Mittwoch, 8. März 2017

Tugend- und lasterhafte Studenten (1764)

von Jan Schäfer

Der „Tugend= und lasterhafte Studente poetisch und moralisch entworfen. Das Studentenleben in 30 Kupfern vorgestellet.“ (von Adam Wolfgang Winterschmidt, Frankfurt und Leipzig, 1764) [Digitalisat] präsentiert die verschiedenen Studentencharaktere einer Universität in 30 Kupferstichen und Gedichten. Dabei wird zuerst für jeden der 30 Charaktere die negative Charaktereigenschaft kritisiert und in Folge die Verbesserung vorgestellt. Der prahlende, der verzagte und der wilde, fluch- und raufende Student thematisieren das Fechten.

Aus den Texten lässt sich herauslesen, dass Angeberei („der Prahlende“) und Streitsucht („der Wilde, Fluch- und Raufende“) als moralisch verwerflich angesehen wurden; gleichfalls aber auch, dass es ebenfalls als moralische Schwäche verstanden wurde, sich nicht mit der Waffe im Duell oder anderen Konflikten zu verteidigen („der Verzagte“).

Die Texte:

"Der Prahlende.
[Kapitel] X.

Zehntausend in der Flucht! Zehntausend in der Erden!
Und so viel sollen noch von mir erleget werden,
Von meines Degens Spitz, von meinem Heldenstahl.
Schallt meine Stimme nicht als wie ein Donnerknall?
Wer kann vor meiner Faust, vor meinen Händen stehen?
Auf einen Wink von mir, muß selbst die Welt vergehen,
Paris, der Römer Reich, den Creis der Niederland,
Die Schweiz, die Alpen selbst, ganz Böhmen und Brabant,
Auch Mogols weites Reich, die Länder so am grösten
Laß ich wohl gar zur Lust mir noch in Butter rösten,
Und der verwegne Hund, so jüngst mein Kleid veracht
Als wäre es allhier, nicht in Paris gemacht,
An dem soll meine Rach sich nicht gesättigt schauen,
Biß daß er kleiner noch als Sonnenstaub gehauen.
Seht wie die Rache wüth, biß daß sie ihre Ehr
Durch Halsbruch, Mord, und Tod, stellt unverlezet her.
Pfuy Thraso unsrer Zeit! was soll dein Prahlen heißen?
Die Tapferkeit durch Wort und nicht durch Werk beweisen
Bringt wahrlich schlechte Ehr, dann solcher Helden Zahl,
Findt man gewiß genug hier, und auch überall.
Durch eines Degens Größ, und durch des Mundes Morden
Sind ihrer wenige annoch getödt worden.
Fort mit der Prahlerey! ein kluger musensohn
Fängt keine Händel an, lauft keinem Feind davon,
Rühmt seine Thaten nicht, und weiß also zu leben
Daß er durch Prahlerey wird keinen Anlaß geben
Daß man sich an ihm reibt, wie Prahlern oft geschieht,
Wo bey man sie dann kaum, wohl gar nicht ziehen sieht.
Die Hohenschulen sind zu dem wohl nicht erbauet
Daß man die Hälse bricht, ermordet und erhauet,
Doch wer kein Herze hat, stell auch das Prahlen ein,
Wann er nicht jedermann will zum Gelächter seyn.
Ein kluger Musensohn bleibt dannoch unvergessen
Ob ihm gleich Frankreich nicht die Kleider angemessen.
Wer nur mit Worten siegt, und schönen Kleidern prahlt,
Der wird mit allen Recht wie Midas abgemahlt.
Das Vatterland fragt nicht wie oft man sich geschmissen,
Und wo das Kleid gemacht; Nein, sondern es will wissen
Was man erlernet hat, und ob man seine Zeit
Gott, denen Tugenden, der Weißheit, hat geweiht.
Wer dieses hat gethan, der kann mit Freuden lachen,
Wann andre Prahler Wind zu Millionen machen.
Er denkt, prahlt wie ihr wollt, es ist mir einerley,
Ein Kluger merket doch was Wind und Wahrheit sey.

Der Verzagte.
[Kapitel] XIII.
Farousch das wilde Vieh, der ungerathne Range
Macht Herren Hasenherz gewaltig Angst und bange,
Er ziehet mirderfüllt, er spricht vom Hieb und Stoß
Und gehet voller Wuth auf seinen Gegner loß.
Der Gegner aber hat ein weibliches Gemüthe,
Er suchet in der Fucht so Sicherheit als Friede,
Entgeht des Feindes Grimm, und lauffet recht geschwind
Zu zeigen daß er sey ein feiges musenkind.
Auch dieses kann den Ruhm an einer muse kränken,
Und eine Gegenwehr wird man dem nicht verdenken
Der angegriffen wird. Ein rechter Musensohn,
Der keine Händel sucht, vermeidet auch den Hohn
Der Zagheit und der Furcht, beschüzet Leib und Leben,
Der aber welcher sich der Furchtsamkeit ergeben,
Wird aller Leute Spott, so daß fast insgemein
Ein jeder feiger Narr an ihm will Ritter seyn.
Zeigt sich die Tapferkeit durch abgedrungne Proben,
So wird auch selbst der Feind noch seinen Gegner loben.
Die Tapferkeit ist ja wie aller Welt bekannt
Mit denen Tugenden gewißlich nah verwannt.
Was baut des Menschen Glück? will man es recht erwägen
So ist es warlich nur die Feder, und der Degen.
Ein kluger Musensohn der beedes recht gebraucht
Wird so ein nuzbar Glied das fast zu allen taugt.
Er schüzt das Vatterland mit Worten und mit Thaten,
Und weiß im Kabinet so wie im Feld zu rathen.
Was stüzte biß anher so manches Vaterland?
Die Weißheit in dem Kopf, der Degen in der Hand.
Wann aber Unvernunft die Klinge wüthend wezet
Und um ein kahles Wort, den Stahl mit Blute nezet,
Da findt die Tapferkeit gewißlich keine Statt
Dieweil die Torheit nur den Muth gebohren hat.
Der ächten Tapferkeit untadelhaftes Wesen
Läst keine wilde Art an ihrer Stirne lesen.
Ein Helde von Gemüth, ein Helde von Geblüt,
Versucht bey seinem Feind zu allererst die Güt,
Erhält dann diese nichts, so wird er notgedrungen
Zur Deckung seines Leibs zur Gegenwehr gewzungen.
Indem er so verfährt, folgt er der Klugkeit nach,
So gar der Himmel selbst schüzt die gerechte Sach,
Und läst den Gegner leicht zu seinem Selbstverderben
In lauter Rach und Grimm, Gift, Gall, und Boßheit sterben.
Wer eine Degenspiz mit Ehren führen will
Der halte im Gebrauch vernünftig Maß und Ziel.

Der Wilde, Fluch- und Raufende.
[Kapitel] XIV.

Warum den Thee so spät? dich soll Bliz, Bley, und Eisen
So als wie meine Hand anjezt zu Boden schmeisen;
Ich schlage ich krumm und lahm, grün, blau und krüppelwund
Du Schaum der Scheußlichkeit, und dummer Aufwarthund.
So ruft der wilde Mensch, und schmeist der armen Käthe
In lauter Wuth und grimm beynah das Rückgeräde
Im vollen Zorn entzwey, und niemand traut sich nicht
Der mit dem Ungethüm von Frieden machen spricht,
Dann würde man sich diß bey ihme unterstehen,
So würde es gewiß gar an ein Rauffen gehen;
Er stünde in der That geschwinder als ein Bliz
Zum Rauffen schon bereit mit blanker Degenspiz.
O wilder Poltergeist! O Muster roher Sinnen!
Was lässet sich durch Gifft, Zorn, Wuth und Gram gewinnen?
Befördert man die Ehr dann nur durch Hieb und Stoß?
O nein! man giebet nur dadurch die Schwäche bloß
So unser Herz beherrscht, und unsre Brust bestricket
Daß man den besten Freund oft zu der Hölle schicket
Der nur nur ein einzig Wort aus unverdachten Muth
Zuweil entwischen läst: dann heist es alsbald Blut,
Blut fordert dieser Schimpf, und um die Schmach zu rächen
So muß ich dir den Hals, wo nicht, du mir zerbrechen.
Wer billigt dieses wohl? Wer siehet nicht hierbes
Daß dieses dummer Ruhm, und falsche Ehrfurchr sey?
Ein kluger Musensohn flieht Hader, Zwietracht, Streiten,
Ist jedem Menschen hold, und wünschet sich mit Freuden
Viellieber lauter Freund, als eines Feindes Grimm,
Wann dieser wüthend brüllt, kann der mit sanfter Stimm,
Mit Nachsicht, und Gedult, mehr als mit Grimm erzwingen,
Wann jener will für Wuth für Zorn und Grimm zerspringen,
Sieht dieser lächlend nur des Nächsten Schwachheit an,
Und wundert wie die Wuth doch den verstellen kan
Der einem Menschen gleicht, und wann die Menschheit fliehet
Noch wilder als ein Löw und als ein Tiger siehet.
O Tapfferkeit voll Schmach! O Ehre voller Schand!
Wann ein verfluchter Stahl, die racherfüllte Hand,
Durch den gelungnen Stoß die Seeligkeit verspielet,
Den angebrachten Stich, des Thäters Seele fiehlet,
Und die Gewissensangst als wie diß Feuer brennt
In welches mancher schon aus Tapferkeit getrennt.
O Pfuy der Tapferkeit! weg mit den Heldenthaten!
Ein solcher Renomist, ist nur ein Höllenbraten.
Komm edle Sanftmuth komm, dann wer sich dir ergiebt
Der bleibt bey Gott und Mensch, bey aller Welt beliebt."

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