Dienstag, 27. September 2011

Aus den Memoiren des Friedrich Freiherr von der Trenck: Die jungen Jahre

von Jan Schäfer

Friedrich Freiherr von der Trenck wurde 1727 in Neuhaldensleben als Sohn des Generalmajors Christoph Ehrenreich von der Trenck und dessen Frau Maria Charlotte von Derschau geboren. Als er 59 Jahre später seine Memoiren unter dem Titel „Des Friedrich Freiherrn von der Trenck merkwürdige Lebensgeschichte“ zu Papier brachte, konnte er darin auf ein ereignisreiches Leben zurückblicken. (vgl. zu seinem Leben neben seiner Autobiographie "Des Friedrich Freiherrn von der Trenck Merkwürdige Lebensgeschichte“, [Erstdruck in Leipzig bei Georg Emanuel Beer, 1787] auch Pallua-Gall, „ Trenck, Friedrich“, in: Allgemeine Deutsche Biographie 38 (1894), S. 568-569 [Onlinefassung])

Die Kindheitsjahre, die die ersten Seiten seiner Memoiren umfassen, sollen hier in Auszügen vorgestellt werden. Insbesondere die Absätze 3 und 7 des hier wiedergegebenen Auszugs aus seinen Memoiren sind interessant zu lesen, denn zum einen wird hierin das Fechten, Tanzen und Reiten als Vergnügen und Ausgleich zum Bücher-Studium dargestellt und um anderen werden in Absatz 7 lederummantelte Holzsäbel als Übungswaffen erwähnt.

„[...] Mein Temperament war sanguinisch-cholerisch und erst im 54. Jahre ward das Cholerische herrschend. Trieb nach Freuden und Leichtsinn waren folglich die angeborenen Fehler, welche meine Lehrer zu bekämpfen hatten; das Herz war biegsam, aber eine edle Wißbegierde, ein Nacheiferungsgeist, eine unruhige Arbeitsamkeit, ein bei allen Gelegenheiten angefächelter Ehrgeiz waren die Triebfedern, welche nach dem Entwurfe meines aufgeklärten Vaters einen brauchbaren Mann aus mir bilden sollten. Kaum war ich Jüngling, so keimte schon eine Art von Stolz in meiner Seele, welcher auf dem Gefühl des inneren Wertes Wurzel faßte. Ein einsichtsvoller Lehrmeister, welcher mich vom 6. bis in das 13. Jahr leitete, arbeitete aber unausgesetzt, um diesen empörenden Stolz in eine gemäßigte Eigenliebe zu verwandeln. Durch Gewohnheit, beständig mit Schulbüchern beschäftigt zu sein, durch Anfrischung, Erquickungsstunden und Lob ward mir die Arbeit ein Zeitvertreib, das Lernen eine Gewohnheit, und die strengste Erziehung eine ungefühlte Bürde.

Wenn ein Jüngling einen geduldigen und wirklich gelehrten Lehrer hat, der ihn zugleich liebt und Freude an seinem Unterricht findet, wenn dieser Jüngling vom sechsten bis in das dreizehnte Jahr täglich von fünf Uhr früh bis sieben Uhr abends zur Arbeit angehalten wird und zugleich einen leichten Begriff, einen gesunden Leib, einen forschenden Verstand und ein großes Gedächtnis mit einer regelmäßigen Organisation besitzt, wenn seine Lehrer ihn bei seiner Schwäche zu lenken und sein Feuer so anzufachen wissen, daß es keine Funken in wachsende Leidenschaften aussprühen kann, dann allein ist es möglich, daß der Schüler, so wie ich, schon im dreizehnten Jahre alle Schulstudien gründlich absolvieren und zu den höheren Wissenschaften auf Universitäten schreiten kann. Die ganze Geschichte hatte ich nicht nur buchstäblich, sondern mit aufgeklärter Anwendung im Kopfe, so im Kopfe, daß ich heute noch in meinem sechzigsten Lebensjahre, fast alle römischen Regenten und Kaiser, alle großen Männer und Gelehrten nennen und auch das Jahrhundert bestimmen kann, in dem sie lebten.

Mein Vater schonte kein Geld, wo Gelegenheit war, etwas zu lernen. Mit Fechten, Tanzen, Reiten und Voltigieren wurden meine Erquickungsstunden beschäftigt. Und wenn ich irgendwo müde wurde oder Ekel merken ließ, dann brauchte man mir nur versprechen, daß ich nach vollbrachter Lektion ein paar Stunden Vögel schießen, Fische fangen oder spazieren reiten durfte: so war im Augenblick alles gelernt, und Wonne und Freude verbreiteten sich bei der strengsten Kopfarbeit in meiner ganzen Seele.

Man blieb aber nicht allein bei den toten Büchern, die nur den Kopf anfüllen und den Gelehrten bilden, man arbeitete zugleich auf das Herz, auf das Sittliche und auf die moralischen Empfindungen des Jünglings.

Erholungsstunden durfte man mir wenig gestatten, denn überall waren Händel, wo ich mich einmischte. Und wo lustige Streiche gespielt wurden, wo man mit verkleideten Gespenstern das Gesinde schreckte, oder wo Zucker und Obst genascht wurden: da war Fritz gewiß der Urheber, allezeit aber sicher in Verdacht. Hierdurch übte ich mich in listigen Ausflüchten und geriet durch Notlügen auf den Geschmack, andern Leuten eine Nase zu drehen, auch die Wahrheit listig zu bemänteln, denn gegen Gewalt hilft am sichersten der Betrug.

Meine Lebhaftigkeit war unbegrenzt. Durch liebreiche Worte aber war alles von mir zu erhalten, wogegen mich Schläge und niedrige Handlungen empörten und halsstarrig machten. Die ganze Grundlage meiner Erziehung war demnach auf Ehrgeiz, Lob und Tadel gegründet. Und weil geschwinde Begriffe und unausgesetzte Arbeit mich früher klüger machten als alle Jünglinge, die ich zum Umgang fand, weil ich mich von allen Menschen loben und von vielen bewundert sah, so geriet ich unbemerkt aus der Eigenliebe in einen Stolz, in eine gewisse Menschenverachtung oder Tadelsucht, die mir bis zum grauen Haar angeklebt und mir viel Händel in der Welt verursacht hat.

Mein Vater war durchaus Soldat. Tapfer und ehrgeizig sollten alle seine drei Söhne werden. Wenn demnach einer den andern schimpfte oder beleidigte, so durften wir nicht mit den Haaren raufen. Es geschah eine förmliche Aufforderung mit hölzernen Säbeln, die mit Leder überzogen waren. Und der Alte sah lächelnd zu, wenn wir uns herumsäbelten, eben hierdurch aber in den Fehler gerieten, Händel zu suchen, um bei jedem Siege gepriesen zu werden. [...]“

Aus: Kapitel 1 der „Memoiren des Freiherrn von Trenck“ (Herausgegeben und mit einem Nachwort versehen von Dr. Walther Liebert, 1925)

Donnerstag, 8. September 2011

Fechtschulen für einen gefangenen Kurfürsten

von Jan Schäfer

Der kaiserliche Notar und spätere Bürgermeister von Stralsund Bartholomäus Sastrow (1) hinterließ eine umfangreiche Biographie seines Lebens. (2) Darin berichtet er auch von der Zeit nach dem Schmalkaldischen Krieg, als der Kurfürst Johann Friedrich I.  1546 (3) in kaiserlicher Gefangenschaft in Augsburg saß, aber dank vieler Freiheiten hohe höfische Gesellschafter empfangen, in die Stadt ausreiten und sich die Zeit mit Reitspielen, Schach, Büchern und dem Halten von Fechtschulen vertreiben durfte.

"Cap. II. Wan vnnd wie der Key. Mytt. einzug; wo die gefangenen Churfürst von Sachsen vnnd Landtgraue von Hessen gelassen, gehalten vnnd tractiret worden, vnnd die Key. Maytt. hawen vnnd vorfertigen ließ, das zum Gebrauch ernstlicher Straffe Miszhandlung (Anm. des Hg.: für: zum Gebrauch bei Ausuebung ernstlicher Strafen) dienlich.

Am Endes des Hewmonats ist die Key. Maytt. mit dem gantzen exercitu heran kommen; den Landtgrauen hat er mit eim Haufen Spannier zu Donauwerde gelassen, aber der gefangen Churfursten hettt er mit in Augszburg gebracht, vnnd furieren lassen in dem Welser Haus belegen am Weinmarkede, zwei Hauser von des Keysers Palast, vnnd dan ein kleines Gäszlein hart an meiner Herbergen; durch die Rebenheuser hette der Keyser brechen vnnd vber das Gäszlein eine Brugge legen lassen, das man aus des Keysers Losament in des Churfursten gehen konnte. Der Churfurst hett sein eigen Kuchen gehalten, auch seinen Cantzler Minkenitzen, vnnd sonst sein eigen Gesinde, so auf ihn gewartet, bei sich gehabt, so dasz die Spannier in seiner Stuben vnnd Schlafkammer nicht haben kommen mussen. Der Herzog von Alba und andere große Herren am kaiserlichen Hause, auch sonst, sein zu ihm ein und ausgegangen, haben mit freundlichem Gespräch, auch allerlei Kurzweil, ihm gute Gesellschaft geleitet; hatte im Hause seiner Herberge (so zwar herrlich und fürstmäßig gebaut und zugerichtet ist) einen Rennplatz, da sie über die Stangen gestochen; ihm ist erlaubt, in der Stadt an lustige Orte, zierlich mit sonderlicher Kunst zugerichtete Gärten (deren zu Augsburg ettliche sein) zu reiten; auch (dieweil er von Jugend auf Lust zum Fechten gehabt, und, als er jung und beruriger gewesen, auf allen Wehren gerne gefochten hat) ihm zugefallen, Fechtschulen zu halten, bestellen lassen, jedoch sein die spanischen Soldaten vor ihm gangen und gefolgt; ihm ist nicht gewert fast bis zum Ende des Reichstages (als er sich gewehrt, das Interim anzunehmen) Bücher, die er gewollt, zu lesen."(4)

Anmerkungen:
(1) Bartholomäus Sastrow; geboren  1520 in Greifswald, gestorben 1603 in Stralsund; zur Biographie siehe Pyl, Theodor: Sastrow, Bartholomäus. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 30, Duncker & Humblot, Leipzig 1890, S. 398–408.
(2) u.a. als Ausgabe von Mohnike, Gottlieb (Hrsg.): Bartholomäus Sastrowen Herkommen, Geburt und Lauff seines gantzen Lebens, auch was sich in dem Denckwerdiges zugetragen, so er mehrentheils selbst gesehen und gegenwärtig mit angehöret hat, von ihm selbst herausgegeben. Band 1-3. Universitäts-Buchhandlung, Greifswald 1823-24.
(3) Johann Friedrich I.; geboren 1503 in Torgau, gestorben 1554 in Weimar; siehe zur Biographie Klein, Thomas: Johann Friedrich (I.) der Großmütige. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 10, Duncker & Humblot, Berlin 1974. Hier auf einer Abbildung im sächsischen Stammbuch: SLUB Mscr.Dresd.R.3, Blatt 108r.
(4) zit. n. Mohnike, Gottlieb (Hrsg.): Bartholomäus Sastrowen Herkommen, Geburt und Lauff seines gantzen Lebens, auch was sich in dem Denckwerdiges zugetragen, so er mehrentheils selbst gesehen und gegenwärtig mit angehöret hat, von ihm selbst herausgegeben. Band 1-3. Universitäts-Buchhandlung, Greifswald 1823-24.

Literatur:

Das Sächsische Stammbuch - Mscr.Dresd.R.3. Sammlung von Bildnissen sächsischer Fürsten, mit gereimtem Text; aus der Zeit von 1500 – 1546. Sächsische Landes- und Universitätsbibliothek. Sammlung Handschriften Saxonica. Illustrator: Cranach, Lukas. [Digitalsat SLUB]

Klein, T.: Johann Friedrich (I.) der Großmütige. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 10, Duncker & Humblot 1974, S. 524 f.

Sastrow, B.: Bartholomäi Sastrowen Herkommen, Geburt und Lauff seines gantzen Lebens: auch was sich in dem Denckwerdiges zugetragen, so er mehrentheils selbst gesehen und gegenwärtig mit angehöret hat, Band 1-3. Herausgegeben von Gottlieb Mohnike. Verlag Universitäts-Buchhandlung 1823.

Mentz, G. (Hrsg.): Johann Friedrich der Grossmütige 1503–1554. Festschrift zum 400jährigen Geburtstage des Kurfürsten namens des Vereins für Thüringische Geschichte und Altertumskunde; Beiträge zur neueren Geschichte Thüringens, 1. Verlag G. Fischer 1903.