. 227 [fol. 8r])

auff den Stoss

von den 6. ersten Grades

welche bestehen in Quart, Tertz, Secunt, Flanquonat, Quart=baas et Prima.

wie mann selbe recht ausstossen soll sambt den Paraden womit solche können pariret werden,

[fol. 13v] (MS Germ. Oct. 227 [fol. 8v])

Die adeliche und ritterliche Fecht=Kunst

Die Quarte genant, muss selbige mit aufwarts gewenter Faust den Daumen oben, den Arm gestrecket, die Faust in die Höhe, undt die Spitze des Degens gegen des Feindes rechter Brost gewendet ausgestossen werden, undt der lincke Arm muss beym ausstossen eben wie der rechte ausgestrecket sein, wie diese Figur  N: 1. ahnweiset.
Dieser Quartstoss, kan in der Linie, oder mit Contraparade, wie auch mit Contraoctav parirt werden.

[fol. 14r] (MS Germ. Oct. 227 [fol. 9r])

auff den Stoss

<Illustration>


Die adeliche und ritterliche Fecht=Kunst

leere Seite

[fol. 15r] (MS Germ. Oct. 227 [fol. 9v])

auff den Stoss

Die Tertzia, wird formiret wie die Quart, es kombt aber auff die Parade ahn, wan mann Tertz mit grader Hant pariret, desgleichen, so mann auff Tertz in grader Linie attacquiret, so kann mann gradt wie die Quarta mit erhobener Handt durchstossen, die jenige so aber mit Verwendung der Faust eine Tertz pariren, können auch also repostiren, weil im Nachstossen die Wendung der Faust offt schätlich sein kan, auch zugleich ein Auffenthalt machet,
Die Tertzglissade aber muss absolute mit verwenter Faust, undt die Spitze des Degens bis

[fol. 15v] (MS Germ. Oct. 227 [fol. 9v] und [fol. 10v])

Die adeliche und Ritterliche fecht=Kunst

in die rechte Seith des Feints forsirt und ausgestossen werden, wie dan diese beyde Figüren, N: 2. et 3. ahnzeigen.
Die Tertz kan auch in der Linie, wie mit der Contraparade und auch mit Circul parirt werden.
Die Tertzglissade aber muss mit PrimaParade parirt sein, oder aber mit der Contraforce, das ist, wan der Feint die Tertzglissade stossen so muss mann seine Klinge mit aller Force überwerffen, undt ihme selbst die Tertzglissade anbringen, wobey mann sich aber vor zu sehen, das bey dem Überwerffen der Klinge, der Feint nicht in Prima pintire.

[fol. 16r] (MS Germ. Oct. 227 [fol. 10r])

auff den Stoss

<Illustration>


Die adeliche und ritterliche Fecht=Kunst

leere Seite

[fol. 17r] (MS Germ. Oct. 227 [fol. 11r])

auff den Stoss

<Illustration>

[fol. 17v] (MS Germ. Oct. 227 [fol. 11v])

Die adeliche und ritterliche Fecht=Kunst

Die Secunda wirdt eben wie die Quart mit grader Faust, den Daumen oben und mit erhobener Hant jedoch auswärths des Feindes Klinge unter den Arm gestossen wie wie N: 4. ahnweiset
Es kan diselbe auch mit verwenter Handt ausgestossen werden insonderheit wan der Feint eine Tertz zu starck in die Höhe pariren solte.
Diese Secunda kan mit Brullyrparade, mit der Circulparade unt mit der Octaveparade pariret werden.

[fol. 18r] (MS Germ. Oct. 227 [fol. 12r])

auff den Stoss

<Illustration>


Die adeliche und ritterliche Fecht=Kunst

<leere Seite>

[fol. 19r] (MS Germ. Oct. 227 [fol. 13v])

auff den Stoss

Die Flanquonade betreffent kan solche offt sehr <verwischt oder durchgestrichen: leicht> leicht ahngebracht werden, zu mahlen wan der Feint mit dem Arm undt der Klinge auss der Linie gehet, und die Schwäche seines Degens nicht wohl observiret, auch kan solche auff einen Quartstoss repostiret werden.
wie No: 5. zeiget.
Mann muss aber die Handtparade dabey observiren sonst könte mann darauff in der Linie leicht betrogen werden, auch hatt mann sich vor zu sehen, das nicht eine Quart uber den Arm darauff repostiret wirdt, also muss ein jeder sich auff gethanen Stoss glich wieder in gutte Positur setzen, umb vor dem Nachstossen sicher zu sein.

[fol. 19v] (MS Germ. Oct. 227 [fol. 12v])

Die adeliche und ritterliche Fecht=Kunst

Bey der Flanquonatglissade hatt man keine Handtparade vonnöhten, weil der Feint in der Linie nicht durchkommen kan wie solches die figür No: 6. weiset.

Diese Flanquonadtstöss können pariret werden mit einer Cavation, mit Circul oder Octav oder Brullyrparade.

[fol. 20r] (MS Germ. Oct. 227 [fol. 14r])

auff den Stoss

<Illustration>


Die adeliche und ritterliche Fecht=Kunst

<leere Seite>

[fol. 21r] (MS Germ. Oct. 227 [fol. 13r])

auff den Stoss

<Illustration>

[fol. 21v] (MS Germ. Oct. 227 [fol. 14v])

Die adeliche und ritterliche Fecht=Kunst

Die Quart baas, muss auch mit erhobener Faust aussgestossen werden, die Spitze des Degens aber muss mann sincken lassen bis in des Feindes rechte Seith fast ober das dicke Bein, so fehlet der Feint leichtlich mit seiner Parade No: 7.
Dieser Stoss kann mit Circul oder Contraoctave pariret werden.

[fol. 22r] (MS Germ. Oct. 227 [fol. 15r])

auff den Stoss

<Illustration>

[fol. 22v] (MS Germ. Oct. 227 [fol. 15v])

Die adeliche und ritterliche Fecht=Kunst

Die Prima wirdt gestossen, wan der Feint einem die Tertz stossen thäte, so pariret mann solche in die Höhe und stosset Prima nach. Solche kan auch gemacht werden wan mann selbst seinem Feint die Klinge auf Tertz forsiret und er um sein Gesicht zu bedecken in die Höhe pariret wie Num: 6.
Mann muss aber sehr behuthsamm gehen, damit der Feint, in dem mann avansiret nicht selbst ein Tempostoss in der Prima oder Secunda versetze.
Diesen Primastoss muss mann mit Prima oder Contraprimaparade pariren.

[fol. 23r] (MS Germ. Oct. 227 [fol. 16r])

auff den Stoss

<Illustration>


Die adeliche und ritterliche Fecht=Kunst

<leere Seite>

[fol. 24r] (MS Germ. Oct. 227 [fol. 16v])

auff den Stoss

Von der Circulparade.

Die Circulparade bestehet in 5 Theil, und hatt eben so viel Stöss.

1. Circul. 2. doppelt Circul. 3. Circul in Octav. 4. Circul in Octav contre Quart. 5. Circul in Octav contre Quart ramassirt in Tertz,
auff die Paraden folgen folgen die Stöss, doch kan mann auch auf jede Parade einen anderen Stoss führen.

[fol. 24v] (MS Germ. Oct. 227 [fol. 16v])

Die adeliche und ritterliche Fecht=Kunst

Von der Circulparade.

Wan mann eine Quart baas mit Circul pariren will, so muss der Arm gestrecket sein die Faust erhoben undt die Spitze des Degens sincken lassen, alsdan kan eine Quart oder Secunt real repostiret wie die figur Nom: 9. ahnweiset, durch den blinden Strich,

Solte solche Parade mit einem krummen Arm undt ohne erhobene Handt geschehen, so kan der Feint leicht in die hohe Quart durchstossen, also muss mann sich vorsehen, dass wan des Gegners Stoss mit der Circulparade verfehlt werden, alsdan in demselben Augenblick eine Contratertz parire damit der Feindt auff keiner seithen durchkomen <m mit Tilde in durchkomen> kan.

[fol. 25r] (MS Germ. Oct. 227 [fol. 17r])

auff den Stoss

<Illustration>

[fol. 25v] (MS Germ. Oct. 227 [fol. 17v])

Die adeliche und ritterliche Fecht=Kunst

Von der Primaparade.

Wan mann eine Tertz oder Quart in Prima pariren will, so muss mann die Faust dem Gesicht gleich in die Höhe heben, damit das Gesicht undt der gantze Leib bedeckt ist, wie dan die blinde Strich die repost stöss ahnzeigen als bei Num: 10. zu sehen.
Diese Primaparade besteht in 5 theil undt so viel Stöss,
1. Prima. 2. doppelt Prima. 3. Prima in contre Prima. 4  Prima in contre Prima contre Quart. 5. Prima contre et ramassirt auff Tertz. auff die Paraden folgen die Stöss,

[fol. 26r] (MS Germ. Oct. 227 [fol. 18r])

auff den Stoss

<Illustration>


Die adeliche und ritterliche Fecht=Kunst

<leere Seite>

[fol. 27r] (MS Germ. Oct. 227 [fol. 18v])

auff den Stoss

Von der Octavparade

Wan mann eine Secunt mit Octav pariren will, muss solches geschehen mit erhobener Handt, den Daumen oben als in der Quart, und die Spitze dees Deegens, gegen des Feindes dicke Bein versencket werden,
hierauff kan eine Secunt in der Linie, eine Quart über den Arm, oder eine doppelte Tertz repostirt weren.
Die Octavparade, wie auch die Stöss, bestehen in 5. Theil. als 1. Octav. 2. doppelt Octav, 3. Octav contra Quart , 4. Octav mit Fint. 5. Octav contra Quart ramassirt auf Tertz.
Parirt mann aber eine Tertz oder eine Quart bis in Octav, solches ist eine Contraparade,
diese wie auch Circul und Prima können nicht alle in Figuren vorgestelt werden,.

[fol. 27v] (MS Germ. Oct. 227 [fol. 19r])

Die adeliche und ritterliche Fecht=Kunst

Von der Centrumparade (9)

Die Centrumparade bestehet in 2. Theillen
So mann eine Quart in Centrum pariret, ist die einfache Parade.
Parirt mann die Tertz mit der ContraParade bis in Centrum, ist es die doppelt Centrumparade, wie die Figur Nom: 11. weiset,

Wan mann einen Stoss in Centrum pariret hatt so kan in der Linie nachgestossen werden, oder eine Quart über den Arm, wie auch ein doppelte Tertz.

[fol. 28r] (MS Germ. Oct. 227 [fol. 20r])

auff den Stoss

<Illustration>

[fol. 28v] (MS Germ. Oct. 227 [fol. 20v])

Die adeliche und ritterliche Fecht=Kunst

Von den Tempostössen

Derjenige so aufs Tempo fechten will, muss vor allem die Mensur wohl observiren, undt dabey auff des Feindes geringste Bewegung Achtung geben, dan es kann kein Tempo gestossen werden, es seye dan das der Feindt auss der weiten Mensur in die nahe und rechte zu kommen trachtet,
auff alle Stärckeattacquen, es sey Avansiren, oder Forsiren, auff Quart oder Tertz, kan Tempo gestossen werden. Wan der Feint in weiter Mensur attacquiret, wie die figur Nom. 12. ein Tempostoss auff Quart ahnweiset,

[fol. 29r] (MS Germ. Oct. 227 [fol. 21r])

auff den Stoss

<Illustration>

[fol. 29v] (MS Germ. Oct. 227 [fol. 21v])

Die adeliche und ritterliche Fecht=Kunst

Ferner von den Tempostössen.

Es kan auch ein Tempostoss geführt werden auff die Batütten, Appellen oder andere Finten, wan sie nicht gegen den Leib gemacht werden mann hat sich aber vorzusehen, das der Feint wan er schon in weiter Mensur stehet, nicht unuermärckt den lincken Fuss bey den rechten ziehet, alsdan hatt er schon die Mensur gewonnen. Wan mann alsdan ein tempo stossen wolte, könte es leicht gleiche stöss absetzen, derhalben kan es nicht schaden wan mann sich der HandtParade zu bedinen weis, wan nun der Gegenpart einen auff Quart forsiret, so kan mann ein Tempo auff Tertz stossen wie Nom. 13.

[fol. 30r] (MS Germ. Oct. 227 [fol. 22r])

auff den Stoss

<Illustration>

[fol. 30v] (MS Germ. Oct. 227 [fol. 22v])

Die adeliche und ritterliche Fecht=Kunst

Von den Tempostössen.

Ein Tempostoss muss sein so schnell als ein Schuss auss der Büchsen, sobaldt der Feint einrucket auff Tertz, so cavirt mann unter seiner Klinge durch auff Quart,
forsirt er Quart, cavirt man in Tertz, attaqirt er in Tertz auff das Gesicht, so stost mann Tempo in in Secunt oder Prima, wie disse Figur Nom: 14.

[fol. 31r] (MS Germ. Oct. 227 [fol. 23r])

auff den Stoss

<Illustration>

[fol. 31v] (MS Germ. Oct. 227 [fol. 23v])

Die adeliche und ritterliche Fecht=Kunst

Von denen Finttempos

Deweil mit den Finttempos der Feint viel leichter, als mit einem graden Tempostoss kan betrogen werden, so man sich aussen Mensur haltett, und so baldt, er attacquiren solte, so caviret mann auf Quart oder Tertz nachdem der Attacque geschieht, als wolte eine graden Stoss führen, macht aber eine Fint, und degagirt darauff zur anderen Seite, wie die figur Nom: 15. zeiget,
Welcher Tempo fechten will muss auff des Feindes Attacque die Klinge <durchgestrichen: geben> niemahls geben,

[fol. 32r] (MS Germ. Oct. 227 [fol. 24r])

auff den Stoss

<Illustration>

[fol. 32v] (MS Germ. Oct. 227 [fol. 24v])

Die adeliche und ritterliche Fecht=Kunst

Von den Fint und doppelt Finttempos

Solte nun der Gegenpart einen Attacque auff Tertz wagen, so mache auff seinen Ahngriff eine Fint in Quart, läst er nun sich dadurch verführen so stosse Tertz, attacquirt er auff Quart, so mache desgleichen eine Fint auf Tertz und stosse Quart wie N: 15. zeiget. Desgleichen macht man auff Secunt und Prima, also kan mann auch eine doppelte Finttempo machen, wie bey Num: 16. zu sehen, hierbey können auch die Appellfinten oder halbe Stösse gebraucht werden,

[fol. 33r] (MS Germ. Oct. 227 [fol. 25r])

auff den Stoss

<Illustration>


Die adeliche und Ritterliche fecht=Kunst

<leere Seite>

[fol. 34r] (MS Germ. Oct. 227 [fol. 25v])

auff den Stoss

Von der Temporepost

Ein Temporepost, ist einen Tempostoss pariren undt darauff repostiren oder nachstossen. Also ist es im Fechten sehr nöthig, das mann seinen Feint zu erst probire, ob er a Tempo fecht, wan mann nun solches vermärcket, so muss einer sehr vorsichtig handelen, weil es gefährlich ist einen Tempofechter zu attacquiren, undt Ihme mit Gewaldt auff die Haut zu dringen, pfals der Gegentheil aber nicht attacquiren wolte, muss man ihn mit einer Batüt oder kurtzen Avancement attacquiren, wan er alsdan Tempo stosset, so kan solches doch leicht pariret, und der Feint mit der Temporepost ertapt werden, wie Num. 17.


Die adeliche und ritterliche Fecht=Kunst

Von der Temporepost

Also kan die Temporepost auff alle Tempo Stöss applisirt werden, als auch mit einfachen undt doppelten Fintten, desgleichen mit Appellfinten, wie auch Coupèstöss,
welche aber wegen Vielheit der Figuren nicht alle ahnzeigen mögen, auch diese folgende Figur weiset wie ein tempo repost muss formiret werden,

[fol. 35r] (MS Germ. Oct. 227 [fol. 26r])

auff den Stoss

<Illustration>


Die adeliche und ritterliche Fecht=Kunst

<leere Seite>

[fol. 36r] (MS Germ. Oct. 227 [fol. 26v]

auff den Stoss

Von den Werffstössen (10)

Die Werffstöss werden gemacht, in Quart, in Tertz, in Secunt, in Quart=baas. und in Prima. Mann kan auch mit Circul oder Primaparad pariren und auff Quart werffen, item wan der Feint einem die Klinge engagirt oder forsiret, undt eine Tertz stossen thäte, so pariret man die Tertz, undt wirfft ihm über seine Kling in Quart, stost er Quart, so wirfft man in Tertz oder in Prima, nachdem die beste Blösung verspühret wirdt,
solche können auch applicirt werden wan der Feint auff seinen Attacque stehen bleibt wie offtmahls geschieht,

[fol. 36v] (MS Germ. Oct. 227 [fol. 26v])

Die adeliche und ritterliche Fecht=Kunst

Von den Werffstössen

Wan mann nun selbst seinen Feint attacquiret, und er auff der Seithen wo er attacquiret wirdt, starck bedecken solte so wirft man in Quart oder Tertz, nachdem der Attacque geschieht, wie dan die zwey folgende Figuren Num: 18. et. 19 die Manier wie solche zu machen, ahnzeigen,
diesse Stöss können ebenfals mit einfachen undt doppelten Finten, welche aber alle über die Klinge gemacht werden müssen,

[fol. 37r] (MS Germ. Oct. 227 [fol. 27r])

auff den Stoss

<Illustration>


Die adeliche und ritterliche Fecht=Kunst

leere Seite

[fol. 38r] (MS Germ. Oct. 227 [fol. 27v])

auff den Stoss

<Illustration>

[fol. 38v] (MS Germ. Oct. 227 [fol. 28r] und [fol. 28v])

Die adeliche und ritterliche Fecht=Kunst

Von der Circulquart

Eine Circulquart wirdt gemacht, wan mann in rechter Mensur beyderseiths auf Quart liget, so geht man mit Circul über des Feindes Klinge her bis unter dem rechten Arm durch, und stosset die Quart, wie Num. 20.
Auch kan mann mit der Circul bis in Quart durchgehen, dan wiederumb gleich zuruck wenden und stossen Tertz, auch kan es mit Fint undt doppelt Fint gemacht werden, noch kan Circulquart gestossen werden, wan der Feint auff Quart attacquiret, so kan mann die selbe a Tempo stossen, auch so man selbst auff Quart attcquiret, ist die Circulquart zu gebrauchen, wobey sich aber in Obacht zu nehmen das auff den Attacque der Feint kein Tempo stosse,

[fol. 39r] (MS Germ. Oct. 227 [fol. 29r])

auff den Stoss

Illustration

[fol. 39v] (MS Germ. Oct. 227 [fol. 29v])

Die adeliche und ritterliche Fecht=Kunst

Von der Circultertz.

Die Circultertz wirdt auff die Art gemacht, nur dass man auff Tertz attacquiret, oder von dem Feint darauff attacquiret wirdt, so geht mann mit Circul über die Klinge des Feints unter dem rechten Arm durch, bis in die Tertz wie Num. - 21 -
Die Circultertz kan wie die Quart mit Fint undt doppelt Fint gemacht werden,

[fol. 40r] (MS Germ. Oct. 227 [fol. 30r])

auff den Stoss

<Illustration>

[fol. 40v] (MS Germ. Oct. 227 [fol. 30v])

Die adeliche und ritterliche Fecht=Kunst

Von der Ringquart

Wan mann eine Ringquart stossen will, muss auff Quart attacquiren, oder darauff attacquirt werden, dem nechst unter der Klinge durch caviren, als wolte man Terz stossen, in der Cavation aber, muss die Spitze des Degens in die Höhe gehoben werden, wie die blinde Strich ahnzeigen, wan dan der Feint die Tertz zu pariren suchet, so verfehlet er die Kling und also kan diese Quart leicht ahngebracht werden wie Num: 22.
Solte nun der Feint diese Quart pariren und eine Quart nachstossen, so ziehe den Leib zuruck, parire die Quart, und degagire auff Tertz, oder mache eine Fint in Tertz, und stosse Quart, solte er aber auff deine Ringquart eine Flanquonat stossen, so parire selbe mit ein Viertel Cavation, undt stosse Quart oder Flanquonatglissade wie Num: 6.

[fol. 41r] (MS Germ. Oct. 227 [fol. 31r])

auff den Stoss

<Illustration>


Die adeliche und ritterliche Fecht=Kunst

<leere Seite>

[fol. 42r] (MS Germ. Oct. 227 [fol. 31v])

auff den Stoss

Von der Ringtertz

Die Ringtertz, wirdt eben wie die Quart formirt, nur muss man auff Tertz attacquiren, und alsdan unter dem Armen durch caviren und die Spitze gantz erheben, so wirdt der Feint die Quart zu pariren suchen, undt desto mehr Blösung geben vor die Ringtertz ahnzubringen.
Wan dan nun der Feint diese Tertz pariren solte undt eine Tertzglissade nachstossen, so parire solche mit der PrimaParade, alsdan kan die Prima inwendig, oder Prima real über des Feindes Klinge in Secunt repostirt werden, auch kan mann darauff des Feindes Klinge überwerffen und eine Tertzglissade nachstossen wie Num. 3. mann muss sich aber vorsehen das der Feint bey dem Überwerffen, nicht in Prima pintire,

[fol. 42v] (MS Germ. Oct. 227 [fol. 32r] und [fol. 32v])

Die adeliche und ritterliche Fecht=Kunst

Von den Finten

Erstlich an mann dem Feint seine Klinge engagiret hatt, es sey in welcher Gardia es wolle, und ein Blösung sicht, so gehe man mit einer Finte als wolte mann darauff stossen, läst sich der Feint dadurch verführen, so cavire zur anderen Seithe wie Num: 23.
man muss aber nach geführtem Stoss sich so geschwindt als als möglich, wiederumb in gutte Positur setzen, undt sich vor dessen nachstoss hüthen, auch kan man wan es nothwendig, die Mensur brechen, welches geschehen kan mit Zuruckbiegung des Leibs, oder mit Zurucktrettung des lincken Fuss, so man aber die Mensur weit brechen will, setzet man den rechten Fuss hinter den lincken,

[fol. 43r] (MS Germ. Oct. 227 [fol. 33r])

auff den Stoss

<Illustration>

[fol. 43v] (MS Germ. Oct. 227 [fol. 33v])

Die adeliche und ritterliche Fecht=Kunst

Von den doppelten Finten

Eine doppelte Fint, kan sowohl mit einer Appel oder halben Stoss, als auch mit einer doppelten degagir Fint gemacht werden, nemblich wan mann sich mit seinem Adversario in einer graden Positur befindet, undt hatt Gelegenheit oder Blöse eine Fint über den Arm zu machen undt auch gesinnet ist die Quart zu stossen, man aber befürchten solte das er den Stoss parirte, so mache die erste Fint oder ein halben Stoss über den Arm, die 2te in die Quart wie Num: 24.
Solte er nun nach der Quartfint greiffen, so gibt er desto mehr Blösung, das mann ihm ein Stos über den Arm ahnbringen kan, eben also werden sie auff ander Stöss auch gemacht,

[fol. 44r] (MS Germ. Oct. 227 [fol. 34r])

auff den Stoss

<Illustration>

[fol. 44v] (MS Germ. Oct. 227 [fol. 34v])

Die adeliche und ritterliche Fecht=Kunst

Von der Fint und doppelt Fint auff die Circulparade

Weil in der Circulparade die Handt allezeit viel Höher als die Spitze der Klingen, also müssen die Finten nothwendig über die Klinge gemacht werden, befindet mann sich nun in dieser Parade so macht mann eine Fint über seine Klinge nach der Secunde, greifft dan der Feint darnach so stost mann die Quart, wie dan die Figur Num: 25. ahnzeiget auff welche Art es kan gemacht werden
wie dan auch Num: 26. ein doppelte Fint anzeiget,

[fol. 45r] (MS Germ. Oct. 227 [fol. 35r])

auff den Stoss

<Illustration>


Die adeliche und ritterliche Fecht=Kunst

<leere Seite>

[fol. 46r] (MS Germ. Oct. 227 [fol. 35v])

auff den Stoss

<Illustration>

[fol. 46v] (MS Germ. Oct. 227 [fol. 36r])

Die adeliche und ritterliche Fecht=Kunst

Von den doppelten Fint auff Prima.

Wan mann in hoher Primapositur stehet so macht man eine Finte über die Klinge auff Prima, die zweite auff das Gesicht, solte der Feint nun umb sein Gesicht zu bedecken in die Höhe parrien, wie Num: 27. et 28.
so hatt man Blösung gnug vor die Prima zu stossen, man muss aber die Finten nicht zu weit führen, sonst könte der Feint leicht mit einem Tempostoss zu vor kommen,
auch können diese Finten nur in der Primapositur gebraucht werden, weil sie bey einer <eingefügt: anderen> Positur sehr beschwärlich, undt auch gefährlich seint,

[fol. 47r] (MS Germ. Oct. 227 [fol. 36v])

auff den Stoss

<Illustration>


Die adeliche und ritterliche Fecht=Kunst

<leere Seite>

[fol. 48r] (MS Germ. Oct. 227 [fol. 37r])

auff den Stoss

<Illustration>

[fol. 48v] (MS Germ. Oct. 227 [fol. 37v])

Die adeliche und Ritterliche Fecht=Kunst

Von den Fint undt doppelt Coupéfinten.

Die Fint undt doppelt Fint coupé seint die schönste undt beste von allen, welche so wohl auff den Attacque, als auff Repost können gebraucht werden, nemblich wan mann in rechter Mensur stehet, sträcke den rechten <eingefügt: Arm>, lasse den Leib etwas vor über sincken, undt mache dem Feint eine kleine Fint unter dem Ellenbogen durch undt stosse Quart oder Tertz, nachdem mann ahn der Klingen ligt, solches muss aber sehr geschwint geschehen, damit der Feint kein Zet gewinne umb auff die Fint ein Tempostoss zu führen,


auff den Stoss

Item wan mann von dem Feindt attacquirt wirdt, undt er eine Quart stossen wolte, so parire solche, undt repostire auff selbige Arth mit vorgebogenem Leib undt einer Finte, eben also wirdt eine coupê Findt gemacht, wan der Feint die Tertz stosset, man muss aber geschwint damit verfahren, damit er den Stoss empfange, ehe er sich wiederumb in gutte Positur gestelt, mann kan auch solche auff des Feints Attacque gebrauchen gleich wie die Finttempos.,
also werden auch die doppelt Fint Fint coupè gemacht, wan mann den Feint auff Quart oder Tertz attacquiret, oder von demselben attacquiret wirdt, und er einen von diesen stössen dähte, so parire den Stoss,


Die adeliche und ritterliche Fecht=Kunst

und gehe mit einer doppelten Finten coupè, unter seinem Elenbogen durch, undt stosse eine Quart oder Tertz, nachdem der Attacque ist, wo die erste Fint hingemacht wirdt, muss auch der Stoss folgen, wie dan dise zwey folgenden Figüren die Coupèfinten auff Repost ahnweisen als Num. 29. et 30.
diese Coupè können auch mit Appelfinten oder halben Stössen bey der Repost gebraucht werden,
diese Stöss können nicht besser als mit doppelt Circul oder ContraParade parirt werden,

[fol. 50r] (MS Germ. Oct. 227 [fol. 38r])

auff den Stoss

<Illustration>


Die adeliche und ritterliche Fecht=Kunst

<leere Seite>


auff den Stoss

<Illustration>


Die adeliche und ritterliche Fecht=Kunst

<leere Seite>


auff den Stoss

<Illustration>

[fol. 52v] (MS Germ. Oct. 227 [fol. 39v])

Die adeliche und ritterliche Fecht=Kunst

Von der Quart coupe (11)

Die Quart ist wohl ein schöner Stoss, mann kan sie gebrauchen so wohl auff den Attacque als auff die Repost oder nachstossen, nemblich wan einer Quart stost so parirt man dieselbe, undt stost die Quart coupe nach, wirdt Tertz gestossen so cavirt man auf die Parade under dem Armen durch auff die Quart coupè, wobey mann im ausstossen stark zur rechten Seite tritt, damit der Leib auss der Linie kombt, undt die lincke Hand wirdt vorgeworffen, eben also wirdt sie auff den Attacque gemacht, wie Num. 32. hier siehe die folgende Figur

[fol. 53r] (MS Germ. Oct. 227 [fol. 38v])

auff den Stoss

Wie man mit Fint und doppelt Fint avansiren soll.

Wan mann mit einer Fint oder doppelt Fint avansiren wil, so muss mann mit seinem Gegenpart in weiter Mensur stehen, indem nun das man avansiret, machet mann eine Fint oder doppelte Fint, wan dan der Feint reteriret, undt nach einer Fint greiffen solte, so muss der Stoss gleich darauff geschehen, es sey auf Quart oder Tertz, ein jeder muss so wohl beym avansiren, als bey den Finten behuhtsam seyn, undt auff des Feints Bewegung wohl Achtung geben,

[fol. 53v] (MS Germ. Oct. 227 [fol. 38v])

Die adeliche und ritterliche Fecht=Kunst

besonders wen der Feint mehr reteriren thut, so kan er einem auff das Avansement ein Tempostoss versetzen, wie dan schon vorhin gemeldet, das die Tempostöss, auff avansiren und forsiren müssen gemacht werden,
wobey die Handtparade offt zu nutz kombt, auch kan solches avansiren mit einer Appel mit dem Fuss, oder mit einem halben Stoss geschehen,
wie dan die figur Num. 31. ahnweiset auff was Art man mit einer doppelten Fint avansiren soll, wornach dan <eingefügt: die> anderen leicht abzunehmen, hiervon besehe die vorig Nu: 31. welche Fehler des Büchbänders seint,

[fol. 54r] (MS Germ. Oct. 227 [fol. 39r])

auff den Stoss

<Illustration>

[fol. 54v] (MS Germ. Oct. 227 [fol. 40v])

Die adeliche und ritterliche Fecht=Kunst

Von der Tertz coupe

Die Tertz coupe wirdt gemacht, wan mann von dem Feindt auf Quart solte attacquirt werden, undt er dieselbe ausstossen thäte, so parire die Quart, trette mit dem rechten Fuss zur rechten Seite, so wirdt er glauben mann wolte die Quart stossen, undt also sich darauff bedecken, wodurch er dan die Tertz offen gibt, so muss mann bey dem Ausfall zur rechter Seite, mit der Klinge unter dem Arm durch auff Tertz caviren, wie Num. 33.
diese beyde Stöss können auch mit Finten gemacht werden,

[fol. 55r] (MS Germ. Oct. 227 [fol. 41r])

auff den Stoss

<Illustration>

[fol. 55v] (MS Germ. Oct. 227 [fol. 41v])

Die adeliche und ritterliche Fecht=Kunst

Von dem Ablauffen auff Tertz.

Wan einer von seinem Qegenpart auff Quart attacquiret wirdt, undt er ein Degagement auff Tertz machen wolte, so strecket man auff seinen Stoss den Arm sambt der Klinge in die Höhe den Leib undt das Gesicht, vor über gebogen, dass der Stoss über den Kopf hinlauffe
wie Num. 34.
alsdan kan mann gar leicht ein Prima darauff nachstossen, welcher fast unvermeitlich, wan nur die Parade recht geschieht,
Eben also kan mann die Quart mit einer Contraparade ablauffen lassen,

[fol. 56r] (MS Germ. Oct. 227 [fol. 42r])

auff den Stoss

<Illustration>

[fol. 56v] (MS Germ. Oct. 227 [fol. 43v])

Die adeliche und ritterliche Fecht=Kunst

Von dem Pintirstoss auff Tertz

Ein Pintir ist allezeit ein gleicher Stoss, desthalben muss er die Parade in sich selbst haben weill stossen undt pariren zu gleicher Zeit geschieht, welches bey anderen Stössen nicht geschehen kan, ohne sich beyde zu verletzen, wan dan nun der Feint dir eine Tertz stossen tähte, so muss mann dem Stoss vorkommen, des Feindes Schwäche gewinnen, undt ihme selbst die Tertz ahnbringen wie Num. 35.

[fol. 57r] (MS Germ. Oct. 227 [fol. 44r])

auff den Stoss

<Illustration>

[fol. 57v] (MS Germ. Oct. 227 [fol. 42v])

Die adeliche und ritterliche Fecht=Kunst

Von dem Pintirstoss auf Quart

Wan mann beiderseits in rechter Positur stehet, undt keiner von beyden ausstossen wolte, so mache eine Appel auff Tertz, umb den Feint zum ausstossen zu verleiten, solte er dan auff deine Appel undt mit fleis gegebene Blösung eine Quart ausstossen, so parire solche mit der lincken Handt undt pintire zu gleicher Zeit auff Quart wie Num. 36.
mann hatt sich aber vor zu sehen, das nicht mit einer Finte bedrogen werde,

[fol. 58r] (MS Germ. Oct. 227 [fol. 43r])

auff den Stoss

<Illustration>

[fol. 58v] (MS Germ. Oct. 227 [fol. 44v])

Die adeliche und ritterliche Fecht=Kunst

Von dem Pintirstoss auf Flanquonat,

Auff Flanquonat kan leichtlich ein Pintirstoss geschehen, nemblich wan man in rechter Mensür, so muss man den Feint mit einer auff Quart gegebenen Blösung verleithen, das er eine Quart austosse, undt in seinem ausstossen muss mann zuvor kommen undt seine Schwäche gewinnen, und zu gleicher Zeit eine Flancuonadt Glissade durchforsiren wie Num. 37.

[fol. 59r] (MS Germ. Oct. 227 [fol. 45r])

auff den Stoss

<Illustration>

[fol. 59v] (MS Germ. Oct. 227 [fol. 45v])

Die adeliche und ritterliche Fecht=Kunst

Von dem Pintirstoss auff Prima

Wan mann von seinem Feint in Tertz auff das Gesicht solte attacquiret werden, undt er darauff eine Prima stossen thäte, so muss man seinem Stoss vorkommen, undt mit verwenter Handt ihme sollst die Prima ahnbringen, wan er aber nicht selbst attacquirt, so mache ihm eine Appel auff Tertz, wobey die Handt sambt dem Degen gantz erhoben sein muss, das er also Blösung gnug sieht, vor eine Secunt oder Prima zu stossen, wan er dan darauff ausstossen solte, so komme mit verwenter Handt seinem Stoss zu vor, nehme seine Schwäche, undt pintire zugleich in Prima wie Num. 38. vide Num: 38.

[fol. 60r] (MS Germ. Oct. 227 [fol. 46r])

auff den Stoss

<Illustration>

[fol. 60v] (MS Germ. Oct. 227 [fol. 47v])

Die adeliche und ritterliche Fecht=Kunst

Von dem doppelten Linienstoss auf Quart.

Wan mann einen doppelten Linienstoss auf Quart machen will, so attacquirt man seinen Feint auf Quart, undt darauff gradt durch gestossen, wan mann schon nicht gesinnet ist den ersten Stoss zu treffen, bey dem Stoss aber, muss der <ein anderes Wort überschrieben: lincke> Fuss unvermärckt bey gerücket werden, alsdan wirdt geschwint der zweite Stoss mit einem dobble undt verwenter Faust in der Linie volführt, mann hatt sich aber in Obacht, das wan der Feint gleich auff den ersten Stoss repostiren thäte, das mann seinen Stoss parire, sonst kan es zugleiche stöss absetzen wie dan Num. 40. ein doppelten Linienstoss auff Quart ahnzeiget, vide Num: 40

[fol. 61r] (MS Germ. Oct. 227 [fol. 48r])

auff den Stoss

<Illustration>

[fol. 61v] (MS Germ. Oct. 227 [fol. 46v])

Die adeliche und ritterliche Fecht=Kunst

Von der Octavglissade

Eine Octavglissade ist ein Überwerffen der Klinge, nemblich wan der Feint eine Quart stosset, so parirt man selbe mit der ContraoctavParade, stosset er eine Secunt so parire mit OctavParade fasse seine Kling beij der Schwäche, werffe sie über undt stosse ihm eine Prime inwendig wie Num: 39. vide Num: 39.

[fol. 62r] (MS Germ. Oct. 227 [fol. 47r])

auff den Stoss

<Illustration>

[fol. 62v] (MS Germ. Oct. 227 [fol. 48v])

Die adeliche und ritterliche Fecht=Kunst

Von dem doppelten Linienstoss auff Tertz.

So mann seinen Feint auff eine Tertz attacquiret, alsdan muss man seine Schwäche zu gewinnen suchen, undt den ersten Stoss nach dem Gesicht führen, weil er dan gezwungen in die Höhe zu pariren, undt dadurch den Unterleib bloss gibt, so macht mann Mine als wolte unten in Prima dobbliren, vollführt aber den Stoss in der Linie wie Num. 41.
Auch kan der erste Stoss forsirt werden, als wolte man eine Tertzglissade stossen, welche er dan mit der Primaparade pariren muss, wan er nun seine Handt bey der Parade nicht gnug erheben thut, so führt dann den zweyten Stoss hoch in die Tertz,

[fol. 63r] (MS Germ. Oct 227 [fol. 49r])

auff den Stoss

<Illustration>

[fol. 63v] (MS Germ. Oct. 227 [fol. 49v])

Die adeliche und ritterliche Fecht=Kunst

Von dem Arrettiren oder Vorhalten

Dass Vorhalten wirdt mehrentheils gebraucht vor die Brutalen welche unbesonnen hinein lauffen, auch kan solches ein Großer Langer leicht gegen einen Kleinen auff sein ausstossen gebrauchen, weil der Grosse durch die Zurückziehung des rechten Fuss, ausser der Mensür, das ihn der Kleine nicht erreichen kan, er hingegen getroffen wirdt,
Item, wan einer einen langen Degen, undt der andere einen kurtzen, so hatt der mit dem langen alzeit beym Vorhalten eine Avantage, bey egalem Gewähr hatt man sich vorzusehen das der lincken Handtparade nicht verfehlet wirdt, wie Num. 42.

[fol. 64r] (MS Germ. Oct. 227 [fol. 50r])

auff den Stoss

<Illustration>

[fol. 64v] (MS Germ. Oct. 227 [fol. 50v])

Die adeliche und ritterliche Fecht=Kunst

Vom Contramarschiren auff Quart.

Das Contramarschiren ist ein Haubtstück der Fecht=Kunst, womit mann jederzeit seinen Feindt in Confusion bringen kan, dieweil derjenige so zu erst attacquiret nicht vermuthet zu gleicher Zeit attacquiret zu werden, der nun solches thuen will, muss sich gleich als bey den Tempostössen alzeit in weiter Mensür halten, undt so baldt er von dem Feint attacquiret wirdt, so avansiret er zugleich mit einer Contraparade, ihme selbst auff die Hauth, alsdan ist der Stoss nicht leicht zu vermeiden, es seye dan, das er mit einem Zurücksprung sich salviret, undt die Mensür wieder gewinnen, wie dan Num. 43. das Contramarschiren auff Quart ahnzeiget,

[fol. 65r] (MS Germ. Oct. 227 [fol. 51r])

auff den Stoss

<Illustration>

[fol. 65v] (MS Germ. Oct. 227 [fol. 51v])

Die adeliche und ritterliche Fecht=Kunst

Vom Contramarschiren auff Tertz. (12)

Dass Contramarschiren auff Tertz geschieht auff selbige Art, der Unterscheidt ist nur, zu welcher Seite der Feint attacquiret, darauff muss mann Achtung haben, undt auff seinen Attacque, entweder in der Linie, oder oder mit einer Contraparade contra Marschiren, wie dan solches auff Tertz ahnweiset Num. 44.

[fol. 66r] (MS Germ. Oct. 227 [fol. 52r])

auff den Stoss

<Illustration>

[fol. 66v] (MS Germ. Oct. 227 [fol. 52v])

Die adeliche und ritterliche Fecht=Kunst

Von dem Corrumpiren auff Quart.

Corrumpiren ist in sich auff die Parade Marschiren, dan so baldt der Gegentheil einen Stoss auff Quart führet, so muss mann auff die Parade zu gleicher Zeit avansiren, undt dem Feindt keine Zeit geben das er sich wiederumb zuruckziehen kan, insonderheit ist das Contramarschiren undt Corrumpiren nöthig zu gebrauchen, vor diejenige so auff ihren geführten Stoss zuruckspringen, dan hierbeij kan das springen nichts nutzen, indem einer auff seinen Stoss, nicht so geschwindt zuruckspringen kan das der andere ihme nicht auff dem Leib ist, wan es recht gemacht wirdt, mann muss sich aber vorsehen, das der Feint nicht einen halben Stoss führen undt also auff das Corrumpiren ein Dobble machte, wie hier das Corrumpiren ahnzeiget Num: 45.

[fol. 67r] (MS Germ. Oct. 227 [fol. 53r])

auff den Stoss

<Illustration>

[fol. 67v] (MS Germ. Oct. 227 [fol. 53v])

Die adeliche und ritterliche Fecht=Kunst

Vom Corrumpiren auf Tertz

Das Corrumpiren auff Tertz wirdt fast auff dieselbe Arth gemacht, nur wan der Feint eine Tertz ausstossen solte, so parire undt avansire zugleich, als wolte oben auff Tertzglissade durchfahren, also ist er gezwungen in die Höhe zu pariren, alsdan kan man gar leicht eine Secunt oder oder Prima darauff repostiren, das Corrumpiren kan auch mit einer Contraparade geschehen, welcheswohl so sicher ist, es muss aber niemahlen geschehen als auff des fFindes ausstossen wie Num: 46. vide Num: 46

[fol. 68r] (MS Germ. Oct. 227 [fol. 54r])

auff den Stoss

<Illustration>

[fol. 68v] (MS Germ. Oct. 227 [fol. 55v])

Die adeliche und ritterliche Fecht=Kunst

Eine Volte zu machen (13)

So mann in rechter Mensur stehet, undt der Feint eine Quart ausstosset, so muss mann so baldt er stosset, den lincken Fuss zuruck nach der rechten Seithen setzen, damit der Leib gantz auss der Linie kombt, die lincke Handt zur Bedeckung vorwerffen, undt seinen Degen gradt gegen des Feindts Brust halten, damit er beym ausstossen selbst darein <eingefügt: falle>, wie Num: 48.
Es ist gutt wan mann bey der Volte die Handt auff Prima wendet, fals der Feint eine Fint oder halben Stoss auff Quart machte, undt Secunt real stossen thäte, vide 48:

[fol. 69r] (MS Germ. Oct. 227 [fol. 56r])

auff den Stoss

<Illustration>

[fol. 69v] (MS Germ. Oct. 227 [fol. 54v])

Die adeliche und ritterliche Fecht=Kunst

Von den Lagertempo.

Ein Lagertempo wirdt formirt, wan mann auf seinen Feindt ausstosset, undt er auff den Stoss zuruck undt ausser Mensür weichet, alsdan kan mann auff seinen Stoss ligen bleiben, dieweil der Feint zu weit, das er nicht nachstossen kan, ohne das er wiederumb auff neüe attacquiret, so baldt nun solches geschieht, so stost man auff sein Einrucken das Lagertempo mit einem Degagement, es sey auff Quart oder Tertz, noch besser aber ists wan eine kleine Findt dabey gemacht wirdt, wie dan Num. 47. ein Lagertempo ahnzeiget, vide Num: 47

[fol. 70r] (MS Germ. Oct. 227 [fol. 55r])

auff den Stoss

<Illustration>

[fol. 70v] (MS Germ. Oct. 227 [fol. 56v])

Die adeliche und ritterliche Fecht=Kunst

Eine Volte auff Secunt.

Die Volt auff Secunt wirdt gemacht, wan <ein Wort unleserlich durchgestrichen> der Feint einem die Tertz oder Quart über den Arm stosset, so tritt man auff den Stoss mit dem rechten Fuss vor sich her zur lincken Seite, den Leib gantz aus der Linie vorüber gebogen, undt in der Secunda vorgehalten wie Num: 49.
Hierzu wirdt aber eine grosse Habilitè erfordert, undt ich lieber sehe, wan diese Volte mit dem lincken Fuss zur Seithe getretten gemacht wirdt, welches nicht schwär undt auch sicherer ist, es ist aber in der Zeichnung gefehlet worden,

[fol. 71r] (MS Germ. Oct. 227 [fol. 57r])

auff den Stoss

<Illustration>

[fol. 71v] (MS Germ. Oct. 227 [fol. 57v])

Die adeliche und ritterliche Fecht=Kunst

Eine Passade zu machen

So baldt der Feindt einen Stoss auff Quart thut, so muss mann solchen mit der Primaparade gantz in die Höhe pariren, damit er oben nicht durchkommen kan, undt in dem pariren setzet mann den lincken Fuss gantz herumb, noch mehr als bey der Volte, alsdan kan mann Prima inwendig oder Prima real ausstossen wie Num: 50. ahnweiset welcher Gestalt eine Passade auff den Quartstoss zu machen sey wobey die Handtparade jederzeit muss observirt werden

[fol. 72r] (MS Germ. Oct. 227 [fol. 58r])

auff den Stoss

<Illustration>

[fol. 72v] (MS Germ. Oct. 227 [fol. 58v])

Die adeliche und ritterliche Fecht=Kunst

Eine Passade auff Tertz.

Wan mann auff Tertz will passiren, so muss mann dem Feint eine Gelegenheit geben die Tertz zu stossen, so baldt er nun selbe stosset, so wirdt solche mit verwerter Handt pariret, mit dem linken Fuss zur lincken Seithen allongirt undt über die Klinge durchgefahren wie Nu. 51.
wobey die Handt Parade ebenfals gebraucht wirdt, solte er nun allenfals, die Passade so hoch pariren, das mann oben nicht durchkommen könte, so macht mann eine Passade real darauff, tritt wiederumb mit dem rechten Fuss vor, undt stosset Prima,

[fol. 73r] (MS Germ. Oct. 227 [fol. 59r])

auff den Stoss

<Illustration>

[fol. 73v] (MS Germ. Oct. 227 [fol. 59v])

Die adeliche und ritterliche Fecht=Kunst

Von der Desarmation auff Quart,

So baldt der Feint eine Quart ausstosset, so parire solche, in dem pariren trette <Wort unlesbar durchgestrichen> mit dem rechten Fuss vor, ergreiffe mit der lincken Handt, des Feindes rechte, schmeisse ihm den Degen auss der Handt, undt setze ihm den deinen vor die Brost, damit er dir nicht nach dem Hals oder Leib springen kan wie Num: 52.

[fol. 74r] (MS Germ. Oct. 227 [fol. 60r])

auff den Stoss

<Illustration>

[fol. 74v] (MS Germ. Oct. 227 [fol. 60v])

Die adeliche und ritterliche Fecht=Kunst

Die erste Desarmation auff Tertz

Wan der Feint eine Tertz ausstosset, so parire solche, in dem pariren trette mit dem lincken Fuss nach der lincken Seithe, hinter seinen rechten, ergreiffe seine Handt, undt setze ihm den Degen auff die Brost oder Arm, halte seine Handt wohl fäst wie Num. 53. undt so du ihm seinen Degen wilst auss der Handt werffen, so gebe ihme eine starcke Batüt auff seine Klinge, so wüdt er denselben gar leicht quittiren,

[fol. 75r] (MS Germ. Oct. 227 [fol. 61r])

auff den Stoss

<Illustration>

[fol. 75v] (MS Germ. Oct. 227 [fol. 61v])

Die adeliche und ritterliche Fecht=Kunst

Die zweyte Desarmation auff Tertz

Sobaldt der Feindt eine Tertz mit grader Handt oder eine Quart über den Arm ausstosset, so mache es wie in der vorigen, greiffe aber mit deiner lincken Handt dem Feindt unter seine rechte, sobaldt du nun die Handt gefast, so drucke stark mit deiner Klinge auff die seine, von der halben Schwäche bis zu der Stärcke, so wirdt er ohnmöglich halten können, sonderen den Degen gantz gern fahren lassen, wie Num. 54.

[fol. 76r] (MS Germ. Oct. 227 [fol. 62r])

auff den Stoss

<Illustration>

[fol. 76v] (MS Germ. Oct. 227 [fol. 62v])

Die adeliche und ritterliche Fecht=Kunst

Die dritte Desarmation auff Tertz.

Die mehreste, in Sonderhit die Fransosen, stossen die Tertz mit verwenter Faust, wan nun dieses geschieht, so parire dieselbe, trette im pariren mit dem lincken Fuss zur lincken Seithe, ergreiffe seinen Degen unter dem Stichbladt, also das du mit deinem Daumen das Stichbladt fassest, alsdan drucke von der Schwäche bis zur Stärcke seines Degens, undt wende ihm die Spitze auffs Leib, wie Num. 55.
umb aber kürtzeren complementen zu machen ist es besser, so baldt man die Hand gefast, sein eigenen Degen vorzusetzen,

[fol. 77r] (MS Germ. Oct. 227 [fol. 63r])

auff den Stoss

<Illustration>

[fol. 77v] (MS Germ. Oct. 227 [fol. 63v])

Die adeliche und ritterliche Fecht=Kunst

Die vierte Desarmation auff Tertz

Diesse wirdt gemacht wie die vorige, in platz aber, des Feindes Degen ihme selbst auffs Leib zu wenden, last mann solchen passiren, undt in der Parade, so baldt man die Faust ergriffen, läst man seine Klinge sambt dem Arm über des Feindes Klinge hinfallen, das man seine Klinge, unter den rechten Arm zu fassen bekombt, solte er dan hinter sich weichen, umb sich des Stoss zu erwähren, so kan mann hinterwerths ihme den Degen vorhalten undt stossen wie Num. 56.

[fol. 78r] (MS Germ. Oct. 227 [fol. 64r])

auff den Stoss

<Illustration>

[fol. 78v] (MS Germ. Oct. 227 [fol. 65v])

Die adeliche und ritterliche Fecht=Kunst

Von der Secuntdesarmation (14)

Wan der Feint eine Secunt oder Quart baas stossen solte, so parire dieselbe mit der Circulparade bis unter den lincken Arm, ergreiffe des Feinds Handt, alsdan trette mit dem lincken Fuss vor, undt setze ihm zu gleich den Degen auff die Brost, wie Num. 57.

[fol. 79r] (MS Germ. Oct. 227 [fol. 66r])

auff den Stoss

<Illustration>

[fol. 79v] (MS Germ. Oct. 227 [fol. 64v])

Die adeliche und ritterliche Fecht=Kunst

Von der Octavdesarmation

Sobaldt eine Secunt oder Quart baas gestossen wirdt, so parire selbe mit Octavparade, in dem pariren, springe mit dem lincken Fuss zur lincken Seithe, ergreiffe seine Handt, werffe die Kling über, alsdan kan der Stoss geschehen, wan mann will, wie Num: 58.
Wan mann aber den Degen dabey will auss will auss der Handt werffen, so muss mann bey Fästhaltung der Handt seinen Degen zuruck ziehen undt eine starcke Batüt auff des feindes Klinge thuen,

[fol. 80r] (MS Germ. Oct. 227 [fol. 65r])

auff den Stoss

<Illustration>

[fol. 80v] (MS Germ. Oct. 227 [fol. 66v])

Die adeliche und ritterliche Fecht=Kunst

Von der Primadesarmation

Wan einer Quart stosset, so muss mann solche mit der Primaparade pariren, undt in dem pariren des Feindes Klinge überwerffen, undt in dem überwerffen tritt mann mit dem lincken Fuss zur Seite, undt ergreifft des Feindes Handt, undt fürth alsdan den Stoss in Tertzglissade, wie Num: 59.
Mann kan auch eben so wohl als bey den anderen Desarmationes die Klinge auss der Handt werffen,

[fol. 81r] (MS Germ. Oct. 227 [fol. 67r])

auff den Stoss

<Illustration>

[fol. 81v] (MS Germ. Oct. 227 [fol. 67v])

Die adeliche und ritterliche Fecht=Kunst

Noch eine Desarmation auf Quart

Auff Quart kan diese vorgestelte Desarmation geschehen, nemlich, wan der Feindt die Quart ausstosset, so läst mann in der Parade, die Klinge über dess Feinds seine überfallen dass dessen Kling mit einer geschwinden Wendung des Leibs, zwischen beyde Armen kombt, wobey dan mit der lincken Handt, des Feindes rechte ergriffen wirdt wir Num. 60.
Solte aber der Feindt solches vermärcken, undt in der Wendung zuruckspringen, so muss mann desgleichen thuen, undt suchen die Mensür wieder zu gewinnen, damit er einem kein Stoss in den Rücken versetze,

[fol. 82r] (MS Germ. Oct. 227 [fol. 68r])

auff den Stoss

<Illustration>

[fol. 82v] (MS Germ. Oct. 227 [fol. 68v])

Die adeliche und ritterliche Fecht=Kunst

Vom Centriren undt Bedecken.

Diesses muss geschehen, wan der Feindt auff einen stosset, es sey wass vor ein Stoss es wolle, so balt er stosset, setzet mann den rechten Fuss zuruck hinter den lincken, undt haltet dem Feind vor, es sey auff die Handt, Arm oder dass Gesicht wie Num. 61.

[fol. 83r] (MS Germ. Oct. 227 [fol. 69r])

auff den Stoss

<Illustration>

[fol. 83v] (MS Germ. Oct. 227 [fol. 69v])

Die adeliche und ritterliche Fecht=Kunst

Vom Caminiren

Es gibt unterschiedene Maiters so viel vom Caminiren halten, meinestheils halte es vor incommodt undt gefährlich, in specie, wan mann mit einem <eingefügt: Tempo> Fechter zu schaffen hatt, doch kann es auch zuweilen nutzen wan mann unvermärckt den lincken Fuss vor den rechten bringen kan, ümb den Feindt mit der Mensür zu betrigen wie dann die Arth zu caminiren ahnweiset Num. 62.

[fol. 84r] (MS Germ. Oct. 227 [fol. 70r])

auff den Stoss

<Illustration>

[fol. 84v] (MS Germ. Oct. 227 [fol. 70v])

Die adeliche und ritterliche Fecht=Kunst

Von der Baas coupè

Solche kan nur auff die Reposten gebraucht werden, sobaldt eine Quart oder Tertz aussgestossen wirdt, so muss man selbe parrien, undt alsdan die Faust tief sincken lassen, undt die Spitze des Degens in die Höhe führen, also das mann dem Feindt einen Stoss gradt unter seinen rechten Arm versetze wie Num. 63.
Solches muss aber mit einer geschwinden Repost geschehen, undt sich gleich darauff in gutte Positür setzen, damit man des Feindts Nachstoss verwähren kann


auff den Stoss

<Illustration>


Die adeliche und ritterliche Fecht=Kunst

Hiebey hätten noch wohl mehrere Figüren können vorgestelt werden, weil sie aber nicht viell zur rechten Fecht-Kunst dienen können so habe solches unterlassen, in specie wass dass Hals, Arm undt Bein brechen wie auch die Contravolten ahnbelangt, welche zwar auff den Fecht=Bödems gewiesen werden, doch aber beym scharff fechten, nich so leicht ahngehen,
es gibt auch noch unterscheidliche Attacquen die schön undt nützlich seint, können aber ohne deren Exercitium, nicht ahngewiesen werden,


auff den Stoss

Vom Wentiren

Wentiren ist keine Klinge geben, der Feindt mach sie immer suchen wie er will, so muss mann sich allezeit davon abhalten, welches gutt zu gebrauchen vor einen Schwachen, gegen einen Starcken, bey dem Klinge geben, hatt der Starcke allezeit Avantage, weil er mit der Forse kan durchfahren, undt der Schwache nicht resistiren, jtem battiren, lengiren undt die Klinge auswerffen, gibt der Schwache aber keine Klinge, so muss sich der Starcke doch jederzeit vor den Tempostössen in Obacht nehmen, welches die eintzige Avantage, so der Schwache gegen den Starcken hatt, wan er auffs Tempo fechtet


Die adeliche und ritterliche Fecht=Kunst

Vom Laschiren

Laschiren ist auff den Stoss, mit beyden Füssen zurucktretten nemlich erst den rechten hinter den lincken, undt wieder den lincken hinter den rechten, solches ist gutt vor ausser Mensur zu kommen, hingegen hatt mann zu observiren, dass bey dem wiederumb hervorrucken, der Feindt kein Lagertempo stosse, welches aber wohl zu märcken, wan man auff den Stoss laschirt hatt, undt der fFeindt auff seinen Ausstoss ligen bleibt, alsdan muss mann bey dem vorrucken, des Feindes Lagertempo parrien, undt darauff repostiren.


auff den Stoss

Von den Vorpassen

Vorpassen seint, wan mann ein Stoss parirt, undt in der Parade mit dem lincken Fuss vor den rechten tritt, undt nachstosset, wobey dan der feindt nicht so leicht ausser Mensur springen kan, dass er mit einem geschwinden Repoststoss, nicht könnte attrappirt werden, mann hat sich aber vorzusehen, dass bey dem vortretten der Feindt nicht den zweiten Stoss dobbliren, sonst könte man leicht betrogen werden, oder zu gleich Stöss zu geben


Die adeliche und ritterliche Fecht=Kunst

Vom Dobbliren

Dobbliren ist Stoss auff Stoss führen, wan mann seinen Feindt mit einer oder mehr Finten, hatt in Confusion gebracht, so muss Stoss auff Stoss geführet werden, vndt jhme keine Zeit geben, nachzustossen, wan er sich aber so prasent wäre, undt einen Nachstoss darzwischen führte, so muss darselbe nötigerweis parirt werden, damit es kein gleicher Stöss absetzet


auff den Stoss

Vom Brullyren.

Brullyren ist den Feindt ebenfals mit Finten oder contra Degagement in Confusion bringen, wobey mann dessen Klinge mit beständiger Contraparade, dergestalt engagiren muss, dass er sich derselben nicht entbinden kan, es seye dan dass er solches versthet, undt die Spitze seines Degens zur Erden sincken lasset, alsdan ist es Zeit, sich engart zu halten, undt des Feindes Vorhaben abzulauren, wan er aber nicht ausstosset, so muss man ihn wiederumb auffs neüe zu engagiren suchen.


Die adeliche und ritterliche Fecht=Kunst

Vom Mensür brechen

Das Mensür brechen wirdt viel bey der Fecht=Kunst gebraucht, wan offt der Feindt glaubt, er hätte die rechte Mensur, umb seinem Gegenparth einen Stoss beyzubringen, so kan man nur den Leib zuruck biegen, so ist der Stoss zu kurtz, solte man aber sehen dass der Feindt einen weiten Ausfall thuen kan, so ist es besser mit dem lincken Fuss zuruck tretten, undt dannoch den ober Leib zuruck biegen, will mann sie aber weit brechen, so wirdt der rechte Fuss hinter den lincken gesetzt, real parirt, undt auff den Stoss repostirt.


auff den Stoss

Von der Dreyangelparade

Eine Dreyangelparade ist, des Feindes Klinge nach seinem Willen zwingen, nemblich, wan mann auff Tertz attacquiret, so muss mann dessen Klinge bey der Schwäche fassen, undt solche bis in die Circulparade zwingen, attacquirt man ihn auff Quart, so muss diesselbe bis in Octaveparade forsirt werden, jtem, beym Attacque auff Tertz kan solche auch bis in die Primaparade gebracht werden, worauff dan beym Nachstossen des Feindes klinge mit der Handt parirt wirdt, auff diese Attacquen, kan die Repost eingerichtet werden wie man will.


Die adeliche und ritterliche Fecht=Kunst

Vom lincks fechten

Vielle Maiters machen eine grosse Beschwärde einem Lincksen Lection zu geben, weil die Stöss veränderlich fallen, es ist zwarn richtig, dass ein Linckser nicht alle Stöss, Desarmationes, undt wie es Namen hatt, wie ein rechter machen kan, bey den übrig aber, wass vor einen lincken möglich ist zu machen, finde in der Lection kein Ünterscheit, Quart ist Quart, undt Tertz ist Tertz, also folgen die übrige alle, es kombt nur auf den Maitre ahn dass er solches verstehet, hingegen ist es wahr dass ein lincker,


auff den Stoss

Vom lincks fechten

gegen einen rechten viel Vortheil hatt, weil er gegen den rechten gelehrnet hatt, undt der rechte nit gegen den lincken, trifft es sich aber, dass man auff den Fecht=Bödems dergleichen zusammen hatt, unt sich mit einander exerciren können, so finde wenig Avantage, die einer vor dem anderen hatt, desgleichen so zwey lincken zusammen kommen, solche können alle Lectiones machen, wie auch zwey rechte, derjenig so aber mehr mahlen lincks gegen lincks gefochten hatt allezeit mehr Vortheil, als derjenige so solches niemahls gethan hatt.


Die adeliche und ritterliche Fecht=Kunst

Was ein Fechter zu observiren

Erstlich wer ein gutter Fechter sein will, muss gleich erfahren können, ob er mit einem brutalen oder vorsichtigen undt Tempofechter zu schaffen hatt, welches leicht zu märcken, weil ein Tempofechter, auff eine Battüt, oder sonstigen Attacque gleich die Kling zu quittiren suchet, item mit einem welcher nit viel davon verstehet, undt auff den Stoss zugleich stosset, welches gefährlich ist, weil allebeyde bleiben, bey einem brutalen, seint die Tempostöss undt das Vorhalten gutt zu gebrauchen, bey einem vorsichtigen undt


auff den Stoss

Tempofechter, hatt man sich wohl vorzusehen, undt auff die Repost zu lauren, desgleichen einer so zugleich stosset, ist nicht gutt attacquiren undt ausstossen, sonderen besser auff Repost fechten, weil er sich alsdan verstossen undt nicht mehr zugleich stossen kan, auch derjenige so in Action begriffen, soll in der Mensur wan er vom Feindt kan getroffen werden nicht umbschauen, wan auch schon was hinter ihm wäre, sonderen sich erst ausser Mensür geben, pfals ihm auch Huth undt Pürcke vom vom Kopff herab fiele,


Die adeliche und ritterliche Fecht=Kunst

solches nicht auffgehoben werden bis nach geschehener Action, weil dadurch einer kan betrogen werden,
auch muss ein gutter Fechter in Stiffel undt Sporren seine Function thuen können, mann hatt nicht allezeit Gelegenheit sich auszuziehen, undt commodt zu machen, wan mann auff Gassen undt Strassen attacquiret wird, also muss ein jeder Liebhaber sich darzu gewehnen, damit er jederzeit, undt in allen Fällen, im standt ist seinem Feindt zu wiederstehen, dan hatt sich auch ein jeder Fechter mit einer gutten Klingen zu versehen, welche nicht


auff den Stoss

zu lang noch zu kurtz ist, nicht zu steiff auch nicht zu schwach, undt mit der Angel wohl versehen, undt auf dem Knopff umbgenöth damit sie auf eine Batüt oder durch einen Batüt, nicht auss dem Gefäss fahre, der Degen sambt der Klinge muss nicht zu schwär sein, damit mann denselben desto besser führen kan,
der Orth des duels zu erwehlen, muss ein jeder den Verstandt haben, das er sich nicht gegen die Sonn stelle, noch ahn Graben, Hecken undt Stauden, damit er den Rücken frey habe, undt nicht stolpperen kan, da mit wan er einen


Die adeliche und ritterliche Fecht=Kunst

ehrlosen Feint vor sich hätte solcher sich seines Unglücks bedienen würde, solte man nun durch Unvorsichtigkeit, ahn dergleichen Orth gerathen, so ist es nöthig, sich mit aller Vorsicht da von zu arbeiten, es geschehe durch einen Seitensprung, oder zur Seithen reteriren, oder durch Passaden, in summa ein jeder muss suchen, den besten Platz zu behaubten, und seinem Feindt alle Vortheil zu benehmen trachten.


auff den Stoss

Inhalt. (15)

Deren Lectiones so in diessem Werck in Figüren vorgestelt.

1. von der Quart,
2. von der Tertz,
3. von der Tertzglissade,
4. von der Secunt,
5. von der Flanquonadt,
6. von der Flanquonadtglissade,
7. von der Quart baas,
8. von der Prima,
9. von der Circulparade,
10. von der Primaparade,


11. von der Centrumparade,
12. von dem Tempostoss auff Quart,
13. von dem Tempostoss auff Terz,
14. von dem Tempostoss auf Prima,
15. von den Findttempo,
16. von den doppelt Finttempos,
17. von der Temporepost,
18. von dem Werffstoss auff Quart,
19. von Prima werffen,
20. von der Circulquart,
21. von der Circultertz,
22. von der Ringquart,
23. Eine Finte zu machen,
24. Eine doppelte Finte zu machen,
25. wie man auf Circulparade eine Fint macht,
26. wie mann auff Circulparade eine doppelte Fint machet,


27. wie mann auff Primaparade eine doppelte Fint macht,
28. noch von doppelten Finten auff Prima,
29. von den doppelten Fint coupe,
30. ferner von den Fint coupe,
31. mit doppelt Fint avanciren,
32. von der Quart coupè,
33. von der Tertz coupè,
34. von dem Ablauffen auf Tertz,
35. von dem Pintirstoss auff Tertz,
36. von dem Pintirstoss auff Quart,
37. von dem Pintirstoss auff Flanquonadt,
38. von dem Pintirstoss auf Prima,
39. von der Octaveglissade,
40. von dem doppelten Linienstoss auff Quart,


41. doppelten Linienstoss auff Tertz,
42. vom Vorhalten,
43. vom Contramarschiren auff  Quart,
44. vom Contramarschiren auf Tertz,
45. vom Corrumppiren auf Quart,
46. vom Corrumppiren auf Tertz,
47. von den Lagertempo,
48. eine Volte auff Quart,
49. eine Volte auff Secunt,
50. eine Passade auff Quart,
51. eine Passade auf Tertz,
52. eine Desarmation auff Quart,
53. eine Desarmation auff Tertz,
54. 2te Desarmation auff Tertz,
55. 3te Desarmation auff Tertz,
56. 4te Desarmation auff Tertz,


57. eine Desarmation auff Secunt,
58. von der Octavdesarmation,
59. von der Primedesarmation,
60. noch eine Desarmation auff Quart,
61. vom Centriren undt Bedecken,
62. vom Caminiren,
63. von der Baas coupe,

Nun folget noch, vom Wentiren, Laschiren, von den Vorpassen, vom Dobbliren, vom Brullyren, vom Mensur brechen, von der Dreyangelparade und Attaque, vom links fechten, und wass ein Fechter zu observiren,

Ende.

Anmerkungen
(1) Vielen Dank an dieser Stelle an Janusch Carl vom Historischen Archiv der Stadt Köln für die Beantwortung von Fragen, die während der Bearbeitung der Handschrift auftraten.
(2) Siehe fol. 2r, MS Best. 7010, 289, Fechtkunst
(4) Siehe fol. 3r, MS Best. 7010, 289, Fechtkunst
(5) Siehe MS Germ. Oct. 227, fol. 2v
(6)Siehe MS Germ. Oct. 227, fol. 2r
(8) Die beiden Seiten 7v und 8r sind nicht auf dem Mikrofilm enthalten, den das Kölner Historische Archiv in seine digitale Datenbank eingestellt hat. Eine Neudigitalisierung der Handschrift erfolgt frühestens Anfang 2015, weshalb bis dahin hier für die betreffenden Stellen der Text der Berliner Handschrift MS Germ. Oct. 227 wiedergegeben wird:
[fol. 5r]
Ein Complement zu machen
Sobaldt beyde in Positür stehen, so macht ein jeder zu gleicher Zeit bey Abziehung dess Huths eine Appel mit dem rechten Fuss auff die Ertt, den Degen in grader Linie haltend, alsdan tritt mann zwey Paas zuruck, undt bey jedem Paas muss die Handt sambt der Klinge gewendet werden, undt auff selbige Art wiederumb zwey Paas vor sich gemacht, bey dem Scharfffechten, wirdt dass Complement ins vergessen gestelt.
[fol. 5v]
Von denen in der Fecht=Kunst gebräuchlichen Termin undt deren Explication
1 - avansiren
2 - reteriren
3 - parrien
4 - forsiren
5 - attacquiren
6 - battiren
7 - fintiren
8 - lengiren
9 - allongiren
10 - engagiren
11 - caviren
12 - repostiren
[fol. 6r]
13 - coupiren
14 - passiren
15 - voltiren
16 - desarmiren
17 - contramarschirn
18 - corrumpiren
19 - brullyren
20 - dobbliren
21 - arrettiren
22 -appelliren
23 - wentiren
24 - caminiren

(9) Die Berliner Handschrift MS Germ. Oct. 227 hat auf [fol. 19v] folgenden zusätzlichen Text:
Bey der Centrumparade ist zu observiren, dass mann seines Feindes Schwäche gewinne, damit mann seine Klinge zwingen kan, welche Parade geschieht mit niedriger Handt die Parirstange in die Höhe, also hatt mann seine Klinge gewinnen, undt kan den Stoss gradt durchführen
(10) In MS Germ. Oct. 227 werden die Werffstösse auch als Coûpée bezeichnet.
(11) Die MS Germ. Oct. 227 zeigt die Quart coupe in einer Illustration auf [fol. 40r].
(12) In MS Germ. Oct. 227 steht zum Contramarschiren auf Tertz auf 51v ein komplett anderer Text als in MS Best. 7010, 289, Fechtkunst auf 65v, nämlich:
Vom Contramarschiren auf Tertz
Sobalt der Feindt einen auff Quart attacquiret, so muss man solchen Attacque mit einer contra pariren, undt ihme zugleich mit einem Avancement auff den Leib gehen, undt alsdan den Stoss führen, wo mann die beste Blösung verspürth, pfals auch nun ein stoss parirt wirdt, so muss mann geschwint mit dem Dobbliren fertig sein, wan er dan schon den ersten parirt, so wirdt der 2te nit leicht fehlen. Num. 45.
(13) MS Germ. Oct. 227 spricht ist hier genauer, indem sie von einer Volte auf Quart spricht.
(14) Auch hier hat MS Germ. Oct. 227 eine andere Überschrift.
(15) Statt des Inhalts existiert in der Berliner Handschrift ein unvollständiges Abbildungsregister auf [fol. 71r], [fol. 71v], [fol. 72r], [fol. 72v] und [fol. 73r].