Der Schuhmacher und Meistersinger Hans Sachs aus Nürnberg dichtete um 1545 einen Lobgesang auf die Fechtkunst seiner Zeit. Teile dieses Fechtspruches übernahm Christoff Rösener später in sein eigenes Werk.
Der fechtspruch. Ankunfft unnd freyheyt der kunst
Eins tages ich ein fechter fragt,
Bat freundlich ihn, das er mir sagt,
Wo doch ir ritterliche kunst
Het ihren ursprung, der ich sunst
Von jugend auff het gunst getragen.
Da ward er wider zu mir sagen:
Die ritterliche kunst ist auff-kummen,
Hat iren ersten ursprung gnummen,
Eh wann Troya zerstöret war,
Etwas mehr dann aylff hundert jar
Vor des Herren Christi geburt.
Von Hercule erfunden wurd
Der olimpische kampff mit nam
Inn dem lande Arcadiam,
Bey Olimpo, dem hohen berck.
In diesem ritterlichen werck
Kempfften zu roß nackende held,
Wie Herodotus uns erzelt.
Welcher denn ritterlichen kempffet,
Die andren mit seym schwerte dempffet,
Der selbige wurd begabet gantz
Von öl-paumen mit eynem krantz.
In dem kampff Hercules erfacht
Groß lob und preiß durch heldes macht
Und auff-setzet den kampff fürwar,
Zu halten den im fünfften jar
Mit grosser herrligkeyt all mal.
Nach dieser olimpischen zal
Die Kriechen rechneten ir zeyt.
Poliderus des urkund geyd.
Als aber nun Hercules starb,
Dieser olimpisch kampff verdarb,
Das er ein zeyt lang von den alten
In kriechen-land nit wurd gehalten.
Den nach dem Iphitus, sein sun,
Hat widerumb auffrichten thun
Eben gleich in voriger art,
Nach-dem Troya zerstöret ward,
Der lang ist bey den Kriechen blieben,
Wie Solimus uns hat beschrieben.
Nach dem sind auch in Kriechen-landen
Mancherley art kampff-spiel erstanden,
Erlich, die nackat allenthalben
Mit dem paum-öl sich theten salben
Und kampffweiß mit eynander rungen,
Inn schrancken wettlufen und sprungen.
Nach dem errfand könig Pirrus groß
Den gewappneten thurnier zu roß,
Und wie man solt in ordnung reyten,
Genand der pirrisch sprung vor zeyten.
Zu solchem kempffn vor langer zeyt
Hat Mercurius zu-bereit
Die jungen kempffer in kampfstücken,
Auff das in thet der Sieg gelücken.
Hat also die erst fechtschul ghalten,
Wie uns bezeigen denn die alten,
Diodorus unnd ander mehr.
Es war die aller-größte ehr,
Wellicher da ein krantz erfacht,
Für alle reichthumb, gwalt und pracht.
Dergleichen auch das kampffspiel kommentareIn die mechtigen stat zu Rom,
Da Staurus ein theatrum baut,
Darinn das volck dem kampff zu-schaut,
Auff merbel-stein-seulen gesundert,
An der zal sechtzig und dreyhundert,
Das aller-gröste werck genand,
So ward gemacht durch menschen-hand,
Darinn mit grosser prechtigkeyt
Draucht man die kampffspiel lange zeit,
Das auff ein kampff der kempfer war
Offt mehr dann in die tausent par.
Sie fachten aber alle scharff,
Einer nandern schoß, hieb, stach und warff,
Mit schwertern, kolben, spieß und pfeil.
Ieder het ein schildlein im zu heil,
Darmit er sich schützt in der not.
Viel blieben auff dem kampff-platz tod,
Viel hart verwund, die sich ergaben.
Mancher art sie auch kempffet haben,
Auch mit peyheln und fisch-garn.
Auch etliche kempff bestellet warn
mit elephanten. Thieger-thiern,
mit parden, löwen, wilden stiern,
Mit wilden pferden und mit beren.
An den mustens ir kunst beweren.
On schaden gieng der kampff nicht ab.
Bey Fidena sich eins begab
Zu kayser Tyberii zeyt,
Das einfiel ein spiel-hauß gar weyt,
Zwaintzig tausent menschen erschlug,
So zu-sahen dem kampffe klug.
Nachdem aber die groß stat Rom
Zu christlichem gelauben kom,
Wuden abgelaint (abgelehnt) die kampff-spiel,
Dieweil es kostet blutes viel
Wider christlich ordnung und lieb.
Dennoch ein stück vom kampff noch blieb.
Viel held kempfften in freyem feld
Und rietten zamb inn finster weld,
Als Eck unnd der alt Hillebrand,
Laurein, hürnen Sewfrid genandt,
König Fasolt und Dietrich von Bern,
Theten einander kamff gewern,
Als zu erlangen preiß und ehr.
Dergleich vor kurtzer zeyt noch meer
War noch der rbauch beym teutschen adel,
Wo einer fand am andern dadel,
So erfordert er in zum kempffen,
Da einer thet den andern dempffen,
Ghrüst zu roß inn feld oder schrancken.
Wer lag, der lag, an (on) alles zancken.
Zu fuß man auch der zeyt noch kempffet.
Gerüst eyner den andren dempffet
Inn drey wehren, schwerd, dolch und spieß,
Wo einer auff den andern stieß,
Verwundet oder gar umb-bracht.
Dergleichen man scharff und nackat facht,
Inn wamas, hembd, mit einem schilt.
Solchs als ist worden abgestilt,
Das solche kempff verbotten hat
Römisch kayserlich mayestat,
Maximilianus, der thewer,
Auß christenlicher liebe fewer
Als ein unchristenliche that.
Darauß denn kam gar viel unrath
An leyb und auch an seel groß schaden
Und hat mit freyheyt thun begnaden
Fechten, die ritterliche kunst,
Darzu er denn hat sunder gunst,
Das er auch kund zu guter maß,
Und hat privelegieret das,
Des die meister von der geschicht
Ein ordnung haben auffgericht,
Sanct Marxen bruderschafft genendt,
Inn tetutschem land yetz weyt erkendt.
Welcher will maister sein des schwerts
Inn diesem ritterlichen schertz,
Der selb in die herbst-meß allein
Ziech hin gen Franckfurt an den Main!
Alda wirt er examiniert,
Von den maystern des schwerts probiert,
In allen stückn hie unberürt,
Was eynem meister zu-gebürt,
Fechtens kunst den verborgnen kern,
Kan er des maisterlich bewern,
Als-denn man in zu maister schlecht,
Sanct Marxen bruderschafft entpfecht.
Nach dem mag er auch fechtschuln halten,
Auch schuler lehrn und verwalten
Inn allen ritterlichen wehrn,
Erstlich im langen schwerdt mit ehrn,
Messer, spieß und der stangen warten,
Im dollich und der hellen-parten,
Iedlichs nach art mit seynen stücken,
So mag in ehren im gelücken,
Wo er schul helt im gantzen reich,
In fürsten-stetten der-geleich,
Durch-auß im gantzen teutschen land.
Ich sprach: Wie sind die stück genandt,
Die man muß leren im anfang?
Er sprach: Der kunst zu eym eingang
Lehrt man öber- unnd under-haw,
Mittel und flügel-haw genaw,
Auch geschlossen und einfachen sturtz,
Den tritt darzu, auch lert man kurtz
Den bossen und ein auffheben,
Außgeng und nieder-setzen eben.
Ich bat: Lieber mayster, zeygt an!
Wie nendt man die stück vor dem man?
Er sprach: Ob ich dirs gleich thu nennen,
Kanst du die stück ons werck nicht kennen,
Weil du nit hast gelert die kunst.
Doch ich dir auß besunder gunst
Etlich hew und stück nennen will,
Die maisterlich sind und subtil.
Der zorn-haw und krump-haw (schaw!)
Zwerch-haw, schiller-haw, scheytlter-haw,
Wunder-versatzung und nach-raysen,
Uberlauff, durchwechsel etlich hayssen,
Schneiden, hawen, stich im winden,
Abschneyden, hengen und anbinden.
Die kunst helt in vier leger klug
Alber, tag, ochs und den pflug.
Noch sind der stück viel alle sander,
Das immer eynes bricht das ander.
Doch in dem alln ein fechter (merck!)
Auff die vier bloß, auff schwech und sterck
Der höchsten rhur all mal war nemb,
Sein zoren selber breche und zem.
Noch sind verhanden vil kampff-stück,
Wie man ein werffen sol an rück,
Bain-brüch, hodn-stöß und arm-brechen,
Mord-stöß finger-brüch, zum-gsicht-stechen.
Ich sprach: Ich bitt euch, sagt mir auch,
Weil kempffen nit mehr ist im brauch,
Was ist die kunst des fechtens nütz?
Er sprach: Deiner frag bin ich urdrütz.
Laß fechtn gleich nur ein kurtzweil sein,
Ist doch die kunst löblich und fein,
Adelich, wie stechn und thruniern,
Als sayten-spiel, singen, quintiern.
Vor frawen, rittern und vor knechten,
Wo man ein lustig spiegel-fechten
Ziert mit manchem artlichen sprung,
Das erfrewet noch alt und jung.
Auch macht fechten, wer es wol kan,
Hurtig und thetig ein jungen man,
Geschickt und rund, leicht und gering,
Gelenck, fertig zu allem ding,
gehen dem Feind bhertzt und unverzagt,
Dapffer und keck, ders manlich wagt,
Kün und großmütig in dem krieg,
Zu gewinnen lob, ehr und sieg,
Macht mit im keck ander wol hundert.
On not des fechtens kunst dich wundert,
Weil auch erlangt die ehrlich kunst
Bey fürstn und herrn gnad und gunst,
Provision und dienst alzeyt.
Auch wirt mancher fechter gefreyt
Von fürstn oder königklich mayestat,
Das er macht, schul zu halten, hat,
Samb er ein gschlagner mayster sey.
Mein freund, nun hast vermercket bey
Mit kurtzen worten gar genung
Der löblichen kunst uresprung,
In grosser wirrd gehalten lang,
Auch wie sie yetzund sey im gang,
Darmit manicher meister mehr
Erlanget gleich den alten ehr.
Das die kunst zu-nemb, plü und wachs
In ehr und preiß, das wünscht Hans Sachs.
Anno salutis 1545, am 25 tag Julii
Aus: Keller, Adelbert (Hrsg.): Hans Sachs: Werke. Band 4. Laupp, Tübingen 1870, S. 209-215.
Zur Biographie von Hans Sachs siehe Rettelbach, Johannes: Sachs Hans. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 22, Duncker & Humblot, Berlin 2005, S. 330–332.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen