Im Sommer dieses Jahres wurde der Deutsche Dachverband Historischer Fechter e.V. gegründet. Wir sprachen mit Sonja Heer und Thore Wilkens über Netzwerke, die geplante Trainerausbildung, potentielle Gefahren einer Standardisierung sowie Turniere.
Fechtgeschichte: Hallo Sonja, Hallo Thore. Welche Funktionen habt ihr beim DDHF inne?Sonja Heer: Als Präsidentin führe und koordiniere ich den Verband und leite das Präsidium.Thore Wilkens: Ich bin Vorsitzender der Abteilung Bildung.Fechtgeschichte: Wie viele Mitglieder in wie vielen Vereinen sind derzeit im DDHF organisiert?Sonja Heer: Derzeit vertreten wir rund 750 Einzelpersonen aus acht Mitgliedsorganisationen.Fechtgeschichte: Welche Ziele habt ihr euch für die nächsten zwei Jahre vorgenommen?Sonja Heer: Zunächst geht es für mich darum, den Verband auf eine sichere Basis zu stellen. Dazu benötigen wir gute Prozesse, eine sinnvolle Infrastrukur und ein gutes Netzwerk. Damit meine ich zum Beispiel den Kontakt zu Repräsentanten von anderen Sportverbänden, zu Vertretern der Presse oder der Kontakt zu Wissenschaftlern und natürlich auch den Kontakt zu Vertretern der HEMA-Szene. Dann müssen wir die Mitglieder in die Verbandsarbeit einbinden: transparente Beschlussfassung und Möglichkeit der Mitgestaltung über Arbeitsgruppen sind wichtige Punkte. Dabei müssen wir darauf achten, dass die Bürokratie nicht überhand nimmt, wir aber trotzdem alles so gut dokumentieren, dass es auch nach Jahren von anderen Personen nachvollzogen werden kann. Außerdem benötigen wir eine Plattform zum Austausch und zum Ablegen unserer Dokumente, die es aufzubauen gilt, denn die Mitglieder unserer Gremien sind ja über ganz Deutschland verteilt.Thore Wilkens: Die Abteilung Bildung wird die nächsten zwei Jahre mit der Entwicklung und Erprobung einer umfassenden Trainerausbildung beschäftigt sein.Fechtgeschichte: Wie wird die Trainerausbildung ablaufen? Und wie weit seid ihr mit eurer Konzeption bereits?Thore Wilkens: Die Arbeitsbereiche sind festgelegt und das benötigte Material ist großteils zusammengetragen. Jetzt bereiten wir die Erarbeitung der einzelnen Module vor, zum Beispiel Quellenarbeit, Traingsplanerstellung, Freikampfauswertung oder Coaching. Die Trainerausbildung wird auf mehrere Wochenendseminare ausgelegt sein, bei denen im Verlauf eines Jahres die verschiedenen Module behandelt werden. Das Lehrmaterial dazu wird vorher gereicht oder aber wir erstellen ein Gesamt-Handbuch für die vollständige Ausbildung. Ich hoffe, dass wir im Rahmen von 2015 ein Betadokument mit Methoden fertig haben und anschließend in die Ausbildung der Ausbilder gehen können. Ein langfristiges Ziel wird es sein, dass DOSB und Landessportbünde unsere Ausbildung als offizielle Trainerausbildung anerkennen.Fechtgeschichte: Welche Vorteile ergeben sich für Vereine aus der Mitgliedschaft im DDHF?Sonja Heer: Gemeinsam sind wir stark. Dies ist eine Chance die deutschen Historischen Fechter stärker zu vernetzen, damit wir uns gegenseitig unterstützen und voneinander lernen können.Thore Wilkens: Der DDHF wird für die Mitgliedsvereine vieles erleichtern. Wenn unsere Strukturen voll etabliert sind, können wir unseren Mitgliedern bei der Vermittlung von Hallen und Koordination von Seminaren helfen. Zudem arbeiten wir an Kommunikationsstrukturen, die es den Mitgliedern ermöglicht, schnelle und zuverlässige Ansprechpartner bei Fragen und Problemen zu finden.Fechtgeschichte: Dachverbände stehen oft für Vereinheitlichung und Standardisierung – nicht nur von Formen, sondern auch von Inhalten. Das Historische Fechten zeichnet sich demgegenüber seit den Anfängen durch einen Pluralismus der Fecht-Interpretationen aus. Wird der DDHF zukünftig – z.B. bei der Trainerausbildung – ein Curriculum für jede Waffe vorgeben?Thore Wilkens: Auf keinen Fall! Damit würden wir unsere Szene zu Grabe tragen. Die Vielfältigkeit und die Entwicklung des Historischen Fechtens muss gewahrt bleiben. Wir müssen allerdings dafür sorgen, dass bei diesen Entwicklungen die Szene nicht an geistiger Erschöpfung und Demotivation zugrunde geht. Das Problem ist ja nicht die Interpretationsfülle, sondern der Mangel an Bewertungsmaßstäben. Vor allem für Anfänger ist eine quellennahe und funktionierende Interpretation nicht von den pseudointerpretationen der Trittbrettfahrer zu trennen, die für viel Geld Seminare und Training mit wenig Inhalt anbieten. Dabei sind es nur ganz wenige Punkte, die für eine Bewertung nötig sind. Wir bemühen uns deshalb darum, Methoden und Kriterien zu entwickeln, die den Fechtern die Entwicklung einer durchschaubaren und präzisen Interpretation ermöglicht und die sie in die Lage versetzt, andere Interpretationen kritisch zu hinterfragen. So bleibt nicht nur die Vielfältigkeit der Szene gesichert, sondern auch ihre qualitative Entwicklung.Fechtgeschichte: Die Diskussion um die Versportlichung des Historischen Fechtens ist fast schon fester Bestandteil der HEMA-Kultur. Argumentativ stehen sich z.B. „sportliches Kräftemessen“, „Austesten der technischen Fertigkeiten im Wettkampf“ auf der Befürworter- und „Optimierung von Wettkampftechniken“, „Regulierung des Kampfes durch Regelwerke“ auf der Kritikerseite gegenüber. Auch wird das olympische Sportfechten immer wieder als Negativbeispiel angeführt. Wie seht ihr diese Diskussion. Und welche Position hat der DDHF hier?Sonja Heer: Das eigentliche Ziel eines Kampfes, die Zerstörung oder zumindest das Kampfunfähigmachen eines Gegners, und der Begriff „Sportlichkeit“, stehen im Gegensatz zu einander. Es besteht der Wunsch sich mit anderen zu messen oder Techniken auf ihre Wirksamkeit überprüfen, ohne jemanden ernsthaft zu verletzen. Als Veranstalter von Turnieren ist man auch für die Kämpfer verantwortlich, daher verstehe ich es sehr gut, wenn Regeln eingeführt werden, um schwerwiegende Verletzungen zu vermeiden. Die andere Seite solcher Regeln ist dann allerdings, dass der Kampf an Realitätsnähe einbüßt. Wir müssen uns im Klaren darüber sein, dass jede Art von Freikampf nur eine Annäherung an eine reale Situation sein kann. Schon allein durch Schutzausrüstung verändert sich der Kampfstil. Mir persönlich ist daran gelegen, eine Annäherung von verschiedenen Seiten zu ermöglichen um ein möglichst umfassendes Bild einer kämpferischen Situation zu bekommen. Eine Wettkampfsituation ist überdies für den Einzelnen eine hervorragende Möglichkeit, seine Persönlichkeit zu schulen, Stichworte sind hier als Beispiel Fokussierung, der Umgang mit Stresssituationen und auch der Umgang mit Sieg und Niederlage. Das sind alles Qualitäten, die man in einem Freikampf und im Wettkampf erfährt, nicht aber im bloßen Techniktraining.Thore Wilkens: Ich sehe in Turnieren kein Problem und auch nicht in einer sportlichen Anpassung der Techniken. Das Turnier darf allerdings nicht zum Selbstläufer werden und seine Wurzeln vergessen. Historisches Fechten ist nun einmal mehr, als sich mit einem Schwert auf die Maske zu schlagen. Derzeit führe ich eine Untersuchung der großen Turnierveranstaltungen der letzten drei Jahre durch, um Gründe für die Differenzen zwischen den Quellen und den gegenwärtigen Fechtweisen zu identifizieren und Trends zu formulieren. Die ersten Ergebnisse lassen mich entspannt aufatmen. Auch das Turnierfechten entwickelt sich und ist offen für neue Ideen. Sobald die Analysen abgeschlossen sind, wird der DDHF die Daten veröffentlichen. Ich bin optimistisch, dass diese Ergebnisse die Gräben zwischen „Turnier- und Quellenfechtern“ ein wenig schließen wird. Eines kann ich jetzt schon sagen: „Die Turnierszene braucht die quellenfokussierten Fechter und die Quellenfechter brauchen die Turnierfechter. Der fehlende Austausch beeinträchtigt die Fechtweise beider Gruppen in negativer Weise.Fechtgeschichte: Vielen Dank für das Gespräch!
Weiterführende Informationen:
Seit August ist der DDHF ein eingetragener Verein und seit September besitzt er die Gemeinnützigkeit.