Mittwoch, 20. Juni 2018

Vom Manuskript zum Buchdrucker zum Buchbinder

von Jan Schäfer

Wie entstand ein Fechtbuch in der frühen Neuzeit? Dieser Artikel begibt sich auf Spurensuche. Nachgezeichnet wird der Weg vom Manuskript bis zum fertigen Druck. Berufsbeschreibungen aus Christoph Weigels "Abbildung Der Gemein-Nützlichen Haupt-Stände"1 liefern Hinweise zu den handwerklichen Prozessen der Herstellung.

Manuskript

Die Entstehung eines Fechtbuches begann sehr wahrscheinlich mit dem Entwurf eines Manuskriptes, das der Fechtlehrer selbst geschrieben hatte oder anfertigen lies. Es ist anzunehmen, dass in diesem bereits alle Texte und Strukturen (Kapitel, Absätze) vollständig entwickelt waren, damit es dem Buchdrucker als direkte Vorlage für alle weiteren Arbeitsschritte dienen konnte.

Exkurs Manuskripte: Die Quellenform der Manuskripte macht den wesentlich kleineren Anteil der uns heute aus der frühen Neuzeit erhaltenen Fechttexte aus. Möglich ist, dass einige dieser als direkte oder indirekte Vorlagen für Drucke dienten. In Frage kämme zum Beispiel "Sig. Fol. 351c" von Siegmund Carl Friedrich Weischner (erhalten sind ein Manuskript und mit zeitlichem Abstand zwei Drucke, die große Ähnlichkeit aufweisen), "Sig. MS Best. 7010, 289" und "MS Germ. Oct. 227" von Johann Heinrich Eich (erhalten sind zwei Manuskripte, aber kein gedrucktes Buch) oder "Sig. Cod. Don. F III 3" (erhalten ist ein Manuskript von einem unbekanntem Autor, aber kein gedrucktes Buch wurde hergestellt oder ist überliefert). Ebenso gut allerdings könnte diese These für alle drei Manuskripte mit gleicher Berechtigung abgelehnt und stattdessen argumentiert werden, dass es sich um Prunkhandschriften handelt.
Neben den genannten existieren weitere Manuskripte wie beispielsweise "Ms.germ. fol. 1476", "Cod. Guelf. 264.23 extrav." und  "Ms. FB Gotha, Chart. B 2117", die den Charakter von Eigennotizen oder Abschriften haben, d.h. Personen mit Interesse am Fechten fertigten sich für den Eigengebrauch Notizen oder Kopien aus gedruckten Fechtbüchern an.

Buchdruck

Der Buchdrucker bezog als Rohstoffe das Papier vom Papierer sowie die Druck-Schriften vom Schriftgießer. Mit Übergabe des Manuskripts konnte er seine Arbeit beginnen.
"In denen annoch zarten und ersten Jahren der löbl. Drucker=Kunst / nachdem die holtzerne Formen abgekommen / wurden sowol die höltzerne / als nachmahls bley= und zienerne Buchstaben in der Mitte durchlöchert / und mit einem Drat aneinander gesteckt / aus selbigen also eine Zeile / und aus vielen derselben / eine Form zusammengerichtet; weil aber dieses nicht wol Bestand gehabt / und die Buchstaben / unerachtet des Drats / sich dannoch geschoben / und die Zeilen also daran krumm worden / hat man die Schrifften nach heutiger Art zu giessen / und wan eine Form fertig / selbige in einer eisernen Rahm zusammen zu schrauben angefangen / da dann diese Kunst zu mehrerer Vollkommenheit je mehr und mehr gelanget ist.
Wann nun eine jede Schrifft / deren vielfältige Arten wir bey dem Schrifftgieser erzehlet haben / in ihrem eignene Kasten / und eine gute Quantität eines jeden Buchstabens in seinen besondern Fächlein liegt / stellet sich der Setzer vor den Kasten / woraus er das geschriebene Exemplar absetzen soll / stecket selbiges auf den Tenakel vor sich / lieset / mit Hilff des Divisorii, oder Zeil=Zeigers / eine Zeil nach der andern aus demselben / nimmt den Winckelhacken / (welchen man lang oder kurtz machen kan / nachdem die Zeilen seyn sollen /) damit eine Zeile so lang werde als die andere / in die lincke Hand / und mit der rechten langet er die Buchstaben / welche eine kleine Signatur haben / einzlich aus den Fächlein des Kastens hervor / setzet also einen Buchstaben nach dem andern in besagten Winckelhacken / bis es eine Zeile wird / schliesset solche mit dünnen Spatien / welche er zwischen die Wörter stecket / fest aus / alsdenn hebt er die Zeilen nach und nach in das Schiff / bis es eine Column oder Seite eines Blats wird / bindet alsdenn besagte Columne mit einem Bindfaden fest zusammen / und schiesset solche mit des SchiffsZunge auf das Form= oder Setz=Brett an ihren gehörigen Ort. Wann nun von 2 / 4 / 8 / 12 / 16 / 18 / 34 / 32 / 48 oder 64. Columnen eine gantze Form / deren zwo einen Bogen machen / zusammen geschossen ist / nimmt man die Stege / oder das Format / leget sie behöriger massen / zwischen und neben die Columnen / löset den Bindfaden / womit die Columnen gebunden worden / wieder auf / legt die eiserne Rame darüber / treibet die Form erstlich zusammen / und schraubet die Schrauben ein klein wenig zu / hernach wird die Form mit dem Klopff=Holtz / alle Buchstaben gleichstehend zu machen / überklopffet / und vermittelst des Schließ=Nagels geschlossen / und in die Presse / auf das Massingene Fundament / eingehoben.
Vor solcher Presse stehen gemeiniglich zwey Gesellen / zuweiln auch 1. Gesell / und 1. Jung / deren einer auf dem der Presse angeheffteten Farbstein / die Farb / welche von Lein=Oel und Künruß gemachet wird / mit dem Farb=Eisen oder Schüpp dünn ausstreichet / damit sie nicht so dick auf die Ballen komme / nimmt darnach einen von den zweyen Ballen (welche von Leder und Roß=Haren gemacht sind /) stösset solchen auf oder in die gantz dünn ausgestrichene Farb / thut den Ballen / womit er Farb genommen / auf den andern Ballen / reibet die Farb mit den zweyen Ballen so lang / biß sie auf den beeden gantz dünn wird / (damit die Buchstaben im Auftragen nicht vollgeschlagen werden /) trägt alsdann die Form mit besagten Ballen auf / daß alle Buchstaben damit getroffen werden; Inzwischen leget / der andere einen zuvor eingefeuchteten Papier=Bogen in den auf der Lehne liegenden Deckel / leget ihn gerade in die Punctur / stösset das Rämlein / vermittelst des Riemens / den er mit dem Fuß rühret / auf den Deckel / schliesset es mit der Schnallen / leget den Deckel auf die Forme / entwindet den Karren / mit der Korbel / fähret mit demselben zwischen dem Lauf=Bret auf den Schienen unter den Tiegel / welcher an der Spindel / vermittelst einer Büchsen / angebunden ist / und ziehet so dann den Pengel / oder die Zug=Feder der Spindel / mit der rechten Hand an sich / so starck er kan / und windet damit die Spindel / worunter der Tiegel hanget / auf den Deckel / mit zweyen Zügen oder Sätzen / die dann durch solchen Druck das Papier in die Schrifft eintrincken machet. Wann nun als von beedes Formen oder Schön= und Widerdruck abgezogen worden / werden die Errata oder Setz=Fehler durch den Correctoren ausgezeichnet / von dem Setzer / vermittelst einer spitzigen Ahlen / heraus gethan / nachmahls von dem Correctore noch einmal revidiret / und übersehen. Wann nun solcher Gestalt die Form entfehlert ist / hebt der Drucker an / selbige abzudrucken / (das Papier muß allerwenigstens 24. Stunden vorhero gefeuchtet / und mit einem mehr als Zentnerschweren Stein beschwehret werden /) und verfertigt in einem Tag drey= bis vierdthalb tausend Bögen Abdrücke.
Wann so viel hundert oder tausend Abdrücke gemacht sind / als man vonnöthen hat / wird die Form auf ein Wasch=Brett gehebt / in den Waschstein getragen / mit einer siedheissen und scharffen Laugen sauber wieder abgewaschen / die Laugen daranach mit Wasser wol abgespület / und die Schrifft von den Stegen abgelöset; Darnach muß der Setzer selbige wieder ablegen / zu solchem Ende nimmt er eine Anzahl Zeilen / so viel er fassen kann / mit dem Ableg=Span auf die lincke Hand / nimt mit der rechten ein Wort nach dem andern / lieset und leget solches wieder in die Fächlein / wie und wo er selbige zuvor herausgenommen hat."2
Illustrationen

Viele Fechtbücher sind illustriert. Es ist anzunehmen, dass im Vorfeld Skizzen angefertigt wurden. Möglich, dass hierfür der Meister und/oder seine Vorfechter und Schüler Modell standen. Waren die Vorlagen fertiggestellt, wurde ein Kupferstecher mit der Umsetzung beauftragt.
"Es bestehet aber die Kunst in Kupfer zu stechen / fürnehmlich in dreyerley Arten / nemlich im Stechen / Radiren / und der so genannten Schwartzen Arbeit: Von der ersten Art dem Stechen / haben wir bereits weitläufftige Meldung gethan3 [...]
Das Radiren ist nicht minder so ergötzlich als nutzbar / zumal wann mit dem Grab=Stichel darein gearbeitet und ausgeholffen wird / da dann beede Manieren ein sehr köstlich Werck abgeben / und also vermischter vielen weit besser gefallen / als wann ein und andere Arbeit nur allein an sich selbst auf das Kupfer gebracht wird: Diese Arbeit wird meinst in Büchern und grossen Wercken gebrauchet / weil man alles damit viel besser verfertigen und beschleunigen kan. [...]
Der Unterschied zwischen dem Stechen und Radiren bestehet darinnen / daß jenes / das Stechen / durch einen wohlgeschliffenen Stahl oder Grab=Stichel verrichtet / im Radiren aber durch den auf das Kupffer gelegten Grund mit einer Nadel gerissen / und hernach mit Scheid= oder aber einem andern guten Etz-Wasser eingeetzet wird.
Die dritte Art der Schwartzen Arbeit / ist denen obigen zweyen gantz ungleich / und sind noch nicht viertzig Jahre / daß sie ein Durchleuchtiger Printz / aus einen hohen Chur=Hauß entsprossen / erfunden / und hat am ersten W. Valliant, mit Verwunderung vieler Liebhaber / durch sehr artig hervor gegebene Stücke dargethan / wie nützlich und annehmlich diese neu=erfundene Art seye / so / daß unterschiedliche Künstler solche mit besonderm Ruhm / sonderlich in Engelland und Amsterdam nachzuahmen und fortzuführen sich beflissen / auch eine Zeit her die allerschöneste und wunderwürdigste Conterfeye hervor gebracht. [...]
Zu obermeldten zweyen Arten / muß das Kupffer blanck / glatt und rein geschliffen / und polliret seyn / und wird der Schatten mit dem Grab=Stichel darein geschnitten / was aber weiß seyn soll / hell und blanck gelassen. In dieser Arbeit hingegen wird das pollirte Kupffer / ehe der Künstler sein Werk darein machet / gantz überarbeitet / und mit gewissen scharffen Eisen über und über sehr mühesam durchackert / so daß / wann es abgedruckt werden sollte / alles gantz schwarz fallen würde: Nach diesem pfleget erst der Künstler seine künstliche Hand anzulegen / in das schwarze Kupffer das Licht zu bringen / und die Erhöhungen auszudrucken / gantz auf umbgekehrte Art / indeme im Stechen und Radiren auf das helle Kupffer der Schatten gebracht und eingeätzet wird: Daher im Anfang viele in der falschen Meinung gestanden / als ob die hervor gebrachte Kunst=Stücke ebenfalls wie andere gestochen / und etwan durch zarten Flor auf gewisse Weise abgedrucket würden."4
Im Anschluss wurden die Kupferstiche verfielfältigt. Dies erledigte der Kupferdrucker.
"[D]iese Wissenschaft hat ohne Zweiffel / wo nicht zugleich mit der Erfindung des Kupffer=Stechens / doch gewißlich bald hernach / indeme man immerzu mehreren Vortheil hierinnen ausgesonnen / ihren Anfang genommen / und ist hochnöthig / daß ein jeder Kupffer=Stecher selbst wisse / wie ein guter Druck zu machen / und was dazu erfordert werde?
Die dazu gehörige Sachen sind gut Papier / eine gute Preß / so also zusammen gerichtet / daß die Waltzen und das dazwsichen gehende Bret / drauf das Kupffer liegen muß / wohl und accurat auf einander treffen / gute Filtz / gute Farb / so zu Franckfurth am besten gemachet / und daselbst verkauffet wird.
Der Druck ist also zu machen: Die Farb muß mit gebrennten Lein= oder / welches fast besser ist / mit Nuß=Oel angerieben werden / dann wird die Blatte auf einer gelinden Glut wohl eingeschwärtzet / mit zarten Lumpen abgeputzet / und mit der Hand auf das fleissigste rein abgewischet / alsdann auf das Bret / und der zuvor mit Vorteheil eingefeuchtete Papier=Bogen darauf geleget / mit dem Filtz bedecket und durchgezogen; und obschon solches alles dem Ansehen leicht / gehöret doch sonderbarer Fleiß dazu / und sind die radirte Sachen am leichtesten / die gestochene schwerer / die von schwartzer Arbeit aber am schwehr= und mühesamsten zu drucken.
Ein jeder Künstler ist zwar befugt / sich mit einer eigenen Presse zu versehen / und wann er die Mühe anwenden will / sine Sachen selbst zu drucken; Doch finden sich auch in grossen Städten / wo viel zu thun / als zu Wien / München / Augspurg / Nürnberg / etc. etc. Einige / so eine besondere Arbeit davon machen / Jungen darauf lernen / und gleich denen Handwerckern von der Obrigkeit dabey geschützet werden."5
Illustrationen in Fechtbüchern sind entweder im Text integriert (z.B. bei Hans Wilhelm Schöffer von Dietz) oder auf Extrablättern (teils faltbar) untergebracht (z.B. bei Jean Jamain de Beaupré). Allerdings sind sie nicht immer frei von Fehlern, was dem ein oder anderen Autor im Nachgang beim Betrachten des Werkes auffiel. So merkte beispielsweise besagter Fechtmeister Beaupré, der sein Werk mit 25 Abbildungen ausstatten lies, auf der letzten Seiten seines Buches an:
"Der günstige Leser wird alle beygesetzte Figuren in völliger Perfection in allen ihren Bewegungen finden / ausgenommen daß welche den Spitz deß lincken Fuß zu weit aussenher / und nicht in einer schnur=geraden Linien der Schuh=Schnallen placiret haben / welches dem Mahler beyzumessen / weilen dieser ohnfehlbar die Fecht=Kunst nicht verstehet."6
Buchhandel

Buchhändler waren die Verkäufer (und manchmal die Hersteller) der Bücher.
"Dann sobald nur diese Kunst zum Anschein kommen / ist auch der Buchhandel mehr und mehrers verherrlicht worden. Und gereicht es den Buch=Händlern zu sonderbahren Ruhm / daß gleich anfangs grundgelehrte Leuthe sich auf den Buchhandel gelegt / und zugleich Buchhändler und Drucker abgegeben / wie mit den Exempeln der Aldorum zu Venedig und Rom / der Juntarum zu Florenz / der Stephanorum und Morellorum zu Pariß / der Gryphiorum zu Lyon / der Wechtelorum zu Franckfurth / der Oporinorum und Frobeniorum zu Basel / und unzehlich anderer mehr erweißlich. Nach und nach aber hat sich der Buchhandel von den Druckereyen entsondert / wiewohl es doch noch bey einigen befindliche / die aber / wann sie / nebst dem Buchhandel / auch drucken wollen / ihre Jahre erstehen / und als Drucker=Gesellen die Freyheit erhalten müssen.
Es geschicht aber der Buchhandel auf verschiedene Arten / indem einige sich lediglich mit ihren Verlags=Büchern vergnügen / und selbige gegen paares Geld verhandeln; andere aber ihr Verlags=Gut gegen andere Bücher verstechen / und ein so genanntes Sortiment sich beylegen / damit sie / bey Nachfrage / mit verschiedenen Büchern versehen / und die Liebhaber damit bedienen können. Noch andere bedienen sich beyder Vortheil / und verhandeln einige ihres Verlags Bücher allein gegen Geld / andere aber verwechseln sie gegen anderes Gut / und weiß ein jeder Buchhändler selbst am besten zu wehlen / was seinem Handel am vorträglichsten und ersprießlichsten.
Es wird aber von einem klugen Buchhändler erfordert / daß er / bey vorhabendem Verlag eines Wercks / selbst klüglich urtheilen könn / ob selbiges der Orten / wo er seinen Handel treibt / zu verschliessen / und zu verkauffen; ob die Materie dem / wo er die meiste Kundschafft zu hoffen / anständig und beliebig; ob darinnen nichts befindlich / so dem Staat oder Nation / wo er seine zeitliche Wohlfahrt sucht / nachtheilig; Dannenhero er höchstnöthig bey gelehrten Leuthen sich dieserwegen Raths zu erhohlen / und wird in grossen Städten / in Erwegung dessen / sonder Censur und Erlaubnus nichts zu drucken vergönnet. So fürsichtig er aber in seinem eignen Verlag seyn muß / so gehört ihm auch / nicht minder fürsichtig in Eintauschung anderer Bücher zu seyn / damit er sich mit selbigen nicht zuviel überlege / und endlich / bey ermangelnder Nachfrage / in die so genannte Maculatur zu schlagen nöthig habe.
Anbey ist auch für einen Buchhändler ein höchstnöthiges Stück / die jenige alte Bücher / so bey den Verlegern / auch bey den Buchhändlern nicht mehr zu haben / anbey aber in hohem Werth / und bey Gelehrten höchstgeschätzt / zu kennen / und bey alten Bücher=Verkauffern und zergäntzten Bibliothequen / aufsuchen zu können / zumahlen hierinn öffters ein Buchhändler sich den grössten Ruhm und wichtigsten Gewinn erworben; und dienet hiebey ihm sonderlich zur Nachricht / daß er die Zeichen der alten und kunstberühmtesten Buchhändler und Drucker / so sie ihren Wercken auf dem Titel=Blatt beygedruckt / mercke / und von andern zu entscheiden wisse."7
Kaufte man ein Buch beim Buchhändler, war es (anders als heute) meist noch nicht fertig gebunden.8

Buchbindung

Der Buchbinder erzeugte aus bedrucktem Papier stabile Bücher.
"Sehr verdrießlich und beschwerlich würde es fallen / wann wir unsere heut zu Tag übliche Bücher also rohe und ungebunden brauchen sollten / dann ob schon etwann mancher den Bogen nach dem Format in Folio / Quart und Octav richtig und geschwind zu verwenden weiß / würde es doch / wann das Format in zwölff / sechzehen / achtzehen / vier und zwanzig oder zwey und dreissig Theile abgeteheilet ist / sehr vielen schwehr genug fallen; Wie mancher Bogen würde verlohren gehen / und das Exemplar defect werden? wie bald würde sich das Papier zerschleissen und zerreissen? was Mühe würd man haben / die Kupffer jedesmahl auszusuchen / und dem Context im Lesen entgegen zu halten? wie bald wurde sie dem Staub unterworffen / verderben / und von den schädlichen Schaben angefressen werden / da sie hingegen der euserliche Einband und die Deckel / wann sie wohl gemacht und reinlich gehalten wird / vor beeden ziemlich lang bewahret / und die Blätter / nach Belieben / ohne vielen Zeit=Verlust flüchtig herumb geworffen / dasjenige leichtlich aufzuschlagen vergönnen / was man zu suchen / und etwan zu lesen / oder auszuzeichnen beliebet: Solcher gestalt ist ja das löbliche Handwerck der Buchbinder so nöthig als nutzlich. [...]
Das Meisterstück / so sie machen / bestehet gemeinlich in einem starcken Folianten / Quart= und Octav=Band. In Nürnberg wird der Foliant in Schwein=Leder eingebunden / mit Rollen zierlich überkrämpelt / auch mit messenen Ecken und Hacken beschlagen. Der Quart=Band wird mit roth=gefärbtem Kalb=Leder überzogen / mit Stämpeln und Filetten gezieret / nachmal überguldet / und mit Gesperren versehen. Die Decke des Octav-Bandes bestehet aus schwartz=gefärbten Kalb=Leder / ebenfalls mit Gesperren und mit verguldeten Stämpeln und Zieraten ausgemacht. Der Foliant ist gemeiniglich grün auf dem Schnit / an dem Quart= und Octav=Band aber muß er / ohne einige Striemen und Risse / glatt und blanck verguldet seyn.
Vor Alters pflegte man die Bücher entweder nur in einfaches dickes Perment oder Leder zu hefften / nachmahls das Leder mit gestrichenem Gitterwerck zu zieren; theils Bücher wurden zwischen zwey Bretter gebunden / und nur allein der Rucken mit Leder bedecket; nach dem fienge man an / auch diese Bretter mit Schwein= Kalb= und Schaaf-Leder / wie auch mit Juchten / Saphian und Corduan zu überziehen / weil aber diese Bücher sehr schwer / und noch dazu meinst mit messinen Ecken / Clausuren und Gesperre versehen waren / davon jene fast gar nicht mehr üblich / diese aber gar selten gebraucht werden / hat man die von vielem aufeinander gepappeten Papier also genannte Pappen=Deckel eingeführet / deren man sich annoch bedienet / und selbige mit Papier / oder gemeinen von Schaaf= oder aber guten Compert von Kalbs=Leder / auch bißweilen so schlecht als guten Zapffen=Leder überzogen.
Heut zu Tag floriren meinstens die so genannte Frantzösische Bände / welche aus Kalb=Leder bestehen / so mit einer besondern Schwärtze eingesprenget / an dem Rücken mit Rollen überstämpelt und verguldet / zu öberst aber die Titel der Bücher mit guldenen Buchstaben angedeutet werden: Es geschiehet auch öffters / daß einige Bücher in schönen Brocard und Sammet gebunden / mit silbernen / verguldeten oder wohl vor hohe Personen mit gantz guldenen Ecken und Gesperren beschlagen / auch wohl gar mit einer von Silber gantz dinn geschlagenen Decke überzogen werden. [...]

Es soll aber ein Buchbinder von Rechts wegen die vier Haupt=Sprachen / Ebräisch / Griechisch / Latainisch und Teutsch zum wenigsten lesen können / und die Lateinische in etwas zur Noth verstehen / indeme in selbiger öffters zu End eines Werckes eine nothwendige Erinnerung an den Buchbinder angefüget wird / wie wird er aber solche beobachten / wann er sie nicht verstehet / oder niemand bey der hand hat / der ihme solche verteutschet?
Er muß auch seine Arbeit wohl verstehen / und wissen / das Lein=Wasser und Alaun so zu temperiren / daß das Papier im Planiren nicht zerfliesse / oder / so es zu starck / nicht breche und zusammen pappe / er muß wissen das Buch aus dem Faltz zu schlagen / aufzubiegen / und gehöriger Massen zu beschneiden / dann nochmal zu schlagen / auf der Häfft=Lade zu häfften / in der Presse zu leimen / mit dem Schnitt=Hobel zu beschneiden / den Schnitt / nach beliebiger Art / anzufärben / zu marmoriren / oder zu vergulden / und / so es verlanget wird / vermittelst der Buntzen / mit allerley Laub=Blumen und Bilder=Werck zu zieren / den Rucken mit artig=bestochenen Capitälen zu versehen / alsdann die Bretter oder Pappen=Deckel an die Seiten zu setzen / mit Compert oder Leder zu überziehen / auch / wann es beliebt wird / mit allerley guldenen Zieraten / und Leisten auszuzieren / und Gesperre / Clausuren oder Bänder anzusetzen etc. etc."9
Der Futeral-Macher ist zum Buchbinderhandwerk zu rechnen.
"so wohl von Holtz als Pappen=Deckeln zu Spiegeln und allerley Sachen / so ihme vorkommen / Rahmen / Futer und Gehäuse verfertiget / mit Papier oder Leder überkleidet / mit Rollen und Stämpeln zieret / und auf das schönste verguldet / auch einwendig mit Papier / Sammet / oder andern herrlichen Stoffen auszieret / als welche Arbeit die Buchbinder / von undencklichen Jahren her / frey und ungehintert getrieben haben."10
 Schlussfolgerungen

Der Artikel gibt einen Einblick in die handwerklichen Prozesse des Buchdruckes in der frühen Neuzeit und beschreibt die Buchproduktion vom Manuskript über den Druck bis zum Verkauf beim Buchhändler. Deutlich geworden ist, dass es ein arbeitsteiliger Prozess war, der viele Beteiligte involvierte: Fechtmeister/Autor, Papierer, Schriftgießer, Buchdrucker, Buchbinder, Buchhändler sowie gegebenenfalls Schreiber, Zeichner, Kupferstecher, Kupferdrucker (alle Handwerksmeister sind jeweils mit Gesellen zu denken) und Modelle für die Illustrationen.

Aus dem Prozess der Buchproduktion leiten sich Fragestellungen zur Motivation des Autors und Finanzierung des Projektes ebenso ab wie Fragen zu Auflagenstärke, Rezeption und Verbreitung der Fechtbücher. Dem wird in weiteren Forschungen nachzugehen sein.

Eine weitere Frage stellt sich hinsichtlich der mehrfachen Auflage von Fechtbüchern, wie sie uns zum Beispiel bei der Giganti-Übersetzung des Jacob de Zetter oder dem Werk Johann Andreas Schmidts bekannt sind. Lässt sich aus der Anzahl der Auflagen eine Aussage herleiten, wie populär diese Bücher waren?
Betrachtet man den Herstellungsprozess der Bücher, sind mehrere Arten der Deutung denkbar. Zwei sind exemplarisch und spekulativ dargestellt:
1.) Das Fechtbuch wurde nachgefragt, bis es ausverkauft war. Eine Nachfrage bestand weiterhin (oder wurde von Buchhändler/Drucker vermutet). In Folge warf der Buchdrucker die Druckpresse an, um neue Exemplare anzufertigen. Die Neuauflage entstand. Oder 2.) Die gedruckten, aber ungebundenen Exemplare lagen beim Buchhändler oder Drucker herum, weil sie sich nicht wie erhofft verkauften. Der Drucker/Buchhändler versah nach einiger Zeit die Bücher mit neuem Titelblatt und neuer Jahreszahl und bot sie als Neuauflage wieder an, um sie in einem neuen Anlauf doch noch loszuwerden.
Auch für die Klärung dieser Fragestellungen sind weitere Forschungen notwendig.

Anmerkungen:
1 Weigel, Christoph: Abbildung Der Gemein-Nützlichen Haupt-Stände. Regensburg, 1698. SLUB Dresden, Signatur: Technol.A.142.
2 Ebd., S. 252-255
3 Es wird v.a. von der Geschichte des Kupferstechens berichtet und berühmte Kupferstecher der Zeit namentlich genannt. Die Beschreibung der Handgriffe erfolgt später im Text.
4 Vgl. Weigel: Haupt-Stände, S. 204-205
5 Ebd., S. 205-206
6 Beaupré, Jean Jamain de: Methode tres facile pour former la noblesse dans l'art de l'epée = Die allerleichtiste neue weiß, den Adel in der Fecht-Kunst zu underweisen. Ingolstatd, 1721, S. 78.
7 Vgl. Weigel: Haupt-Stände, S. 243-245
8 Erst die Buchbinder „fertigten auf Bestellung für jeden Kunden individuell Einzelbände an.“ Vgl. Rautenberg, Ursula: Reclams Sachlexikon des Buches: Von der Handschrift zum E-Book. 3., vollständig überarbeitete und aktualisierte Auflage. Stuttgart/Ditzingen, 2015, S. 69. Es wurden nur „vereinzelt […] Teile vor dem Verkauf an den Endkunden in lokal ansässigen Werkstätten“ gebunden., siehe ebd.
9 Vgl. Weigel: Haupt-Stände, S. 256-260
10 Ebd. , S. 260