Dienstag, 10. Juni 2014

Der Sectionsbericht eines Duellanten (1714)

von Jan Schäfer

Die medizinische Sozietät in Bautzen veröffentlicht im Jahr 1757 eine Sammlung medizinischer Abhandlungen. (1) Darin enthalten ist ein Sectionsbericht der Leichenbeschau eines im Pistolenduell getöteten Grafen. Der Bericht ist datiert auf den 21. Dezember 1714. Obduziert wurde der Graf Joachim von **, königlich polnischer und kurfürstlich sächsischer Obrist, der am am 14. Dezember bei einem Pistolenduell mit dem Obersten von Th** bei Peterswalde in Böhmen ums Leben kam. (2)

No. VIII. Sectionsbericht des in Duell entleibten Herrn Grafen X = = von dem Obersten von Th == bey Peterswalda in Böhmen

Demnach der weiland hochgeborene Graf Joachim von X = = königlich polnischer und churf. sächsischer Obrister am 14. December zwischen 11 und 12 Uhr mittags, zu Peterswalde in Böhmen, in einem Duell durch inen Schuß tödlich blessiret,

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und den 17. eiusdem früh zwischen 8 und 9 Uhr zu Fürstenwalde in Sachsen verschieden, so ist des entseelten Koerpers Eröffnung und Besichtigung von dem hochadelichen Buenauischen Gerichte in Lauenstein, in Gegenwart der Gerichten in Fuerstenwalde zu thun aufgetragen worden, welches auch den 19. Dec. früh um 10 Uhr geschehen. Da denn bey dessen Eröffnung in den inwendigen Theilen des Leibes keine violentia laesio zu finden gewesen, und waren die Visceria in abdomine alle wohl constituiret, außer daß weder in vena caua noch in arteria magna etwas von geronnenem Gebluete zu finden gewesen. Im Obertheil des Leibes war die Lunge auf beyden Seiten angewachsen, im Herzen im Herzen aber etwas von geronnenem Gebluete, desgleichen in der Arteria pulmonali, welches aber nicht ein Pfund betragen. Nachdem also inwendig nichts von einer Laesion zu finden, so hat man auswendig, wo die Kugel eingegangen, visitiret, da man den gesehen, daß solche Kugel, welche auf der rechten Seiten per musculum Femoris iliacum aus dem OffeIlei hinunterwerts gegangen, wovon sie ein Stückgen nebst vielen Splittern mitgenommen, die Venam und arteriam Iliacam zerrissen, in Spina dorsi aber, vertebra penultima lumborum in medio medullae Spinalis, mit etwas Tuch und kleinen Splitter gefunden worden.
Aus diesem erhellet, daß duplex laesio lethalis vorhanden:
1) Ratioane arteriarum et venarum, welche hier sehr stark.
2) Medullae Spinalis per transuersum ganz durchschossen gewesen. Vid. de lethalitate vulnerum arter Iliac. Zittmanni Resp. Facult

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Med. Lips. c. 596. et Seunert L. 5 Pr. p. 4. c. 3. Ea vulnera absolute lethalia habentur, qquae paucarum horarum aut dierum spatio aegro necessario mortem inferunt, nec vlla arte Sanari possunt. Es haben die Symptomata solches auch an den Tag geleget, indem alsobald die Impetuosa effusioSanguinis, summa prostratio virium diarhoea, vomitus, Singultus, difficilis respiratio, anxietas praecordiorum, und etliche Stunden vor seinem Tode ein lene delirium sich ereignet, dieses ist also bestunden, und auf Begehren schriftlich unter Hand und Siegel pflichtgemäß von uns gegeben. Datum Dreszden den 21. Dec. 1714. (3)

Anmerkungen:
(1) “Der medicinischen Societät in Budissin Sammlungen und Abhandlungen aus allen Theilen der Arzeneygelahrheit. Richter, Altenburg 1757.”
(2) Die Namen beider Duellteilnehmer sind in dem Bericht anonymisiert worden.
(3) aus: Der medicinischen Societät in Budissin Sammlungen und Abhandlungen aus allen Theilen der Arzeneygelahrheit. Richter, Altenburg 1757. S. 40-42

Montag, 2. Juni 2014

Ins Stammbuch (IV)

"Man stellt auch zuweilen an Gymnasien und Instituten Fechtlehrer an und giebt denselben wöchentlich einige wenige Stunden zu ihren Uebungen frei. Da tritt nun der Lehrer hin, zeigt einige Motionen und lässt diese sogleich von Anderen, welche dieselben selbst noch nicht recht begriffen haben können, weiter lehren. Sie bekommen dafür das schmeichelhafte Prädikat „Vorfechter," welches ihnen so wohl gefällt, dass sie keine Mühe scheuen, ihre unrichtigen Motionen Anderen fleissig wieder mitzutheilen. Daher kommt es, dass die Gymnasien und Institute theilweise die wahren Pflanzschulen der Stümper und Naturalisten sind. Selten sind diese Lehrer wirklich gebildete Fechtmeister, sondern meist ehemalige Studenten. Man kann aber auf seine Faust ein ganz guter Fechter seyn und ist desshalb noch lange kein Lehrer. Hierzu gehört mehr. Ich erlaube mir, Etwas aus meinem Leben mitzutheilen. Nachdem ich einige Jahre bei meinem Vater das Fechten gelernt hatte, erbot ich mich zum Unterrichte der Anfänger. Ob ich nun gleich den ganzen Cursus durchgemacht und mich längere Zeit im Contrafechten geübt hatte, wollte es mir doch nicht gelingen, meinen Scholaren etwas Gründliches beizubringen. Entweder versah ich es, dass ich eine Lection zu lange übte, wodurch der Schüler ermüdet wird und zuletzt dieselbe immer schlechter ausführt, oder ich sah wohl recht streng darauf, dass seine Faust beim Stossen in der richtigen Motion sich befand, vernachlässigte aber indessen die richtige Position, das richtige Vorsetzen des Fusses beim Ausfall und das richtige Zurücknehmen desselben; kurz, ich war in der zwanzigsten Stunde noch nicht viel weiter als in der ersten vorgerückt, bis mich endlich der Vater genau unter Aufsicht nahm, alle Lectionen vorher mit mir durchmachte, sich dabei stellte, als wolle er erst etwas von mir lernen, und mir alle Fehler sagte, welche ich beging. Hier sah ich ein, dass es viel leichter ist, das Fechten zu lernen, als es wieder zu lehren. Es dauerte wohl noch an drei Jahre, ehe ich mir ehrlich gestehen konnte, so weit zu seyn, ordentlichen Unterricht ertheilen zu können. Aber auch nach dieser Zeit bemerkte ich, dass ein Fechter nie auslernen könne, indem es mir von Jahr zu Jahr leichter wurde, meine Herren Scholaren in immer kürzerer Zeit weiter zu bringen."

- Friedrich August Wilhelm Ludwig Roux in: Die Kreussler'sche Stossfechtschule (Jena, 1849)