Montag, 25. August 2014

Swordsurfing goes Beta - Interview mit Marcus Hampel

Swordsurfing.com startete am vergangenen Samstag in die offene Betaphase. Alle Schwertsurfer können sich ab sofort registrieren, die Möglichkeiten der Plattform testen, sich verabreden, Übernachtungen anbieten und suchen. Wir sprachen mit Marcus Hampel über Verzögerungen, das Matching Profile, den Start der Vollversion und Pfeiferauchen.

Fechtgeschichte: Hallo Marcus. Das letzte mal haben wir im November 2012 über Swordsurfing gesprochen. (→ nachlesen). Wie hat sich das Projekt seitdem entwickelt?

Marcus Hampel: Langsam, aber gut. Wir hatten im Team einige Schwierigkeiten. Ohne ins Detail gehen zu wollen - die liebe Gesundheit hat das Projekt um gut ein dreiviertel Jahr verschoben. Ärgerlich, aber nicht änderbar. Ansonsten bin ich aber zufrieden. Die ursprünglich angedachten Features werden sich alle umsetzen lassen. Die Logik der Datenbank steht. Jetzt geht es an die Feineinstellungen.

Fechtgeschichte: Welche Features sind schon nutzbar?

Marcus Hampel: Die wichtigsten Features sind freigeschaltet. Das sind vor allem die drei persönlichen Profile “General Profile”, “Martial Profile” und “Hosting Profile”, mit denen die User über sich, ihre Waffe und die angebotene Übernachtungsmöglichkeit informieren können. Dann gibt es noch das “Open Profile”, das sich aus den Daten der drei Profilen ergibt, damit jeder User eine kleine Vorschau für andere User abgeben kann, ohne zu stark ins Detail zu gehen. Eine Suchfunktion und das Versenden von Nachrichten zwischen Usern sind ebenfalls bereits nutzbar.

Fechtgeschichte: Wie funktioniert Swordsurfing praktisch? Ich interessiere mich für eine spezielle Waffe und deren Fechtweise, bin reiselustig, habe Swordsurfing entdeckt und dann...?

Marcus Hampel: Die Idee hinter Swordsurfing ist es, Menschen zu treffen, die mit mir gemeinsame Interessen am Fechten teilen und bei diesen zu übernachten. An meinem Beispiel geschildert bedeutet dass, das ich mich für alles rund um den Säbel interessiere. Also würde ich über die Suchfunkion nach meinem Stichwort suchen. Finde ich dann jemanden, der auch Säbel trainiert, wäre das für mich der Grund, das lange Wochenende in einer Kleinstadt zu verbringen, die ich als Tourist niemals aufgesucht hätte. Ein zweites Beispiel. Ich bin auf einer Dienstreise, die am Freitag endet. Dann suche ich in Städten, die auf meinem Rückweg liegen, nach Schwertkämpfern. Und schon trainiere ich eine unbekannte Waffe in einer unbekannten Stadt mit unbekannten Leuten. Und auf beides habe ich Lust, daher Swordsurfing.com. In beiden Fällen ist die Übernachtung sozusagen der Bonus. Zum einen natürlich, wenn die eigene Kasse grade leer sein sollte. Aber man sollte die Übernachtung auch noch als etwas anderes sehen, nämlich als Extra-Zeit, um das Hobby gemeinsam zu genießen. Die interessantesten Gespräche ergeben sich nach meiner Erfahrung nach nämlich oftmals beim gemeinsamen Feierabend. Auf allen meinen Touren, egal ob durch Deutschland, Schweden oder Mexiko war das für mich der Grund, lieber familiär unterzukommen.

Fechtgeschichte: Und anders herum: Ich möchte meinen Wohnung für Swordsurfer zur Verfügung stellen. Kannst du bitte kurz erläutern, was ich Schritt für Schritt tun muss.

Marcus Hampel: Ganz einfache Sache. Du meldest Dich bei Swordsurfing.com an und füllst neben Deinem “Martial Profile”, welches Deine Waffenvorlieben zeigt, auch Dein “Hosting Profile” aus und zeigst dadurch an, dass Du Unterkunft zur Verfügung stellen kannst. Dabei ist es unerheblich, ob jemand sein Studentenzimmer und dazu eine Luftmatratze teilen möchte oder ein ganzes voll ausgestattetes Gästezimmer zur Verfügung stellt. In einer zukünftigen Ausbauphase von Swordsurfing.com wird man auch Übernachtungsmöglichkeiten an verschiedenen Orten einstellen können. Das ist zum Beispiel interessant, wenn ein Verein Hallenschlafplätze anbieten möchte. Klasse für Events, wenn wir diese Stufe des Ausbaus erreichen werden.

Fechtgeschichte: Wie viele User sind schon angemeldet?

Marcus Hampel: Stand heute sind es mehr als 50 User. Deutsche, Franzosen, Dänen, Amerikaner, Engländer, Spanier, Finnen und Mexikaner, die Langes Schwert, Dolch, Säbel, Ringen und Rapier trainieren. Sicherlich habe ich noch einige vergessen, aber da würde ich Interessierte bitten, sich selber im System umzuschauen. Einfach “%” in die Suche eingeben und alle Nutzer werden angezeigt.

Fechtgeschichte: Gibt es irgendwelche Feautures, die ihr nicht wie geplant realisieren konntet? Und andersherum, gibt es Funktionen, die ihr nicht auf eurer Liste hattet, aber im Entwicklungsprozess hinzugenommen habt?

Marcus Hampel: Es ist ein bisschen anders. So gibt es vor allem Features, die wir komplett anders bewerten mussten. Was so aussah, als wäre es einfach zu realisieren oder wichtig, musste zum Teil neu eingestuft werden. Zum Beispiel war das bei der Frage nach einem internen Messaging System der Fall: komplizierter, als gedacht und im Endeffekt nicht so wichtig, als das wir es hätten zum Show-Stopper werden lassen wollen. Wir haben uns dann dazu entschieden, das System Emails verschicken zu lassen, wenn Nachrichten zwischen Usern ausgetauscht werden sollen. Nicht hübsch, aber praktisch. An der zweiten Version feilen wir später. Ein Feature, das wir weit nach hinten gestellt haben, ist das “Matching Profile”.

Fechtgeschichte: Was ist das „Matching Profile“?

Marcus Hampel: Das wird ein Filter werden, den User dazu nutzen können, um fixe Ausschlusskriterien festlegen zu können, zum Beispiel um hinterlegen zu können, dass sie ausschließlich vegan leben. Das hört sich erst einmal sehr hart an, wird meiner Erfahrung nach aber wichtig werden, wenn Swordsurfing.com eine kritische Masse an Usern hat. Ich habe die Erfahrung auf anderen Übernachtungsplattformen gemacht, dass Wünsche des Gastgebers oder auch des Gastes rigoros nicht geachtet wurden. Die Frage nach Raucher oder Nichtraucher blieb ungeklärt, es meldeten sich Gruppen statt Einzelpersonen an oder auch Sportmuffel, obwohl man klar und deutlich geschrieben hat, dass Sport zum Programm gehören wird. Da hätte ich mir oft gewünscht, ich hätte sofort nach zum Beispiel Rauchern suchen bzw. sie blocken können. Und ich hätte mich auf der anderen Seite nicht durch etliche Nichtraucherprofile klicken müssen, wenn ich Abends gern zur Pfeife greifen möchte. Da liegt aber auch der Grund, warum das “Matching Profile” noch warten muss. Denn die aktuell fünfzig Profile kann man auch gut per Hand durchsuchen. Und Kommunikation geht klar vor Funktion. Also einfach fragen, wenn einen schlechten Schlaf hat oder ob man Nachts auch laut Musik hören darf. Alles andere, wie zum Beispiel SMS-Alarm, Kartenfunktionen, Terminkalender, etc. sind machbar, scheitern Stand heute aber an einer Sache, nämlich dem lieben Geld.

Fechtgeschichte: Die Crowdfunding-Kampagne ist beendet. Wie finanziert sich Swordsurfing weiterhin, um neue Ideen zu integrieren?

Marcus Hampel: Ja, das Crowdfunding endete vor anderthalb Jahren bei rund 50% der benötigten Summe. Wir hatten damals eine Funding-Seite gewählt, die Kampagnen mit einer Länge von 120 Tage zulässt und Beträge auch ausschüttet, wenn nicht die volle Summe erreicht ist. Das zur Hälfte eingespielte Geld wird nun nach Prioritäten ausgegeben. Da ich der Meinung bin, dass die Marke stimmen muss, wurden diese Kosten nach vorn gezogen. Nur so lässt sich Material wie Aufnäher, Visitenkarten, Aufkleber und andere Dinge gestalten, die im Verlauf weiterer Spendenaktionen gebraucht werden. Als nächstes stand Programmierung auf der Wunschliste. Hier mussten wir leider kürzen, da es uns wichtiger war, dass wir Serverkosten für fünf Jahre decken können, als alles in Features zu stecken und dann den Atem zu verlieren. Egal, was wir noch planen, ab jetzt werden alle Schritte nur sinnvoll sein, wenn im Hintergrund der Server läuft und die Nutzer die gelesenen Geschichten selbst nacherleben können. Und da sind wir auch beim Kern der Frage, wie es weitergehen soll. Also, im Grunde ganz einfach. Denn wenn Schwertinteressierte auf Swordsurfing.com Gleichgesinnte treffen können und ihnen das Freude bereitet, dann ist die Hoffnung nicht unbegründet, dass sie gern eine Spende tätigen werden. Manche werden es aus schierer Begeisterung, manche aus der Überlegung tun, dass sie mit Swordsurfing.com viel Geld gespart haben. Egal warum man gibt, davon kann dann zum einen weiter programmiert, zum anderen weiter der Betrieb aufrecht erhalten werden. Und wenn es richtig gut läuft und die Programmierer unter den Swordsurfern die Plattform mögen, wer weiß, vielleicht unterstützen sie uns dann unentgeltlich und helfen bei dem ein oder anderen aufwändigen Feature. Und wenn dadurch der Spaß für alle weiter steigt, dann könnte das zu weiterer Spendenfreudigkeit unter den Usern führen. Die Idee ist keine bloße Hoffnung, sondern ein überlegtes Szenario. Für Dinge, die man mag, zahlt man gern. Und ich arbeite daran, dass Swordsurfing.com zu den unterstützenswerten Dingen gehören wird.

Fechtgeschichte: Wann rechnest du mit dem Start der Vollversion von Swordsurfing.com?

Marcus Hampel: Swordsurfing.com ist am 1. März ins Alpha-Stadium und am 23. August ins Beta-Stadium gegangen. Wann wir den Schritt zur Vollversion wagen, ist weniger an Zeit als vielmehr Geld und damit Features festzumachen. Denn im Crowdfunding konnten nur 50% der benötigten Gelder beschafft werden. Das ist nicht weiter schlimm, denn ich bin weiterhin der Überzeugung, dass es weiteres Geld geben wird, wenn die User die Plattform mögen. Aber es macht es halt schwer den Zeitraum einzuschätzen, den es noch bis zur Vollversion braucht. Ich hoffe, dass es Mitte 2015 soweit sein wird.

Fechtgeschichte: Wie sieht dein Fazit bis hierhin aus?

Marcus Hampel: Ich wäre gern vor rund einem halben bis dreiviertel Jahr dort gewesen, wo wir heute erst sind. Wenn es nicht die Gesundheit gewesen wäre, dann wäre ich bitter enttäuscht. So habe ich aber einfach feststellen müssen, dass Wünsche zwar nett und wichtig, die Realität aber durchaus überraschend anders sein kann. Wie gesagt, in dem Sinne nicht schlimm, weil kein Schaden entstanden ist. Für alle anderen Erwartungen und natürlich ganz besonders die weiteren Planungen bin ich nun selbst verantwortlich. Das ist aber auch ein gutes Gefühl. Denn Ideen sind noch mehr als genug da.

Fechtgeschichte: Wie geht es jetzt weiter?

Marcus Hampel: Der Plan sieht für die kommenden Monate so aus, dass zwei Punkte entscheidend sein werden. Zum einen ist das die Zahl der User auf dem System. Ich hoffe, dass sich von den rund 850 Fans auf Facebook viele auf Swordsurfing.com registrieren. Zum anderen braucht es dann Erfolgsgeschichten. Das sind im Wesentlichen Berichte von erfolgreichen Treffen aller Art. So könnte zum Beispiel jemand eine Quelle mit einem gleichgesinnten Kollegen interpretiert haben oder eine Schwertkämpferin könnte auf einem Event bei einer Kollegin untergekommen sein. Das interessiert die User. Diese Geschichten werde ich sammeln und mit Fotos und Bericht online stellen. Wie man sich denken kann, hängen beide Größen eng miteinander zusammen. Auch gibt es einige bekannte und beliebte Instruktoren und Veranstaltungen, die Hilfe angeboten haben. Über einige andere Maßnahmen möchte ich aber in Hinblick auf eine gewisse Spannung jetzt noch nichts verraten. Nur soviel dazu, eine hoffentlich recht populäre Idee beinhaltet Aufnäher. Darauf bin ich ganz besonders gespannt, denn ich hoffe, es wird vielen Usern gefallen. Wie das genau funktionieren wird, wird dann auf Facebook und Google+ verraten. Dann wollen wir das Projekt erneut mit Transparenz versehen und Usermeinungen zu Features einholen. So hoffe ich in Kürze, die Frage stellen zu können, welches Feature wir mit den nächsten fünfhundert oder tausend Euro realisieren sollen. Was brauchen die User als nächstes, was können wir als nächstes realisieren, wird dann die zentrale Frage sein. Ansonsten sammeln wir natürlich Feedback zu offensichtlichen Fehlern, zu weiteren Ideen, zur Usability und zur Performance. Wir hoffen so auch mit kleinen Schritten große Zufriedenheit herstellen zu können.

Weitere Informationen:

Registrieren: www.swordsurfing.com

Dienstag, 19. August 2014

Der junge Weißkönig lernt fechten

von Jan Schäfer

Die im Folgenden vorgestellten Textpassagen aus dem Weißkönig stellen die literarisierte fechterische Ausbildung des zukünftigen Kaisers Maximilian I. (1) dar.  Die illustrierenden Holzschnitte zeigen den Weißkönig im Bloßfechten mit Schwert, Messer und Stange unter der Aufsicht eines Fechtmeisters, im Harnischfechten mit Tartsche und Pavese und im Harnischfechten mit Hellebarden. Das Rossfechten ist nicht bebildert.

Der Text

[Seite 92]

Wie der Weyß kunig, maisterlichen was, Ploß zufechten.

Der Jung weiß kunig, betrachtet auch in seiner Jugent, in Jme selbst, wie Jme gezimbet, vnd auch not were, das Er lernet in allerlay waffen fechten, vnd auf soelches, lernet Er in den Schwertern, stangen, kurtzen, vnd langen degen, Landßknechtspießen, drischln, Messern, vnd Tilitz, Ploß fechten, vnd begriff die maisterstuck, vnd den Rechten grunt, in kutzer zeit, vnd ubet sich in sonderhait vast damit, vnd ward daryn gar maisterlichn, vnd kunstlichen vnd kvnde die Waffen alle, gar wohl prauchen, nach seiner schicklichkait, vnd nach seiner sterckh, vnd damit man wissen mag, sein schicklichkait ploß zufechten, So hat Er als Er zu seinen Jarn kam, offtmals ainen starcken Landsknechtspieß genomen, vnd denselben spieß, von freyer handt, in ainem pam, zu zwayen stucken gestossen, das Jme kainer, nye nach mugen thun.


[Seite 93]

Wie der Jung Weyß kunig, auf Behamisch, vnd husaerisch, in Pafeßen, vnd taertschl, hat lernen fechten.

Alspaldt der Jung weiß kunig, das ploß fechten begriffen het, lernet Er zustvndtan zu fueß in der Behamischn pafesen, vnd zu Roß in dem hussarischn taertschlein, mit dem lantzl, mit dem Sebel, mit der Morthackn, vnd mit der wurfhacken, fechten, vnd keret darynnen auch gueten vleyss fur, vnd wurde daryn gar maisterlich, vnd erdacht in soelichem fechten, Newe schleg, vnd eingriff, die Er dann offt prauchet, vnd dardurch albegen seinen widertail uberwanndt, des sich dann die alten fechter, die in schimpf vnd Ernst gefochten heten, vast verwvndertn, seiner New erfindung, damit er Inen allen oblag, vnd in seinen Jaren kam Ime soelich fechten, das Er kvndt, in den atreiten zu grossem Nutz, dann wann das volkh, mit den pafesen, oder das volk mit den taertschlein, wider Ine in den streit zugen, so wisset er sein kriegsfolkh, darnach zu ordnen, das Er den veindtn, Irn vortail, den Sy mit den pafesen, vnd taertschlin prauchten, abnam vnd Sy in dem streit albegen schlueg.

[Seite 94]

Wie der Jung weiß kunig maisterlich was, gewappnet zu fechten.

Als nun der Jung weiß kunig, het gelernt ploß auch in den pafesen, vnnd taertschlin zufechten, beweget Er aus vil treffenlichen Ursachen, das Ime insonderhait not thun wurde, das Er kindet gewappnet fechten zu Roß vnd zu fueß, dann an ainem soelichem fechten, ist ainem grosmechtigen kunig, am maisten gelegen, vnd hueb an mit grossem Ernnstlichem vleiss zulernen, im harnasch gewappnet zu fechten, vnd anfenngklichen zu fueß im alspies, vnd in der helmparten, vnd darnach zu Roß mit dem Reitswert, vnd mit dem kurzen Reitdegen, Auch mit dem kolben, vnd Raißspieß, vnd warde darynnen gar maisterlichen vnd aus demselben fechten fandt Er dermassen Neue kampfsstuckh, das Er dardurch in allen kempfen, die Er gethan hat, albegen obgelegen ist, vnd in allen streiten wann gewappnet volckh wider Ine zoch, so wisset Er mit seinem kriegsfolk, dasselb gewappnet volkh, dermassen mit vortail anzugreifen, das er Sy  zertailet, vnd abtrib, Er hat auch in allen Ritterspilen, kempfen, vnd streiten, allen denen die mit Ime gefochten haben, Ire waffen zu Roß vnd zu fueß, durch sein schicklichait, vnd verporgen kampfsstuck, wissen zu nemen, vnd mit dem Raißspieß, den zu prauchen in schimpf vnd Ernst, hat Ime nyemands geleichen mugen.


[Seite 95]

Wie der Jung Weyß kunig, in allen Ritterspilen, Auch in Teutschen, vnd Welschen Stechen ubertreffenlichen was.

Nachdem nun der Jung weiß kunig, das fechten zu Roß vnd fueß genugsamlichen gelernt het, vnd darynnen mit den verporgen maisterstucken kunstlichen was, da hueb er darnach an, sich zu ueben, in den Ritterspilen, mit Rennen, vnd stechen, vnd befandt das ainer, der in den Ritterspilen, beruembt wolt werden, die Uebung mit den taten, vnd nit die lernung mit den werken, prauchen muesset, wie pald hat diser Jung kunig, aus seinem verstandt, den rechten grvndt der Ritterspil fur sich genomen, vnd sich auch also geuebt, vnd von dem Ringen, zu den sweren Riterspilen, gegriffen, vnd darynnen albegen den preiß behalten, vnd als Er, zu seiner Manssterk kam, da uebet Er sich in dem hochen zewg zu stechen, vnd ubertraf darynnen, alle ander, dann Er mit seiner schicklichait, den spieß selbs einleget. Er hat auch in seinen kunigreichn, am Ersten das stechen über die Schrannken aufpracht, dasselb Stechen Er, in ainer grossen zal getriben, volpracht, vnd darynnen albeg fur die andern, den preiß erstochen, Er hat auch, vnder den pvndten vilmal gerennt da, im treffen, baid Schilt, in die hoech sprungen, das dann lustig ist zu sehen, Aber sorglich zuthun, In demselben Rennen, hat Er sich aus freyer schicklichait, dermassen wissen zubehelfen, das Er darynnen albegen obgelegen ist, vnd oft ainem damit, ain Ritterlich hofstuck bewisen, hat auch alle ander gestech, vnd Rennen, die in der welt offenbar sein gewesen, Darzu alle ander Ritterspil, wie mans Erdennken hat mugen, getribn, auf teutsch vilmalen scharf gerent, auch oft Torniert, vnd Ernstliche kempf gethan, vnd wann Er Je ain zeit, mit den kriegen stil gestanden ist, so hat er an seinem hof, alle Ritterspil mit grossen frewden treiben lassn, vnd ist albegen, mit seiner personn, selbs darynnen gewest, sein kunigelicher hof, ist mit den Ritterspiln, in aller weit dermassen bekant gewest, das von vil kunigen vil fursten, Grafen, herrn vnd Ritter an des weißen kunigs hof gezogen sein, die dann albegen mit den Ritterspilen, durch den weißen kunig gewert, vnd ubersigt worden sein, dardurch ist zu mercken, dieweil der weiß kunig, als ain grosmechtiger herr, sovil vnd soeliche tapfere, vnd Ernstliche Ritterspil getriben hat, das Er sein Ritterliche handt, nach kuniglicher Eer gepoten, die Er dann in der menschen kunftign gedaechtnus mit grosser Eer Erlangt hat.

Anmerkungen

(1) Maximilian I.: Geboren 1459 in der Wiener Neustadt, König seit 1486, Kaiser seit 1508, gestorben 1519 in Wels; siehe zur Biographie: Wiesflecker, Hermann, „Maximilian I.“, in: Neue Deutsche Biographie 16. Duncker & Humblot, Berlin 1990, S. 458-471 [Online-Version].
(2) Vollständiger Titel: Der Weiß-Kunig: eine Erzählung von den Thaten Kaiser Maximilian des Ersten, herausgegeben aus dem Manuscripte der kaiserl. königl. Hofbibliothek von Marx Treitzsaurwein auf dessen Angeben zugetragen, nebst d. von Hannsen Burgmair dazu verfertigten Holzschnitten. Wien, 1775. [Digitalisat Universitätsbibliothek Heidelberg]

Mittwoch, 13. August 2014

Fecht- und Tanzschüler gratulieren dem sächsischen Kabinettsminister und Geheimen Rat Ernst Christoph, Grafen von Manteufel (1743)

von Jan Schäfer

Die Universität Leipzig feierte im Jahr 1743 zu Ehren Sr. Königl. Majest. in Pohlen und Churfuerstl. Durchlaucht Cabinetsministers und und wirklich geheimen Raths Ernst Christophs, Grafen von Manteufel (1) ein akademisches Fest, weil jener vor 50 Jahren in Leipzig sein Studium aufgenommen hatte und seither immer wieder als ein Förderer der Universität aufgetreten war. Bei Bernhard Christoph Breitkopf in Leipzig erschien im selben Jahr eine Verschriftlichung der Feier mit allen [...] Schriften, Reden und Gedichten unter dem Titel:
Beschreibung der akademischen Jubelfeyer Sr. Excellenz des Erlauchten und Hochgebohrnen Herrn Hrn. Ernst Christophs, des H. R. R. Grafen von Manteufel, Sr. Königl. Majest. in Pohlen und Churfuerstl. Durchlaucht Cabinetsministers und und wirklich geheimen Raths, wie auch des weißen Adlerordens Ritters, Starosten von Nowodwar, Erbherrn auf Kerstin, Kruckenbeck, Gandelin, Kruhne, Lauer, Goensdorf etc. nebst allen bey dieser Gelegenheit verfertigten Schriften, Reden und Gedichten. Leipzig, Breitkopf 1743. (2)

Unter die Gratulanten der akademischen Feier gesellten sich zu Professoren, ehemaligen und immatrikulierten Studenten auch die Vertreter zweier Fecht- und zweier Tanzböden aus Leipzig, die die körperlichen Exercitii der universitären Ausbildung repräsentierten: Schüler des Wolf'schen und Gellert'schen Fechtbodens und des Paschen'schen und Lieb'schen Tanzbodens.

Der Text
[Seite 28] […] Da Seine Hochreichsgraefl. Excellenz aber nicht allein ein großer Liebhaber und Befoerderer der freyen Kuenste und Wissenschaften sind; sondern auch alles dasjenige hoch schaetzen, was zu einer vollkommenen Erziehung gereichen, und die Jugend nur einiger maßen geschickt machen kann; ja sich selbst ehemals von allen diesen Sachen eine sonderbare Fertigkeit erworben haben: so sollte auch nicht allein die Universitaet und deren vornehmste Mitglieder, Seiner Excellenz ihr Vergnuegen an diesem Tage zu erkennen geben; sondern es wollte auch der Wolfische und Gellertische Fechtboden, so wie der Paschische und Liebichsche Tanzboden, als welche die vier vornehmsten Boeden allhier sind, an dessen Feyer Theil nehmen. Es waren diejenigen Herren vom Adel und Buergerstande, welche sich auf denselben ueben, eines geworden, Seiner Excellenz gleichfalls ihre Ehrfurcht zu bezeugen, und einige aus ihren Mitteln an Dieselben abzsuchicken. Diese

[Seite 29] Diese wurden nun, so wie sie sich nacheinander einstellten, zu Seiner Excellenz ins Zimmer gefuehret, da sie denn bey Denselben ihre Glueckwuensche ablegten

Von dem Fechtboden des Herrn Wolfs, der damals als Seine Excellenz sich vor 50 Jahren in dieser ritterlichen Uebung eine Fertigkeit erwarben, bey Dero lehrymeister Vorfechter gewesen, kamen

Herr Lieuten. Christoph Friedrich von Mihlendorf, Freyherr von Manteufel,
Herr Johann Friedrich von Ponickau,
Herr Detleff von Buchwald,
Herr Caspar Nicol. Siegmund von Debschuetz,
Herr M. Georg Zacharisa Winkler, nebst den beyden Soehnen des Herrn Fechtmeisters
Herrn Carl Friedrich Wolfen, und
Herrn Gottfried Lebrecht Wolfen.

Der Herr von Mihlendorf, welcher eben derjenige war, der gestern vor Seiner hochreichsgraefl. Excellenz die philosophischen Saetze verfochten hatte, redete Seine Excellenz folgendergestalt an:

Illustrissime Sacri Romani Imperii
Comes,
Domine ac Fautor gratiosissime, (3)

Dieses ist der glueckliche Tag, an welchem Ew. Hochreichsgraeflich. Excellenz, das erste Tageslicht erblickten; der Tag, sage ich, ist es, an welchem Dero hohen Eltern, ein geliebter Sohn, Dero Landesleuten eine Zierde, den Musen eine sichere Stuetze,

[Seite 30] Stuetze, den Koenigen und den Prinzen Trost und Vergnuegen, und die ungezweifelte Hoffnung der Glueckseligkeit dieser hohen Schule gebohren worden. Was haette uns wohl angenehmers, und erfreulichers begegnen koennen, als das Andekne ideses Tages mit aufrichtigem Gemuethe zu verehren, und das Vergnuegen, wovon schon alle Straßen dieser Stadt voll sind, aus Dero hohem Wohlseyn zu empfinden? Doch damit unsre Freude vollkommen sey; so sind es eben itzt 50 Jahre, da Ew. Hochreichsgraefliche Excellenz unter die Mitglieder der hiesigen hohen Schule aufgenommen worden. Es freuet sich dieser Musensitz wegen einer so besondern Begebenheit; er freuet sich, daß er einen aus seinen Mitteln mit allen Ehrenaemtern gekroent, nach 50 Jahren wiederum in seinen Schoß aufnehmen, und durch dessen Gegenwart seinen Glanz, und sein Ansehen vermehren kann. Es freuet sich auch diese studirende Jugend, welche dem Fechten oblieget, und deren Lehrmeister Wolf, sonst unter einem Fechtmeister mit Ihnen zu fechten die Gnade gehabt hat; und sie hat es mir insbesondere aufgetragen, Ew. Hochreichsgraefl. Excellenz in ihrem namen an diesem tage Glueck zu wuenschen. Ich habe diese Bemuehung um so viel freudiger uebernommen, indem ich dadurch zugleich eine Gelegenheit

[Seite 31] heit erhalte, mein erkenntliches Gemuethe gegen Ew. Hochreichsgraefl. Excellenz oeffentlich an den Tag zu legen. Es haben Dieselben alle Besorgung meiner Erziehung uebernommen, mich mit vielen Wohlthaten ueberhaeuft, und begnadigt, so daß man wenig finden wird, was Denenselben ich nicht zu danken haette. Ew. Hochreichsgraefl. Excellenz sind es, die mir einen freyen Zutritt zu allen Wissenschaften verschaffen; Denenselben habe ich es zu danken, daß ich auf dieser hohen Schule bin; Sie haben mir endlich die usnchaetzbare Gnade Sr. Koenigl. Maj. von Polen, und Chrufuerstl. Durchlauchtigkeit zu Sachsen erworben, daß ich, nach Erlernung erforderlicher Wissenschaften, unter diesem so maechtigen Koenige, die Waffen tragen kann. Sie sind es, Hochwohlgebohrner Herr Hofrath von Walther, welcher in dem Namen St. Koeniglichen Majestaet, hierhergekommen sind, und welcher von uns ewig verehret werden wird; Sie sind es, sage ich, durch welchen ich hoffe, daß dieser großmaechtige und allergnaedigste Koenig die heißen Wuensche, welche ich fuer sein hohes Wohlseyn gen Himmel schicke, erfahren wird.
Ihnen aber, Erlauchter, Hochgebohrner Reichsgraf, uebergebe ich mich gaenzlich; keine, auch nicht die allerspaetesten Zeiten, werden das Andenken solcher Wohlthaten jemals

[Seite 32] jemal bey mir zu verloeschen im Stande seyn. Der gnaedige Gott lasse Dero Wohl dauerhaft seyn, damit so wohl ganz Europa von Dero weisen Rathschluessen, als auch die Verehrer der Wahrheiten und der freyen Kuenste, von Dero nachdruecklichem Beystande die reichsten Fruechte einsammeln moegen! Es erhalte der Beherrscher aller Dinge Ew. Hochreichsgraefl. Excellenz, damit diese studierende Jugend noch lange zeit ein treffliches Beyspiel der Ehre, des Verstandes, und der Tugend vor Augen habe, dessen ruehmlichen Fußstapfen sie nacheifern koenne, ob sie es gleich Ew. Hochreichsgraefl. Excellenz so gluecklich schwerlich nachthun wird. Es ist nichts mehr uebrig, als Ew. Hochreichsgraefl. Excellenz noch unterthaenigst zu bitten, daß Dieselben die Gnade, welche Sie uns bisher gewuerdiget haben, noch bestaendig fort dauren, und diese meine kleine Anrede sich in Gnaden gefallen lassen.

Hierauf traten die Abgeordneten von des Herrn Tanzmeisters Paschens Boden (4) ins Zimmer, dessen Vater ehemals Seiner Hochreichsgraeflichen Excellenz zu einer geschickten Leibesstellung Anweisung gegeben. Es waren solche:

Herr Hauptmann, Graf von Keiserling,
Herr Hanns Heinrich von Hohberg,
Herr Johann Friedrich von Ponickau,
Herr Christian Ludwig Stieglitz, aus Leipzig,
Herr Carl Ernst Winkler, aus Leipzig,

Herr

[Seite 33] Herr Jacob Heinrich Weise, aus Dreßden, und
Herr Johann Christian Lehmann, aus Dresßden.

Der Herr von Hohberg fuehrte in ihrem Namen folgender maßen das Wort:

Das Vergnuegen, welches den heutigen Tag begleitet, druecket sich bey unsrer hohen Schule so allgemein aus, als Eurer Excellenz Gnade fuer dieselbe groß ist. Ich will nicht von den besonderen Vorzuegen reden, welche diejenige bey Eurer Excellenz genießen, unter denen die Wissenschaften hoeher steigen. Nein! davon moegen unsere Lehrer, und alle die großen Gelehrten, die Leipzig Ehre machen, sprechen. Ich will hier nur anfuehren, daß auch diejenigen, die erst die Anfangsgruende in denen Wissenschaften, dadurch sich jene groß gemacht haben, lernen, so viel Gnade von Eur. Excellenz empfangen haben, daß sie an Dero akademischem Jubelfeste und der Erneuerung jenes gluecklichen Tages, der der Welt einen so großen Staatsminister und den Musen einen so gnaedigen Beschuetzer geschenket, auch ihre Freude ausbrechen lassen wollen; weil ihnen nur dieser Weg offen steht, sich der Gnade und Hochachtung, sie sie von Eur. Excellenz genießen, einigermaßen wuerdig zu machen. Sie haben sich deswegen heute in verschiedene Haufen zertheilet, und lassen etliche in ihrem namen reden, weil ein Mund ihnen viel zu wenig scheint, das Wohl und die Glueckseligkeiten auszudruecken, die ihre Herzen Eur. Excellenz anwuenschen. Hiervon hat eine Gesellschaft, die sich bemuehet, durch eine edele Stellung des Leibes und durch ein ungezwungenes und freymuethiges Wesen, den Geschicklichkeiten des Geistes ein desto annehmlicheres Ansehen zu geben, gegenwaertige Herren an Eure Excellenz abgeschicket, von dem Vergnuegen, das sie alle empfinden, zu zeugen, und mir die Ehre gegeben, davon zu reden. Sie schmeicheln sich, daß Eure Excellenz diesen schwachen Ausdruck der Freude, von der ihre Herzen voll sind, eben so gnaedig aufnehmen werden, als Dieselben die oeffentlichen proben ihrer Leibesuebungen zu unterschiedenen malen Dero hohen Gegenwart gewuerdiget. Ließe nur der Himmel seine Rathschlusse durch unsre Wuensche brechen: so wurde Eurer Excellenz unschaetzbares Leben wenigstens so dauerhaft seyn, als Kuenste und Wissenschaften unter dem glorreichen Zepter der Wittekinder hier bluehen werden. Wir hoffen aber odch ganz ungezweifelt, daß Leipzig, ja die ganze gelehrte Welt, noch lange Jahre die Fruechte von Eur. Excellenz Gnade einerndten koennen; und wir nehmen uns insbesondere die Freyheit,

[Seite 34] heur, Eure Excellenz um Dero Gnade auch auf das Kuenftige zu bitten. Ich aber, gnaediger Herr, mache mir daraus eine ganz besondere Ehre, daß ich mich bey einer so angenehmen Gelegenheit das erstemal Eurer Excellenz vorstellen kann, weil ich hoffe, daß Dero Gnade und Großmuth die Fehler eines ungeuebten Redners von der allgemeinen Freude desto eher bedecken lassen wird.

Nach diesen fanden sich ein:
Herr Christoph Ernst von Globig,
Herr Julius Friedrich von Hartitzsch,
Herr Gottlieb Adolph Sonnenkalb, aus Naumburg, und
Herr Matthias Holst, aus Riga in Liefland.

Diese waren von dem Tanzboden des Herrn Liebichs abgeordnet, und der Herr von Globig machte Seiner Excellenz folgendes Compliment:

Eure Hochreichsgraefl. Excellenz erlauben gnaedigst, daß wir diejenige Ehrfurcht hier unterthaenigst zu erkennen geben, welche unser Tanzmeister Liebich und alle seine Scholaren heute, nebst vielen andern, bey sich empfinden. Hierzu treibt uns unsere Pflicht an, vermoege der wird, an Eur. Hochreichsgraefl. Excellenz hohem Geburths= und akademischen Jubelfeste, unsern Glueckwunsch unterthaenigst abstatten sollen. Erreichet derselbe seinen Endzweck: so werden sich, auch noch viele Jahre, die aufrichtigsten Freudenbezeugungen über Eur. Excellenz und Dero hohen Hauses Flor aeußern; und wir werden es fuer das groeßte Glueck achten, wenn wir Eur. Hochreichsgraefl. Excellenz Gnade versichert seyn koennen, zu der wir uns hier unterthaenigst empfehlen.

Herauf erschienen von denen Herren, welche sich unter des Herrn Gellerts Anweisung im Fechten ueben:

Herr Friedrich Gottlieb von Holzendorf,
Herr georg Wolf Erasmus von Hartitzsch,
Herr August Christian Heinrich von Koenitz,
Herr Carl Siegmund Kazowski,
Herr Gottfried Ludwig Beyer, aus Dreßden, und
Herr Joh. Andreas Brinkmann, aus Leipzig

Da

[Seite 35] Da denn der Herr von Holzendorf Seine Excellenz auf diese Art anredete:

Erlauchter Reichsgraf,
Gnaediger Herr,

So groß und allgemein der Ruhm ist, welchen sich Eure Hochreichsgraefliche Excellenz so wurerdig erworben haben; so groß und allgemein ist auch, bey diesem erfreuten und seltenen Feste, das Vergnuegen, in aller derjenigen Herzen, welche der Tugend Glueck, und der Weisheit Belohnung goennen. Es ist mir aufgetragen worden, Eurer Hochreichsgraeflichen Excellenz, im Namen derjenigen studirenden Jugend, welche sich auf dem Gelelrtschen Fechtboden, in den ritterliche Uebungen geschickt machet, und von welcher mich gegenwaertig einige begleiten, diese allgemeine Freude, besonders und gehorsamst zu bezeugen: und ich habe das Glueck, Dieselben unterthaenigst zu versichern, daß es uns allen die angenehmste und wichtigste Uebung seyn werde, Deroselben hohen Werth als ein ausnehmendes Muster zu erkennen und zu verehren, und ihm das groeste Glueck und die vollkommenste Belohnung zu wuenschen.

Seine Hochreichsgraefliche Excellenz beantworteten diese Complimente insgesamt sehr gnaedig, und bezeugten einer jeden Gesellschaft von diesen abgeordneten Herren insbesondere, wie sehr Sie von ihren Glueckwuenschen geruehret worden; und was fuer ein Vergnuegen Sie eingenommen haette, daß dieselben an Dero Feyer dieses Tages mit so liebreichen Herzen haetten Theil nehmen wollen. Nachdem sich also diese Herren mit der Versicherung einer beharrlichen Gnade von Seiner Excellenz wiederum zurueck begeben: So nahte sich ein hieselbst studierender Vetter Seiner Excellenz, Herr Joachim Ernst von Manteufel, welcher Dieselben, wie auch den Koeniglichen Herrn Commissarium, zur Anhoerung einer Rede einlud, die er in dem philosophischen Hoersaale, zur Verherrlichung dieses Tages, und zum Lobe Seiner Excellenz, halten wollte. [...]

Anmerkungen:

(1) Ernst Christoph von Manteuffel (1676-1749), siehe Flathe, Heinrich Theodor, „Manteuffel, Ernst Christoph“, in: Allgemeine Deutsche Biographie (1884), S. 256-257 [Onlinefassung]
(2) Digitalisat einsehbar bei [Slub Dresden].
(3) Der Text ist im Original zweispaltig in Latein und Deutsch abgedruckt. Für die vorliegende Transkription wurde nur der deutsche Text übertragen.
(4) Es handelt sich hier höchstwahrscheinlich um einen Sohn von Johann Paschen (1653-1710), der den Tanzboden seines Vaters weiterführte. Johann Paschen war Tanzmeister in Leipzig und Autor der „Beschreibung wahrer Tanzkunst“ (1707). Vgl. Thesaurus sowie Petermann, Kurt (Hrsg.): Johann Paschens Beschreibung wahrer Tanz-Kunst. Zentralantiquariat, Leipzig 1981.

Samstag, 2. August 2014

Das Fechtbuch des Nicolai Giganti in der deutschen Zetter-Ausgabe von 1644

von Jan Schäfer

Der erste Band des Fechtbuchs von Nicoletto (auch Nicolettus oder Nicolai) Giganti zu Rapier allein und Rapier und Dolch erschien ursprünglich 1606 in Venedig. (1) Der in Frankfurt lebende Buchhändler und Verleger Jacobi de Zetter gab diesen Text 1619(?), 1622(?) und später noch einmal 1644 (2) in parallel französischer und deutscher Sprache heraus. Wer die Übersetzungen angefertigt hat, ist nicht bekannt. Es hat einen Umfang von 58 Seiten und ist mit den 42 kupfergestochenen Figurenpaaren des 1606-Originals illustriert. Leider sind bei der vorliegenden Ausgabe weder Titelblatt noch Vorwort enthalten. (3)
Ein "Zweites Buch der Fechtkunst" hat der Verleger Zetter direkt angefügt. Es handelt sich dabei um eine Übersetzung des zweiten Buches von Salvatore Fabris aus dem Jahr 1606. (4) Dieser Teil ist nicht Bestandteil der nachfolgenden Transkription.

Der Text 'Fechtkunst'

Zur Bearbeitung des Textes
  • Der Text wurde buchstaben-, zeichen- und seitengetreu transkribiert.
  • Es fand nur die deutsche, nicht aber die französische Übersetzung Beachtung.
  • Die Abkürzungszeichen des Druckers wurden aufgelöst (z.B. 'dē' zu 'den').
  • Alle Seiten des Texts sind auf das jeweilige Original des Digitalisats der HAB verlinkt.

Hinweise zu den Giganti-Übersetzungen aus dem 17. Jahrhundert

In den Übersetzungen von 1619, 1622 und 1644, die beim Verleger Zetter erschienen, sind die italienischen Fachbegriffe des Originals fast ausnahmslos ins Deutsche übertragen worden.

Einige Übersetzungen:
  • 'Caua/Cava', 'cauare/cavare' wurde zu 'drehen' oder 'wenden', insbes. im Zusammenhang mit einer Bewegung des Rapiers
  • 'Coltellata' oder 'Riverso' wurde zu 'Hau' oder 'Zwergstreich'
  • 'Contracavatione' wurde zu 'Gegendrehung'
  • 'Contragvardie' wurde zu 'Gegenhuth'
  • 'Distantia' wurde zu 'Distanz'
  • 'Ferir' wurde zu 'Streich'
  • 'Finta' wird zu 'Ficta/ficta/Fictam'
  • 'Gvardie' wurde zu 'Huth'
  • 'Inquartata' wurde zu 'Inquartada'
  • 'Misura' wurde zu 'Maß'
  • 'Muovere' wurde zu 'drehen' oder 'wenden', insbes. im Zusammenhang mit der Bewegung des Körpers, u.a. eine Ausnahme ist die "Drehung des Leibs" auf Seite 23, die im ital. Original "Scanso di Vita" lautet
  • 'Parare' wurde zu 'versetzen', 'abkehren' oder 'abwehren'
  • 'Passata' wurde zu 'Fortruckung'
  • 'Postvre' wurde zu 'Stellung'
  • 'Spada sola' wurde zu 'Rapier'
  • 'Stoccata', 'Punta' wurde zu 'Stich'
  • 'Stringere' wurde zu 'an Gegentheil zu setzen, anzusetzen'
  • 'Tempo' wurde zu 'Zeit'
  • 'Voltare' wurde zu 'drehen' oder 'wenden' insbes. im Zusammenhang mit einer Bewegung der Faust

Der Text
[Seite 1] Fechtschul:

Darinnen angezeiget wie man auff vnterschiedlich weisen das Rapier allein / oder beneben dem Dolchen beydes zum außschlagen vnnd zum treffen / gebrauchen soll.

D

Nicolai Gigantis von Venedig

Von Huthen vnd Gegenhuthen.

Welcher sich der Profession der Wissenschafft der Waffen will annehmen / muss vieler Sachen gute Wissenschafft haben. Darumb ich auch zum Anfang dieser meiner Lectionen / erstlich von den Huthen vnd Gegenhuthen will nach notthurfft handeln (Es seynd aber dieses nichts anderes als die Stellungen vnd Gegenstellungen des Rapiers) wie denn dieses das erst ist / daß man in einem zufaͤlligen Streit / soll vnnd muß in achtung nehmen / auff daß man fuͤr des Gegentheils Wehren sicher sey. Wenn man sich aber recht will in die Huth legen / muss man viel ding fleissig in acht nehmen / wie denn in nachfolgenden Figuren gnugsam zu sehen. Nemlich daß man die Fuͤß, welche die basis vnnd das Fundament des gantzen Leibs seynd / fest stelle: in einem gebuͤhrlichen Schrit halte / ehe kurz als zu lang auff das man ihn mehren koͤn=
ne

[Seite 2] ne / dz Rapier vnnd den Dolchen fest in der Hand halten / bald hoch bald nider / bald außgestrecket: dz Rapier sonderlich bald hoch / bald nider / bald auff die rechte Seite / bald auff die lincke / wie es denn die Gelegenheit ein Streich ab zukehren / oder zu thun geben moͤchte / also dz wann der Gegentheil einen Stich / oder einen Haw thete man ihn abkehren vnd gleich mit in einer Zeit treffen koͤnne: mit einer hurtigen vnd gewissen Stellung des Leibs. Dann solte es an Hurtigkeit vnd gewißheit der Stellung fehlen / so wuͤrdt es den Feind leicht in eine Vnordnung bringen / entweder durch ein zwerchen / oder einen stracken Hieb / oder durch einen Stich oder irgendt auf eine andere weise / dz ob man ihn schon wolte abkehren oder außschlagen / so blieb man doch allzeit in der gefahr. Vnd muss man dahin bedacht sein / dz der Dolchen allezeit auff des Gegentheils Rapier sehe / den Streich welchen der Gegentheil wolte thun auff zufangen: dz Rapier aber soll auff dz entbloͤste Theil des gemelden Gegentheils gerichtet sein / also dz wann man einen Streich fuͤhret / er damit getroffen werde / darinnen denn die ganze Kunst dieser Profession bestehet. Darnach muss man auch mercken dz alle bewegungen des Rapiers Huthen seind / dem der sie recht kan erkennen / vnd dz alle Huthen gut vnd dienlich seynd / dem der sie recht weiß zugebrauchen: hergegen aber dient kein bewegen zur Huth dem / der sich nit darauf verstehet: wie sie dem auch nit dienet, der jrer nit weiß zugebrauchen.
Diese Profession erfordert nichts anders als Wissenschafft vnd Vbung / vnd kompt gemelde Wissenschafft aus der Vbung vnd ist eine Kunst dz man sich bloß in die Huth kan legen / welches zu diesem ende geschihet / dz der Gegentheil verlocket / sich mit Gefahr wage einen Streich zu thun. So ist es auch eine Kunst / sich in eine bedeckte Huth zu legen / also dz man ohne Gefahr an Gegentheil setzen / vnd ihn treffen koͤnne darauß man abzunehmen / dz alle Huth dem nutzlich ist / der sie verstehet: vnd den nichts hilfft / so deren keinen verstand hat / vnd dieses von der Huth.
Die Gegenhuth belangend: Jst zu mercken daß der so diese Profession recht verstehet / sich nimmer auff die Huth wirdt legen / sondern sich befleissen daß er sich in der Gegenhuth verhalte. Sich aber in die Gegenhuth zulegen / muß man in acht nemmen das man ausser dem maß / dz ist in der Weite halte / mit dem Rapier vnnd Dolchen in der hoͤhe / den Leib fest vnnd in steifen vnnd gewissen Schritt /
darnach

[Seite 3] darnach muß man des Gegentheils Huth bedenken / vnnd allgemach mit dem Rapier an ihn setzen / doch daß man fuͤr seinem versichert sey: nemlich daß man das Rapier auff Gegentheils Rapier halte / vnd es also decke / daß er keinen Streich thun kan er wende es dann / dessen dieses die Vrsach ist: daß wann er sein Rapier wendet / bringt er zweyerley Zeit zu: die Wendung fuͤr sich selbst / welche die erste Zeit: darnach der Streich: welches die andere ist / vnd vnder dessen daß er es wendet / kan er auf vielerhand weise beschaͤdiget werden (wie man in den Figuren dieses meines Buchs sehen wird) ehe er die zeit hat gemelten Streich zufuͤhren / wenn er sich aber auß der Huth in die Gegenhuth begibt: so muß man jhm mit vorgehaltener Wehr nachfolgen vnd sich allzeit vor seinem Rapier versichern / mit der lenge des Dolchens: also das man jhn in der ersten Zeit der wendung seines Rapiers erreiche / vnd er seinen Streich ander als in zwoen Zeiten fuͤhren koͤnne / fuͤr welchen man sich leichtlich versehen kan / welches von Huthen vnd gegenhuthen gnug sey.

Von der Zeit vnd dem Maß.

Zum recht vnd wohl abkehren vnd schlagen / ist es nicht gnug / daß man sich wohl wisse auf die Huth zu legen / oder einen Stich / Haw oder Zwerghaw thun / oder einlauffen vnd dem Gegentheil die Haͤnde binden: sondern dieses wird darzu erfordert / nemlich daß man sich wol auf die Zeit vnd auff das Maß verstehe / vnnd welcher sich darauff nicht verstehet / wiewol er außschlegt / vnd wie hurtig er zuschlaegt / von dem kan man doch nit sagen / dass er wohl außschlagen vnd schlagen koͤnne: Sintemal er beydes im abkehren / vnd im schlagen manchen Fehler kan begehen / dardurch er in tausenderley gefahr moechte gerathen.
Demnach ich derhalben von der Huth vnd Gegenhuth gnugsamen Bericht gethan / erfordert es die notthurfft daß ich auch von der Zeit handele / auff daß man sich so wol in dem abkehren als auch in dem schlagen wisse zurichten.
Durch das Maß verstehet ein solches spacium oder distantz darin man den Gegentheil koͤnne erreichen / vnd wenn man so weit davon
stehet

[Seite 4] stehet / daß man jhn nicht erreichen kan / so nennet man es / sich ausser dem maß halten.
Die Zeit versteht man auff nachfolgende weise. Wenn der Gegentheil in der Hut ligt / so muß man sich ausser dem Maß halten / vnd in seiner eignen Huth sich mit seiner Wehr fuer Gegentheils Rapier versichern / vnd vnder dessen gute achtung darauff geben / was er thun koͤnne oder woͤlte.
Wenn er die Hand wendet / so ist es eine Zeit darin er kan geschlagen werden: Endert er die Huth / so ist auch die Enderung eine Zeit: wendet er sich / so ist es abermals eine Zeit: Nahet er herbey auff daß er in das maß komme / so ist auch solches herbey rucken / ehe er dahin kompt eine Zeit darinnen er kan geschlagen werden. Fuͤhret er einen Streich es sey zum Stechen oder zum Hawen / so ist es abermals eine Zeit darin man abkehren vnd schlagen kan auff ein mahl: ligt er in der Huth vnd wartet / so ist es eine Zeit darin man auff jhn rucket / vnd innerhalb dem maß jhn antrifft da er sich entbloͤsset. Mit einem wordt: alle bewegung des Dolchens / des Rapiers / des Fusses / vnd des Leibs / als wenn man sich in die Huth leget / ist eine Zeit / deren man zum vortheil gebrauchen kan. Dann in solchen bewegungen finden sich gewisse interuella oder Zeiten / in welchen der Gegentheil also auffgehalten wird / dz er vnder dessen ohne zweiffel kann vbereilet werden. Dann in dem er sich beweget, kan er nicht schlagen. Vnd dieses ist beydes das Maß vnd die Zeit darauff man sich wol muß verstehen / wenn man recht abkehren vnnd schlagen will / wie in folgenden Lectionen vnd Figuren klaͤrlicher soll gezeiget werden.

[Fig: 1.]

[Seite 5] Wie der Stich zufuͤhren.
Figur 1.

Demnach bißhero gnugsam von den Huthen vnd Gegnhuthen / Maß vnd Zeit gehandelt worden / ist es noͤthig / daß man auch wisse wie man den Leib stellen soll / daß man einen Stich geben vnnd sich also bald saluieren koͤnne. Denn wer diese Kunst recht will lernen / der muss zu forderst wissen / wie er den Leib stellen / vnnd einen Stich in die weite geben soll / wie man ihn bey gefuͤgter Figuren sihet. Denn hierin bestehet auch das meiste / daß man nemlich einen Stich in die Lenge / vnnd geschwind geben / vnnd sich wider auß dem maß zu ruck ziehen koenne. Wenn man nun einen Stich in die Lenge geben will / so stellet man sich in einem gewissen festen Schritt / ehe kurtz als zu lang / daß man in mehren koͤnne / vnnd im Stich den Arm mit dem Rapier hinauß strecken mit gebogenem Knie so viel als muͤglich / vnnd ist dieses die rechte manier einen Stich zu geben daß nach dem man sich verhuthet / man den Arm vnnd den Leib in einer Zeit herfuͤhr thue / daß man den Gegentheil erreiche er er sichs versihet. Dann wann man den Leib zuerst wolte herfuͤr thun, wuͤrde es der Gegentheil gewahr / vnd koͤnte die Zeit zu seinem Vortheil nehmen / daß er miteinander abkehre vnd schluͤge.
Jm zu ruck ziehen / muß man den Anfang mit dem Kopff machen / dann wann man denselbigen zucket / so folget der gantze Leib / danach zeucht man auch den Fuß hindersich. Dann wann man erst den Fuß wolte zu ruck ziehen / so wuͤrde der Kopff vnnd der Leib nit ohne Gefahr dafornen bleiben.
Wenn man derhalben die Wissenschafft recht will fassen / so muss man sich wol auf diesen Stich vben / vnnnd wenn man denselbigen wol gelernet / wird man daß vbrige leichtlich begreiffen / wie auch im Gegentheil / wenn man diesen nicht kan / wirdt man sich im vberigen vergeblich bemuͤhen / welches denn die Vrsach ist / guͤnstiger Leser daß ich ihn in folgenden Lectionen offt widerumb auff die Bahn bringe /
noch

[Seite 6] noch dem es die Gelegenheit erfordert / damit man denselbigen in seinen vielfaͤltigen Vnderscheiden desto besser verstehe / vnnd nit von noͤhten sey / daß man mir vorwerffe das ich ein Ding ohne Vrsach zu offt widerhole.

Warvmb der Autor den Anfang an dem Rapier mache.

Demnach ich mir vorgenommen in diesem ersten Buch allein von zweyerley Waffen zu handeln / nemlich vom Rapier allein / oder vom Rapier vnd Dolchen mit einander; hab ich woͤllen den Anfang an dem Rapier machen / dieweil es das gemeinste vnnd braͤuchlichste Waffen ist: vnd die Tractation von andern Waffen / in andere Buͤchern / welche / geliebts Gott / in kurtzen sollen publicirt werden / versparen / vnnd welcher auch wol weiß mit dem Rapier vmbzugehen / der wird auch leichtlich verstehen / wie er alle andere Waffen anzugreifen / vnd sich damit behelffen soll. Dieweil aber der Dolchen vnd der Buckler oder Schild nicht vberal gebraͤuchlich / ja es sich offter mahl zutraͤgt / das man sich vnversehens mit dem Rapier allein behelffen muss / will ich alle Liebhaber dieser Kunst ermahnet haben / dass sie vor allen dingen lernen / wie sie das Rapier allein recht gebrauchen sollen wie wol sie sonsten wuͤsten / daß sie in allen vorfallenden Streitien den Dolchen vnd Schild haben koͤnten / auff daß (wie es den wol geschehen kan) wenn jhnen der Dolch oder Schild auß der Hand fiele / sie sich mit dem Rapier allein behelfen koͤnnen.
Beneben dem daß welcher / das Rapier allein wol weiß zu gebrauchen / eben so viel beydes im abkehren vnd schlagen / damit wird außrichten / als wenn er den Dolchen dabey hette.

[Fig: 2.]

[Fig: 3.]

[Seite 7] Von Huthen / oder Stellungen.
Figur 2 vnd 3.

Es seynd vielerlei Huthen in dem Rapier allein / wie auch nicht wenig Gegenhuthen. Jn diesem Buch aber will ich nur zweyerley Huthen vnd Gegenhuthen zeigen / deren man in allen den andern Lectionen / so in diesem Buch sollen vorgestellet werden / soll zu erinnern haben. Ehe jhr derhalben ewer vornehmen ins Werk richtet / solt jhr allgemach an den Gegentheil ausser dem Maß ansetzen / vnnd euch fuͤr seinem Rapier versichern / in dem jhr das ewrige allezeit auff seins haltet / dass er keinen Streich fuͤhren koͤnne / er brauche dann zwo Zeiten darzu / nemlich daß er die Wehr drehe / welches die eine / vnd den Streich fuͤhre / welches die andere Zeit ist / vnd solt euch also gegen seine Huth legen / sie sey hoch oder nider / wie ihr sehen vnd befinden werdet / dz er sich darin leget vnd helt / vnd sollt euch allezeit fuͤrsehen dz jhr dem Gegentheil keine gelegenheit noch anlaß gebet, / dz er euch in einer Zeit allein schlagen koͤnne / welches jr erhalten werdet / wann jr darfuͤr seydt / daß sein Rapier strack auff ewren Leib zu stehe / dz er euch wenn er sich schnell herfuer thete erreichen koͤnte. Solt derhalben sein Rapier allezeit mit dem ewrigen decken / wie jhr in beygestelter Figur sehet / also dz sein Rapier von euch abstehe vnd euch nicht erreichen koͤnne / es werde dan gewendet. Allda jr euch auff den Fuͤssen gewiß vnd mit dem Leib fest solt halten / den Arm auch mit dem Rapier steiff vnd stark fuͤr euch herauß halten / dz jhr da es die notthurfft erfordert auff einmal abkehren vnd schlagen koͤnt / wie in der Figur zu sehen. Findet jr den Gegentheil in einer hohen oder nideren Huth / vnd setzet auch nicht darwider in die Gegenhuth / vnd versichert euch auch nit fuͤr seinem Rapier / so wuͤrdet jr euch in grosse Gefahr setzen / wann schon der Gegentheil beedes in Wissenschafft vnnd in der Vbung geringer were als jhr: dann jhr moͤgtet auff einander stossen vnnd euch beyde verwunden: oder koͤnte er euch auffhalten / oder in gehorsam bringen / durch ficten oder Wendungen seines Rapiers / oder durch andere mittel die er moͤchte fuͤr die Hand nehmen. Wenn jhr aber fuͤr seinem Rapier / wie droben vermeldet versichert / so wird er sich nicht regen / oder nichts ver-
richten

[Seite 8] richten koͤnnen / daß jhr sein nicht gewahr werdet vnnd gnugsame Zeit habet euch zum besten zu reparieren.
Diese Figuren zeigen zwo Huthen mit vorgewendeten Wehren / vnd zwo Gegenhuthen darin die Rapier von einander gedecket werden. die eine geschicht daß man inwendig an Gegentheil ansetze / die andere aber das man ihn von aussen hero suche / wie jhr in den Figuren sehet / vnnd in folgenden Lectionen weiter soll gezeiget werden.

[Fig: 4.]

[Seite 9] Declaratio wie man einen Streich mit der Zeit fuͤhret.
Figur 4.

Diese Figur lehrt wie man den Gegentheil soll schlagen vnder dessen daß er sein Rapier wendet zu welchem ende dann man ausser dem Maß an ihn setzet: vnd haltet ewer Rapier auff das seine / inwartz wie jhr in der Figur der ersten Huth sehet / so wird er nicht schlagen koͤnnen / er wende dann zuvor sein Rapier. Alsdann eben in derselbigen Zeit da er es wendet euch zuschlagen / solt jhr ewer Rapier herfuͤr thun / vnnd die Faust gleich mit wenden / so werdet jhr jhn in das Angesicht treffen / wie man in der Figuren sihet. Vnd wann er vielleicht zu erst wolte auß schlagen / vnd darnach schlagen / so wuͤrde es auch schwerlich gelingen / sintemal der Gegentheil gnugsame Zeit wuͤrde haben sich zuverwahren vnd bliebet jhr in der Gefahr. Wann jhr aber eben in der Zeit da er sein Rapier drehet an jhn setzet mit ewerem / vnd drehet die Faust damit jhr ihn abkehret / so wird er sich schwerlich verhuthen koͤnnen.
Wann jhr dieses gethan / es sey gleich der Gegentheil getroffen oder nicht / so solt jhr also bald euch zuverhuͤthen zuruck weichen ausser dem Maß / vnd ewer Rapier auff Gegentheils Rapier halten / vnd dasselbige mit nichten verlassen.
Wuerde aber vielleicht der Gegentheil sein Rapier nicht wenden euch zuschlagen: so will ich daß jhr solt an ihn setzen innerhalb dem Maß / vnd jhm einen Stich geben da er sich entbloͤsset / vnd euch also bald widerrumb zuruck thut / vnd vnder dessen nicht vergesset / wie gemelt / ewer Rapier auff Gegentheils Rapier zuhalten.

[Seite 10] Die rechte weise an Gegentheil zu setzen vnd jhn zu treffen indem er sein Rapier wendet.
Figur 5.

Lernet auß dieser Figur / wie jhr / wann der Gegentheil in einer Huth lege mit seinem Rapier auff der lincken Seiten / hoch oder nider / jhr im solt zusetzen / außwendig seines Rapier vnd ausser dem Maß: nemlich also daß jhr ewer Rapier auff das seine haltet / doch daß sie kaum einander beruͤhren / in einem rechten vnd festen Schrit / vnd haltet ewer Rapier fertig beides zum abkehren vnd zum schlagen mit einem wackeren Aug / wie jhr in der zweiten Figur der Huth vnd Gegenhuth sehet / vnd wann jhr euch auff solche weise haltet / so kan euch der Gegentheil mit der Spitzen nicht zukommen / es sey dann daß er sein Rapier drehe / vnd in dem er drehet / so wendet jhr auch die Faust / vnd auch gleich einen Stich auff jhn in einer Zeit / wie jhr dann bey der vierdten Figur seyd berichtet worden / vnd wann jhr gemelden Stich gethan habet / solt jhr euch also bald vnd auch in einer Zeit zu ruck vnd ausser dem Maß begeben / vnd gleichwol ewer Rapier auff Gegentheils Rapier ruhen lassen auff daß wann er widervmb wolte drehen / jhr jhm auch widervmb den vorigen Stich mit wendung der Faust / wie zuvor bieten koͤnt / vnd euch auch widervmb ausser dem Maß zu ruck thun / vnd so offt als er drehen wird / so offt solt jhr wie gemeldet die Faust wenden vnd auff jhn zu stechen.
Dieses Spiel recht zu treiben / muß man sich fleissig vben / als auff der rechten Manier dardurch man lernet wie man hurtig vnd in grosser Geschwindigkeit beydes abkehren vnd schlagen soll / vnder dessen muß man zusehen / daß man fest vnd gewiß stehe / die Abkehrung mit gnugsamer stercke / auff der stercke seines Rapiers thue. Dann wann Gegentheil einen starken Streich fuͤhret / vnd jhr kehret jhn mit gleicher
staͤrcke

[Fig: 5.]

[Seite 11] Staͤrcke ab / so verschlaͤgt er sich also dz jr jhn leichtlich treffen werdet da er sich entbloͤsset / vnd soll dieses die erste Lection sein / die man auff dem Rapier allein soll lernen / als auß welcher alle die andern so in diesem Buch verfasset herfliessen: vnd wann jhr dieselbigen recht vnnd in der Zeit gebrauchet / so koͤnt jhr alle Haw vnd Stich so gegen dem Haupt gehen leichtlich abkehren / wie hernachmbls in folgenden Lectionen weiter soll gezeiget werden.

Die rechte Weise das Rapier zu wenden.

In beyden vorher gesetzten Figuren hab ich gezeiget wie man den Gegentheil soll schlagen in dem er sein Rapier wendet. Damit aber in diesen meinen Lectionen nichts befunden werde das nicht mehr als gnug erklaͤret sey: so will ich auch die weise zeigen / wie man das Rapier recht vnd ohne Gefahr wenden oder drehen soll. Merket derhalben: wann ewer Gegentheil in einer Huth ligt / die sey gleich wie sie woͤlle / vnd jhr auff ihn angesetzet / so solt jhr jhm vnerschrocken einen Stich bieten gegen dem Ort da jhr jhn entbloͤset findet / vnd ist er euch gleich / oder so wol in dieser Wissenschafft gevbet als jr / so werdet jr euch auch allezeit in gleichen Rapieren finden damit jhr jm aber vorkommet / will ich / daß jhr alsdann ewer Rapier mit einem drehen vnder das Gefaͤß des Gegentheils Rapier bringet: nemlich also dz jhr ewere Faust geschwind wendet / vnd jhm gleich in einer Zeit den Stich bietet / gegen dem Ort den jr entbloͤst sehet. Welches dann die beste vnd sicherste weise ist / daß man das Rapier wenden vnd gleich mit schlagen kan in einer Zeit. Wann jr aber ewere Wehr also wendet / daß jhr die Faust nicht auch mit wendet / so gebet jhr dem Gegentheil Zeit vnnd gelegenheit euch zuschlagen / wie jhr dann solches gewißlich in der Probierung vnnd fleissigen Vbung befinden werdet. Wuͤrde aber der Gegentheil abkehren / so solt jhr ewer Wehr auch widervmb auff vorgemelte weise / nemlich daß jhr die Faust mit wendet / drehen / vnd den Stich bieten welches jhr so offt solt thun als er wird abkehren / welches dann auff das leichste kann geschehen / vnd ist auch am sichersten / daß jhr
eben

[Seite 12] eben in der Zeit da jr wendet / den Stich bietet. Es ist auch diese Weise zu wenden nicht weniger noͤthig als die so ich in der declaration der vorhergehenden Figur von dem abkehren gezeiget hab: wie es dann das vornembste ist das im Rapier allein erfordert wird. Erinnere derhalben alle Liebhaber dieser Kunst / dz sie sich in diesen beyden fleissig vben / auff daß wann sie gegen dem Feind in dem Maß stehen / sie zu rechter Zeit koͤnnen wenden vnnd abkehren / wie es die notthurfft erfordert.

Vom Gegendrehen inwendig des Rapiers.
Figur 6.

In dieser Figur lehre vnd zeige ich eine andere Art abzukehren vnnd zuschlagen / durch die Gegenwendung oder Drehung welche auff nachfolgende weise zu werck gehet: daß wann jhr des Gegentheils Rapier also gedecket / daß wann er schlagen will / er zu vor muß wenden: alsdann will ich daß in dem er wendet / jhr auch mit wendet / also das ewer Rapier widerum an seine vorige Stelle komme / vnd allezeit Gegentheils Rapier decke. Im wenden aber / solt jhr der Zeit gebrauchen vnd jhm gegen dem entbloͤsten Ort den Stich bieten / alda jhr den Leib ein wenig auff die rechte Seite lencket / vnd den Arm also außgestrecket behaltet / dz wo er einlieffe vnd euch schlagen wolte / er sich selbst in ewerem Rapier verwunde. Nachdem jhr aber den Stich gebotten / solt jhr euch widervmb zuruck vnd ausser dem Maß begeben.

[Fig: 6.]

[Fig: 7.]

[Seite 13] Von der Gegendrehung außwendig deß Rapiers.
Figur 7.

Diese Art den Streich zufuͤhren durch die Gegendrehung so außwendig des Rapiers geschiehet / ist der vorigen da man inwendig gegen dem Feind drehet fast gleich: vnd hat nur diesen vnderscheid daß wann der Gegentheil in der Huth ligt / vnd auf euch ansetzet: so must jhr euch ausser dem Maß in die Gegenhuth legen / vnd euch also fuͤr seinem Rapier von aussen her versichern / daß er sich zum drehen resoluieren muͤsse. Alsdann in dem er wendet / solt jhr auch eben in derselbigen Zeit wenden / vnd die Hand also mit drehen / daß die Spitze ewers Rapiers vnder seins komme / alda jhr dann mit außgestrecktem Arm vnd gantzem Leib euch auff ewer Rapier legen / vnnd mit gemehrtem Schrit nachsetzen / wie jhr in der Figuren sehet / so werdet jhr ihn ohne zweifel treffen ehe er es gewahr wirdt daß er abkehren moͤchte.
Dieses aber muͤsst jhr hiebey in acht nehmen / daß wann der Gegentheil einen starken Ansatz thut vnd jhr drehen woͤlt: jhr euch im Drehen zuruck begebet / daß er euch mit seinem Rapier nicht erreiche vnnd jhr sicher seyd: benben dem / daß Gegentheil / so mit gewalt ansetzet / sich auß seinem Vortheil begeben / alß daß entweder er sich selbst in ewerem Rapier verletze / oder euch gnugsame gelegenheit gebe jhn zu schlagen wohin jr woͤllet / doch must jhr wol bedencken daß jhr sein Rapier allezeit außwendig ewers Leibs haltet / daß jhr nicht davon getroffen werdet.

[Seite 14] Erklaͤrung der Ficten Vnd Erstlich da man sich lest sehen als wolte man Rapier vnd die Faust mit einander drehen.
Figur 8.

Es seynd vnderschiedliche weisen zu schlagen / derhalben werden auch meine Lectiones vnderschiedlich seyn. Doch soll niemandt daraufff warten / daß ich alles vorbringe was in dieser Profeßion kan geschehen: dann wie dieselbige Faͤlle gleichsam vnendlich / also wuerde auch mein Buch dermaßen aufffwachsen / daß der Leser mehr beschwerung als Bericht daraus befuͤnde. Will derhalben also verfahren das ich nur die Stuͤcklein fuͤrnehme / so meines erachtens am schoͤnsten / kuͤnstlichsten vnd nutzesten seynd: auß welchen hernach andere / so leichter vnnd geringer seynd entstehen.
Vnder allen Weisen aber kuͤnstlich zuschlagen ist die Ficta, wie mich beduncket / die fuͤrtrefflichste / dieselbige ist nichts anders / als dz man sich anlaße als wolte man ein ding thun / vnnd tut also baldt ein anders / welches aufff vnderschiedliche weisen geschiehet. Will derhalben / das jr euch fest stellet / etwas auff die rechte seyte / mit außgestrecktem Rapier vnd Arm / damit jhr Gegentheiln vervrsachet an euch zu setzen / vnd wann er zu euch in des Maß kommen / so sehet ob er mit stehendem Fuß oder im Schritt vermeint zu schlagen: welches jhr leichtlich an dem drehen seynes Rapiers werdet vermerken: Alsdann solt jhr auch ewer Rapier mit der Faust wenden vnd euch anlaßen / als woltet jhr jm einen Stich in das Angesicht geben. Jhr muͤßet aber den Streich etwas abwegs von seynem Rapier fuͤhren / auff dz er ewer Rapier nicht antreffe: vnnd wann Gegentheil nit außschlaͤgt / moͤcht jhr resolut fortfahren / so werdet jhr ihn gewiß treffen. Schlegt er aber aus / so sollt jhr also bald ewer
Rapier

[Fig: 8.]

[Seite 15] Rapier widerumb wenden / vnd jhm nachtrucken / wie jhr in dieser Figur sehet / darin sich der Gegentheil vnversehens selbst verletzet. Sehet euch aber wol fuͤr daß Gegentheil in gemeldtem drehen ewer Rapier nicht antreffe: Dann es wuͤrde euch ewer vornehmen nicht angehen: vnd daß jhr im drehen / den Kopff vnd den Leib etwas zu ruck ziehet / vnd sehet was Gegentheil moͤchte vorhaben. Dann solte er auch stoßen / vnd jhr wichet nicht zu ruck / so moͤchte jhr also auffeinander geraten / das jhr beyde verwundet wuͤrdet. Weiter muß man auch in acht nehmen / daß man mit strackem Rapier gegen des Gegentheils Rapier kehre / vnd den Stoß etwas ubersich fuͤhre / daß man auff die flaͤche des Rapiers des Gegentheils komme vnd dz man so bald / als der Streich es sey gleich in einer ficta oder resolut, geschehen / widerumb zu ruck vnd ausser dem Maß weiche sich zu verwahren.
Die Ficta geschihet auff diese Weise. Erstlich beut man die Spitze gegen des Gegenteils Angesicht oder Brust / mit ausgestrecktem Arm vnd vnbewegtem Schritt / vnd wann sich der Gegentheil vnderstehet abzukehren / so wendet jhr also bald ewer Rapier / vnd drucket demselbigen mit fortgesetztem Schrit nach / allda jhr ihn treffe ehe er es gewahr wihrd.
Schlaͤgt er aber nicht auß / so sollt jhr eweren Schritt fortsetzen / vnd ihn schlagen vnd dieses ist die Weise mit einer Ficta zuschlagen.
Die zwei nachfolgenden Figuren seynd zwar einander fast gleich / ist aber doch ein vnderscheid darzwischen / vnd zeigen zweyerley Arten zu fingieren / darin man gleichwol auff einerley Weise schlegt / vnd ob es schon gnug waͤre gewesen / wann ich nur eine gesetzet hette. Darvber man allerhand discuriren / vnd vnderschiedliche Ficten zeigen koͤnte: so habe ich doch zu mehrer Erklaͤrung solcher Ficten / derselben zwo wollen hiehero setzen / so am meisten vnderschieden seynd / wie jhr in der declaration sehen werdet.

[Seite 16] Wie man mit dem Rapier allein innerhalb dem Maß / vnd gleich im Rapier in die Brust schlegt.
Figur 9.

In gegenwaͤrtiger Figur wird fuͤrgestellet eine kuͤnstliche Art den Gegentheil in die Brust zutreffen / vnd sich also fuͤr seinem Rapier zu verwahren / daß er euch weder verhindern noch verletzen kan wann jhr herzu ruckt jhm den Streich zu geben / vnd gehet an auff nachfolgende weise. Jhr mußt euch in die Huth legen / vnd das Rapier auff der Linken Seyten bieten / vnd so als dann Gegentheil an euch setzet vnnd sich vnderstehet ewer Rapier mit dem seynen zu decken / so laßt ihn herzu kommen / biß er mit euch in dem Maß stehet / alsdann drehet ewer Rapier das inwartz des seinen komme / vnd dem Angesicht des Gegentheils die Spitze biete: vnd wann er nit abkehret so laßt sie frei hinan gehen / daß wie droben gesagt worden / ewer Rapier strack gegen des Gegentheils Rapier herstreiche mit gewendentem Stoß / vnd dem Leib ein wenig in die querre gelencket. Wann aber Gegentheil / in dem jhr ewere Rapier drehet / wolte mit einander abkehren vnd schlagen / so sollt jhr an euch halten / vnd die Spitze ewers Rapiers etwas außwartz kehren / vnd eben in der Zeit / darin er kehren vnd schlagen will / wendet ewer Rapier vnder Gegentheils Gefeß / also daß es die Spitze gegen desselbigen Brust biete / allda jhr jhn auch gewißlich werdet treffen / wann jhr den Schrit fortan setzet mit ewerem Rapier / wie jhr in der Figur sehet.
Dabei jhr must in acht nehmen daß jhr das Rapie in einerley Zeit drehet vnd wider drehet / das ist / daß jhr es nicht stillhaltet / auff das es der Gegentheil nicht antreffen koͤnne: vnd indem er fort rucket sollt ihr euch auch außwartz gegen ihm thun vnd die Hand auff seynes Rapiers Kreuz werfen / allda jr diesen Effect werdet befinden nemlich / daß ihr jhm die macht benehmt euch zuschlagen / vnd werdet jhr jhn doch schlagen koͤnnen wie vnd wo es euch gefaͤllig ist.

[Fig: 9.]

[Fig: 10.]

[Seite 17] Von Fortruckung mit einer ficta in der Distantz.
Figur 10.

Dieses ist eine kuͤnstliche Art auff den Gegentheil zurucken / daß er dessen sich nicht versehe / vnd ist sehr hoch zu halten / von wegen der Wirckung die sie mit sich bringet / wie man dann in gegenwertiger Figur kan sehen / darinn man siehet wie man mit einer ficta fortrucket / vnd den Gegentheil unversehens schlegt. Sie geschiehet auff nachfolgende Weise: Jhr must in acht nehmen in was Huth sich Gegentheil leget / vnd wann er sich darinnen helt / so solt jhr auff ihn ansetzen auch in ewerer Huth / vnnd die Spitz ewers Rapiers gegen seinem Gesicht bieten: vnnd wann jhr euch bey nahe in dem Maß befindet / vnd sehet das er ewer stillstehend wartet / so solt jhr einen steiffen Stich auff seyn Gesicht zu thun / allda jhr den Effekt der sibenden Figur verrichten werdet / vnd wann er nicht stark abkehret / so habt jhr den Effekt der achten Figur / vnd beduͤrfft keiner andern Ficten / kehret er aber ab / so findet jhr euch gleich im Rapier: solt euch derhalben alsobald widervmb zuruck thun außer dem Maß vnd euch widerumb in die vorige Huth legen / vnd wann jhr widerumb beynahe in dem Maß seyd: solt jhr euch widerumb anlassen als woltet jhr einen Stich gegen dem Gesicht bieten / vnd in dem er denselbigen abkehret / solt jhr mit der Faust also drehen / das die Spitze eweres Rapiers vnder des Gegentheils Gefeß komme / vnd dahin bedacht seyn dz jhr seyn Rapier von ewerem Leib abhaltet. Rucket also schnell fort vnd laßt ewer Rapier auff Gegentheils Gefeß hergehen / thut auch die linke Hand herbey / vnd leget dieselbige auff gemeldes Gefeß / auff das er euch nit einen Zwerchstreich damit in das Gesicht gebe / so werdet jhr in ohne zweiffel treffen / ehe er sich dessen versiehet. Darnach solt jhr ausser dem Maß zuruck springen / vnd ewer Rapier inwarts des Gegenth. Rapiers legen vnd euch auff vorgezeigte Weise versehen / oder Gegentheils Ra=
pier

[Seite 18] pier vndersich stossen vnd jhm zween oder drey geschwinde Stich geben / die er nicht wird koennen abkehren.

Von fortrucken mit einer ficta auff der Spitzen des Rapiers.

Dieses ist eine andere Art einer Drehung vnd Ficten / so nit so sehr braͤuchlich / vnd hat doch eben die operation so in beyden vorher gesetzeten Figuren gezeiget worden. Geschiehet aber auff nachfolgende weise. Man muß sich in die Huth legen / mit vorgesetztem Rapier auff der linken Seiten / vnd ausgestrecktem Arm so viel muͤglich / vnd laßt also den Gegentheil auff vorgemelte Weise an euch setzen / wann er aber zu euch in dz Maß kompt / so wendet ewer Rapier auff seines Rapieres Spitze: vnd wann jhr sehet das er nicht abkehret / so solt jhr den Streich lassen fortgehen / wie zuvor gemeldet worden / da jhr auch keiner anderen Ficten beduͤrfft / wird er aber außschlagen / so must jhr ewer Rapier nicht still halten / sondern dasselbige vnder Gegentheils Gefeß drehen / vnnd auff vorgemeldte Weise fortrucken / so trefft jhr jhn gewiß in die Brust: vnd begebet euch hernach zuruck / wie auch gnugsam angezeiget worden.

[Fig: 11.]

[Seite 19] Von der ficta in der Distantz daß man das Angesicht treffe.
Figur 11.

Diese Ficta ist von der vorigen nirgends in vnderschieden / als das jehne vnder Gegentheils Gefeß / diese aber vber demselbigen jhre Drehung verrichtet / auff daß sie gemelten Gegentheil in dem Gesicht erreichen moͤge: vnd wann ein solcher Stich wirdt abgewendet / so nennet man jhn eine Fictam: wird er aber nicht abgekehret so bleibt er resolut. Sonsten braucht man gleiche Huth / gleiche Distanz / gleiche Maß / vnd wird auch beydes der Leib vnd das Rapier wie in der vorigen gestellet: wie in der Figur zu sehen / vnd zeucht man auch auff gleiche Weise nach gethanem Stich zuruck. Das fuͤrnehmste aber hierin ist / daß man die Ficten auff das natuͤrlichste richte / das sie nicht von einem resoluten Streich zu vnderscheiden / vnd geschiehet auff nachfolgende Weise: Man wendet (zum Exempel) die Spitze in die hoͤhe / außwendig gegen dem Gesicht / vnd im fortsetzen so mit gemelder Spitzen geschihet / biß man vnder Gegentheils Gefeß komme / muß man es also machen / das man im drehen entweder das Gesicht oder die Brust treffe / vnd wird diese fuͤr die natuͤrlichste ficta gehalten / doch soll man keine Ficten brauchen / man sehe dann daß Gegentheil zum Streich resolut sey: dann sonst moͤchtet jhr euch beyde verletzen / da jhr vielleicht auch moͤchtet den kurtzesten ziehen.

[Seite 20] Wie man einen Streich recht soll thun / in dem das Gegentheil einen Haw thut.
Figur 12.

Diese Figur zeiget, wie man der Zeit soll wahrnehmen / daß man Gegentheiln einen Stich ins Angesicht gebe / wann er euch vermeint einen Haw auff den Kopff zuthun / vnnd jhn treffen / in dem er den Streich zucket vnnd seyn Rapier noch in der Lufft hat / ehe es kan hervnder kommen. Solches geschiehet auff nachfolgende Weise: Nach dem jhr euch nach ewerem gefallen in die Huth gelegt / solt jhr auff Gegentheil ansetzen / vnd so euch derselbige nach / dem jhr ins Maß kommen / wolte einen Haw auff den Kopff geben / solt jhr in dem er zucket / der Zeit gebrauchen / vnd jhm einen Stich geben / in das Angesicht / allda jhr jhn ohne zweiffel treffen werdet / dieweil sein Rapier noch in der hoͤhe schwebet / wie jhr in der Figur sehet Jhr muͤst aber den Stoß vbersich fuͤhren / das auch ewer Rapier vbersich gehe / vnnd den Arm etwas vbersich heben / also das jhr eweren Kopff mit ewerem Gefeß decket / auff das Gegentheils Rapier im sinken euch bedeckt finde / vnd keinen Schaden thun koͤnne.
Vnder dessen mercket daß solcher Stich gar geschwindt muß geschehen / dann sonsten moͤchte Gegentheil versetzen / vnd euch schlagen. Nach gegebenem Stich aber solt jhr euch widervmb zuruck begeben / mit ewerem Rapier bedecken / vnnd euch fuͤr Gegentheils Rapier verwahren.
Jch habe in diesem Buch nit alle Weisen einen Hau abzukehren / deren mancherley seynd / fuͤrstellen wollen: sondern setze nur diese allein / als welche meinem beduͤncken nach die nuͤtzlichste vnd bequemste ist / dabey man die Zeit kan erkennen / vnd dieselbige gebrauchen / wie es in allen Zufaͤllen noͤhtig ist.

[Fig: 12.]

[Fig: 13.]

[Seite 21] Wie man mit der Wehr allein mit beeden Haͤnden vor gewiß schlagen soll.
Figur 13.

Diese Figur zeiget wie man den Gegentheil gewiß soll treffen / daß er nit außchlagen koͤnne. Geschiehet aber auff zweyerley weise. Erstlich mußt jhr gelegenheit suchen das jhr mit jhm in gleich Rapier kompt / vnnd das ewere außwendig halten. Alsdann bietet die Spitz gegen seinem Gesicht / vnd so er nicht wol vnnd mit gewalt versetzet so doͤrfft jhr frei fort rucken / wie jhr in der vierden Figur sehet. Schlaͤgt er aber stark auß / solt jhr den lincken Fuß fortsetzen / vnd die lincke Hand auff ewer Rapier legen / vnnd also mit gewalt beyder Haende gegen seine Brust fortstossen / vnd ewer Gefeß nider halten / wie jhr in der Figur sehet / da in acht zu nehmen daß alles in einer Zeit geschehen muß.
Darnach fuͤr die andere Weise: Wann jhr euch auff vorgemeldte Huth gelegt / doch daß das Rapier inwendig sey: will ich das jhr das Rapier wendet als woltet jhr außwendig ansetzen / vnnd in dem jhr es wendet / die lincke Handt daraufff leget vnnd mit gewalt Gegentheils Rapier auff die Seite außschlaget / vnnd da es gewichen / den lincken Fuß geschwindt fortsetzet / wie jhr in der Figur sehet. damit aber dieser Streich wol abgehe / muͤßt jhr in acht nehmen / daß alle diese Stuͤck / nemlich das Rapier drehen / die Hand daraufff legen / Gegentheils Rapier außschlagen / vnd den lincken Fuß fortsetzen / geschwind vnd in einer Zeit geschehen / dann sonsten moͤchte es euch nit angehen / vnd bleibet jhr vielleicht in der Gefahr / sonderlich wann jr es mit einem dapferen / geschwinden vnd gevbten Mann zu thun hettet / drumb man geschwind vnd vnversehens muß vmbgehen / wann man Ehre will einlegen.

[Seite 22] Wie man einen Haw oder Zwergstreich so nach dem Bein geschihet soll ausßchlagen.
Figur 14.

In dieser Lektion darin von dem Haw so strack / der in der querr nach den Beinen geschihet / gehandelt wird / kan ich nichts anders sagen zur anleithung in einer Zeit zu versetzen / vnnd Gegentheil zuverletzen / als daß ich zeige wie Gegentheil sich selbst in ewere Spitze stoͤst / da er sich bucket den Haw strack oder in die querre zu thun / darzu er dann muß den Schrit fortsetzen vnd beydes den Leib vnd das Gesicht gegen euch thun / wann jhr alsdann eweren vorgesetzten Fuß zuruck ziehet vnd jhm oben her die Spitze bietet / darin er sich ohne zweiffel verletzet / kan sich auch nit wider erholen / vnd kan doch euch keinen Schaden thun. Darnach weichet jhr widervmb / wie auch ander mahl gezeigt / zuruck / vnnd auß dem Maß.
Wie nun diese Lection sehr kuͤnstlich / also muß man sie auch wol verstehen / wann man derselbigen in solcher occasion will gebrauchen wie in der Figur zusehen.

[Fig: 14.]

[Fig: 15.]

[Seite 23] Von der Inquartaden oder Drehung des Leibs.
Figur 15.

Wann man die Verwendung oder Drehung des Leibs recht soll gebrauchen / so muß man alle Beschaffenheit derselbigen eigendlich vnd wol verstehen. Jst aber in den Schulen nicht sehr braͤuchlich / es sey dann bey den Frantzosen so sich am meisten zur Behendigkeit darin vben. So seynd zwar derselben vnderschiedliche Sorten / deren ich aber in diesem ersten Buch nur drey will zeigen welche die besten vnd bequembsten sein sollen / wie in gegenwertiger Figur zu sehen.
Die erste geschiehet also: man legt sich in die Huth ausserhalb dem Maß mit dem rechten Fuß vorgesetzet / außgestreckter Wehr vnd Arm / fest auff der rechten Seiten / vnd beud die Spitze zu Gegentheils Angesicht. Wartet also / das Gegenth. an euch setze / vnnd wann er beynahe im Maß / so wendet ewer Rapier in einer weiten ficta, vnnd wann er will versetzen / so wendet es widervmb / daß wider stehe wie zuvor / vnnd setzt in solcher Wendung neben seinem Rapier auff ihn / daß so bald jhr gewendet / er getroffen werde / dann wann jhr erstlich wenden / vnd darnach ansetzen wolt / wuͤrdet jhr euch in Gefahr begeben / sintemal es zwo Zeiten seynd / darnach schwinget das lincke Bein vnd Schulter zwergs herumb / so werdet jhr den effect befinden / vnnd jhn wie in der Figur zusehen entweder in der Angesicht / oder auff die Brust stoßen / ehe er es gewahr wirdt. Jm vberigen muͤßt jhr den Arm steiff halten / vnnd euch mit ewerem Gefaͤß decken / weit von Gegentheils Rapier / vnd mit scharpffem Aug auff sein Gesicht. Euch auch huͤten daß jhr nicht auch das Angesicht von jhm wendet / wie etliche zu thun pflegen / denn solches geschihet mit Gefahr / vnd jhr koͤnnet nicht sehen was jhr verrichtet. Endlich ziehet widervmb zuruck / vnd haltet ewer Rapier auff dem seinen / wie droben gezeiget.

[Seite 24] Die zweite Art.

Zwischen dieser vnd der vorigen ist kein vnderscheid / als in der Weise zu schlagen: nemlich daß mann neben Gegenth. Rapier herstreichet / vnd jhn vnder desselbigen Knopf / mit erhabenem Gefaͤß trifft / wie in der Figur zusehen. Nach wendung des Leibs haltet still vnd setzet nicht weiter an Gegenth., damit jhr jm nicht zu nahe kommet allda jr euch in Gefahr moͤchtet befinden / dieweil jhr nicht ausser dem Maß rucken vnd euch verwahren koͤnt. Diese Drehung kan schwerlich versetzet werden / ja vnmuͤglich ist es dz sich Gegenth. darfuͤr huͤte / wann sie mit gutem Verstand geschihet.

Die dritte Art.

Diese dritte Drehung ist wol die schoͤnste vnd gewisseste vnder allen / vnd geschieht also: leget euch in die Huth wie zuvor / vnd haltet das Rapier mit steiffem vnd gestrecktem Arm auff die rechte Seite / vnnd so Gegenth. an euch setzet / daß er seyn Rapier auff dz ewrige helt / vnd also in das Maß kompt / so wendet ewere Faust: vnnd so er nicht versetzet / so koͤnt jhr jhn in das Gesicht stossen / wie in der Figur zu sehen / allda auch nichts anders zu thun. Versetzet er aber / so stehet jhr in gleichen Wehren: vnnd alsdann setzet ewer Rapier mit gewaldt auff das seine / damit er euch dergleichen tue: Alsdann wendet ewer Rapier / daß es vnder sein Gefaͤß komme / vnnd drehet den Leib wie droben / so werdet jhr jhn in die Brust treffen / ehe er es gewahr wird / vnd wenn jhr also den Effekt dieser Figur erlanget / solt jhr euch widervmb ausser dem Maß begeben vnnd verwahren wie in andern Figuren gezeiget worden.

[Seite 25] Eine kuͤnstliche Weise mit auffgesetzeter Wehre / Gegentheil in die Brust zustoßen.

In vorgehenden Lectionen habe ich gezeigt wie man den Leib wendet / vnd die Rapier ausserwarts auffsetzet / daß man Gegenth. inwartz treffe: jetzunder aber will ich auch zeigen wie man inwartz auffsetzet / das Gegenth. außwartz getroffen werde. Wann jhr nun mit Gegenth. ins Maß kommen / so setzet mit der Schneiden ewers Rapiers steiff an / vnnd haltet es mit gewalt auff seinem Rapier / daß die Spitze gegen seinem Gesicht stehe / vnnd so er schwaͤcher ist als jhr / so koͤnt jhr jhm leichtlich einen Stoß ins Angesicht oder in die Brust geben / welchen er nicht abkehren kan. Ist er aber sterker / welches jhr in auffsetzung der Wehre koͤnt merken / so wendet ewer Rapier vnder sein Gefeß / vnnd gebet jhm gleich einen Stoß mit / welchen er eben so wenig als den vorigen wirdt außschlagen koͤnnen: allda jhr auch in einer Zeit koͤnt ohne Gefahr zu jhm kommen / das jhr ewere lincke Hand auff seyn Gefeß leget / vnnd drei oder vier vnvermeydliche Stich geben koͤnnet. Darnach weicht ausser dem Maß vnd verwahret euch wie droben vermeldet.

Wie man das Rapier allein gegen Rapier allein zu freyen Stichen drehet.

Man findet deren viel / welche wann sie auff eine Schul kommen / so fallen sie jhren Gegentheil an mit einerm dapferen / ja vngestuemen Hawen vnnd Stechen / dardurch auch offtermahl die besten Fechter verstuͤrzet / nicht mehr wissen woran sie sich halten sollen / derhalben ich es fuer eine notthurfft geach=
tet an=

[Seite 26] tet an zuzeigen / wie man mit solchen Dremmeln soll begegnen / vnnd sie halten moͤge.
Leget euch derhalben in die Huth / fuͤr Gegentheils Rapier / vnnd haltet das ewrige fertig zur Defension / vnd solches ausser dem Maß in einem kurzen Schrit: vnd wann er zudreschet / so setzet die sterke ewers Rapiers auff das seine / vnd gebet jm also bald einen Stich mit gemehrtem Schrit / welcher jhm ohne zweiffel in das Gesicht / oder in die Brust wird gehen. Darnach begebet euch widerumb in ewere vorige Stelle / vnd haltet ewer Rapier auff das seine / daß jhr vor demselbigen sicher seyd / vnnd er euch nicht koͤnne zukommen / es sey dann daß er es wende / vnd so er wendet / so drehet jhr auch die Faust ausserwartz / dz ewer Rapier widerumb auff das seine komme / vnd gebet jhm mit vermehrtem Schrit widerumb einen Stich wie zuvor / vnd ziehet darnach den fortgesetzten Fuß wider zuruck / vnnd verwahret euch fuͤr seinem Rapier / welches jhr solt thun / so offt als er sein Rapier drehen will.
Diese Lektion hat mehr nutzens als lustens / vnd begreifet zwo Zeiten / welche jhr koͤnt anlegen ehe Gegentheil einer gebraucht. Die eine ist in versetzen / vnd die andere im schlagen / von welchen jhr droben gehoeret / wie man sich derselbigen gebrauchen soll.

[Fig: 16.]

[Seite 27] Wie ein Stich gegen der Brust mit dem Rapier allein abzuwenden.
Figur 16.

In gegenwertiger Figur wird beydes gezeigt nemlich wie der Stoß gegen der Brust zu thun / vnd wie er abzuwenden sey. Es geschieht aber solches auff vnderschiedliche Weisen. Dann etliche thun es in der Distantz vnnd im Schritt: andere halten sich im Maß / vnd andere ausser dem Maß / welcher aber guten Verstand hat auff die Zeit / vnd sich derselbigen mit glimpf weiß zu gebrauchen wie in der Figur zu sehen / der wird alle gemelde weisen leichtlich koͤnnen außschlagen. Zur Instruktion aber merket / daß wann jhr im Rapier allein / mit Gegentheiln in gleichen Wehren stehet / vnd er fortsetzet auff daß er euch einen Stoß in die Brust gebe: so must jhr seinem Rapier / mit dem ewrigen in der selbigen Zeit folgen / vnnd die Faust erheben / daß die Spitze etwas vnder sich gehe / vnd euch mit dem lincken Fuß auff die rechte Seite begeben / damit jhr seynem Rapier weichen: so werdet jhr jhn in die Brust treffen vnd ewere lincke Hand auff sein Gefaͤß legen koͤnnen. Nach gegebenem Stich / solt jhr ewer Rapier widervmb vorgemelder Massen wenden / vnd euch ausser dem Maß begeben.

[Seite 28] Vom Stich gegen dem Angesicht mit gewendter Faust.
Figur 17.

Diese Figur zeiget eine artige Weise den Gegentheil ins Angesicht zu treffen / vnd bestehet alles darin daß man gelegenheit suche / mit Gegenth. in gleiche Wehren zukommen / vnd jhn dahin bringe daß er sich im versetzen halte / vnd in dem Argwohn daß jhr ewer Rapier moͤchtet wenden. Alsdann solt jhr die Faust geschwind wenden / mit dem Schrit fortsetzen / vnnd ewere lincke Hand auff sein Gefaͤß legen / so werdet jhr jhn in das Angesicht treffen / vnd kan er mit nichten versetzen / wann jhr es recht angreiffet / vnnd das noch mehr ist / wann jhr nach gegebenem Stich / die Handt noch auff seinem Gefaͤß haltet / so koͤnt jhr jhm mit Drehung eweres Rapiers / noch zween oder drey andere geben wohin jhr wollet. Darnach solt jhr euch zuruck ausser dem Maß thun / vnd ewer Rapier alle Zeit auff Gegentheils Rapier halten / wie jhr droben vnderrichtet worden.

[Fig: 17.]

[Fig: 18.]

[Fig: 19.]

[Seite 29] Von Gegendrehung in der Distantz.
Figur 18 vnd 19.

Es ist nur einerley Gegendrehung in der Distantz wann man sich auff dem lincken Fuß helt / als wolte man sich mit dem gantzen Leib wenden. Derhalben ich in diesen Figuren beydes die Stellungen / vnd wie man schlagen soll zeigen wollen / damit man aber die Sach recht verstehe / so must jhr / in dem Gegenth. an euch setzet / euch in der Huth halten / wie jhr in der 18. Figur sehet / vnnd jhm Raum geben daß er die Spitze gegen der Brust biete / derhalben er auch wann er ein dapferer Mann / den Fuß geschwind wirdt fortsetzen / vnd die Faust wenden / alß wann den den gantzen Leib drehen wolte / damit er ewer Rapier außschlage. Alsdann solt jhr in derselbigen Zeit darin er fortsetzet ewer Rapier vnder seyn Gefaeß drehen / vnnd euch ein wenig ducken / wie jhr in der 19. Figur sehet / so werdet jhr auch den effect derselbigen befinden / vnd jhn in die Brust treffen / ehe er euch erreichen kan. Ja dieweil er seynen Fuß fortsetzet / kan er auff keinerley Weise versetzen. Es erfordert aber dieses Stuͤck eine fleissige Vbung in beyden vorgesetzeten Stellungen.

[Seite 30] Wie man das Rapier allein gebrauchen soll / da das Gegentheil Rapier vnd Dolchen hat.
Figur 20.

In dieser Figur ist zu sehen wie man beydes im versetzen vnnd im schlagen das Rapier allein gegen Rapier vnnd Dolch brauchen soll. Solt derhalben den rechten Fuß vorsetzen / in einem zimlichen Schrit mit hinderhaltenem Leib / vnnd fertigem Rapier zum versetzen vnd zum schlagen da es die gelegenheit vnd die Zeit gebe. Sehet euch aber fuͤr daß jhr nicht den Anfang machet mit stossen / damit jhr euch nicht in Gefahr bringet / Dann es moͤchte Gegenth. eweren Stoß mit seinem Dolchen außschlagen / vnd koͤntet euch fuͤr dem seynen nicht verwahren. Wann jhr euch aber in der Huth haltet / wie vermeldet / vnd zum versetzen fertig / als wann jhr euch foͤrchtet / so setzet er desto muhtiger an / brauchet auch weniger Vorsichtigkeit / als der so sich beduncken lest er habe den Vortheil in der Hand / vnnd wann er also ansetzet / solt jhr stark außschlagen vnnd jhm die Spitz gegen dem Angesicht bieten. Dann er wird mit gewalt / vnnd in die Lenge stossen: vnd in dem stossen seinen Dolch so weit abwenden / daß jhr jm ohne Gefahr koͤnt zukommen. Nach gegebenem Stich thut euch zuruck auß dem Maß / vnd haltet ewer Rapier inwartz deß seinen / auff droben vermeldte Weise. Dasselbige solt jhr thun / so offt als er stossen wirdt. Doch das jhr nicht nach seiner Brust stosset / allda jhr keinen gewissen Streich thun koͤnt. Sintemal der so Rapier vnnd Dolch hat gemeinlich muͤhtiger ist gegen dem Rapier allein / vnnd lest sich beduncken / er koͤnne so offt stossen als er woͤlle: vnd waget es derhalben desto frischer hinan / als der so sich nirgen fuͤr zubefahren hat / vnder deßen aber da jhr euch mit gutem bedacht in der Huth haltet / koͤnt jhr beydes seine Stich außschlagen / vnd jhn ins Angesicht stossen / vnnd euch ausser dem Maß begeben ohne einige Gefahr. Vnnd wann Gegentheil seyn Rapier inwartz drehete / so solt jr mit gewender Faust versetzen / vnd also dapfer vorgemelder massen zu stoßen.
Ver=

[Fig: 20.]

[Seite 31] Vermerket jhr aber daß er wolte einlauffen so thut euch zuruck / vnnd bietet jhm die Spitze eben in der Zeit darin er sich herfuͤr thut. Befindet jhr euch aber in der Huth inwartz des Gegenth. Rapier / vnd woltet erstlich den Dolch abkehren / vnd danach stossen wann jhr sehet daß er den Dolchen zum versetzen hervnder senket / so solt jhr geschwind ewer Rapier drehen / daß es vnder dem Dolchen komme wie in der 21. Figur gezeiget wird / vnd euch also bald ausser dem Maß begeben / da jhr ewer Rapier auff das seine haltet.
Doch solt jhr in acht nehmen daß jhr nicht stosset so lang er in der Huth ligt / es seye den daß jhr eine Zeit ersehen / dardurch er verhindert / wie droben davon der Zeit vnd Maß gehandelt / vermeldet worden. Ligt er aber in der Huth entweder aus Forcht oder dz er sich nur dessen anlasse / euch zu verleiten / so solt jhr euch ausser dem Maß / mit ewerem Rapier auff dem seinen halten / vnd also auff gelegenheit warten / daß jhr ohne Gefahr versetzen vnd schlagen moͤget.

[Seite 32] Wie man mit Rapier vnnd Dolchenen einen Stich so gegen dem Gesicht kommet soll abkehren.
Figur 21.

Damit man den effect gegenwertiger Figur erlange / muß man auff nachfolgende Weise in der Huth halten. Man muß sich in einen zimlichen festen Schritt stellen mit fertigen Waffen zum versetzen vnd schlagen / da es die gelegenheit gibt: der Dolchen aber muß allezeit auff Gegenth. Rapier sehen / vnd so er euch die Spitz gegen dem Angesicht beut / solt jhr mit der Schneiden des Dolchens versetzen / vnnd jhn in einer Zeit vnder die rechte Achsel stossen / welchen er so in einer Zeit geschihet schwerlich wird koͤnnen abkehren. Daß man jhn aber dahin bringe / daß er nicht koͤnne versetzen / ist nicht gnug daß man diese Stuͤck wisse / sondern man muß sie auch hurtig wissen zugebrauchen: nemlich daß man in gewisser Huth lige / den rechten Fuß vorsetze / den lincken aber also stelle / daß der gantze Leib daraufff ruhe vnnd gleichwol nach gelegenheit koͤnne vor sich oder hindersich gerucket werden / die Spitze allezeit auff Gegenth. Angesicht oder Brust halten / den Dolchen erheben nach erforderung: mit dem Leib mehr hindersich als vor sich hangen / mit wackerem Aug vnd vnerschrockenem Hertzen auff Gegenth. zu rechter Zeit ansetzen. Vnd wann euch der Gegentheil in solcher Huth die Spitze oder einen Haw nach dem Angesicht boͤte so solt jhr mit der Schneiden des Dolchens versetzen / vnd in einer Zeit jhm einen Stoß geben / so werdet jhr den effect dieser Figur befinden. Sehet aber zu das jhr gewiß versetzet / vnd das Haupt vnd den Leib ein wenig zu ruck ziehet. Vnd wann er stoͤst / solt jhr stark versetzen vnd gleich mit auch stossen. Dann so jhr erstlich woltet versetzen vnd darnach stossen / wuͤrdet jhr nichts außrichten / sintemahl Gegenth. den Arm vnd Leib wuͤrde zuruck
ziehen /

[Fig: 21.]

[Seite 33] ziehen / vnnd gnugsame Zeit zum versetzen haben / da jhr dann in der Gefahr bleibet. Wann jhr aber in einer Zeit versetzet vnd stosset / so erlanget jhr ihn vnder seinem Rapier / in dem er sich herfuͤr thut / vnd wann solches mit Geschwindigkeit vnnd zu rechter Zeit geschiehet / so kan sich der Gegenth. schwerlich verhuͤten. Nehmet aber in acht, daß jhr euch nach geschehenem Stoß fest auff dem lincken Fuß haltet / damit jhr euch in eil ausser dem Maß begeben koͤnnet.
Damit jhr euch ohne Gefahr zuruck thut / must jhr nach geschehenem Stoß erstlich den Kopff vnnd den Leib zuruck ziehen / welchem alsdann das Bein auch nachfolget. Dann soltet jhr erstlich das Bein zuruck ziehen / so bliebe der Kopff dafornen vnd der gantze Leib in Gefahr / ehe er ausser dem Maß kehme / vn: ist kein nutz daß man einen langen vnd starken Stoß thut / vnd sich nicht ausser dem Maß begeben kan.
Damit man aber den effect dieser Figur erreiche / muß man sich fleissig darin vben / daß man die Geschwindigkeit erlange: also das wann man gewahr wird / das Gegentheil will stossen / man auch gleich mit stosse / mit versicherung das jhr jhn zu erst werdet treffen / ob er schon im stossen der erste gewesen.

[Seite 34] Wie man einen Stoß gegen der lincken Seiten versetzet.
Figur 22.

Zvm effect gegenwertiger Figur solt jhr euch wie zuvor gemeldet in die Huth legen / vnd so jhr vermerckt das Gegenth. euch in die Lincke Seite zustossen vorhat / solt jhr eweren Dolchen gegen seinem Rapier halten / vnd indem er stoͤst / mit der Schneiden des Dolchens versetzen / vnnd gleich mit ewerem Rapier auch zu stossen. Jhr must euch aber etwas eilen / daß jhre eweren Stoß vor jhm verrichtet / vnd ein offenes Aug auff ihn halten. Auff solche Weise wird jhm ewer Stoß in die Brust gehen / vnd werdet seinen abkehren / da er doch eweren Stoß auff keinerley Weise / wirdt außschlagen koͤnnen. Sintemal jhr jhn eben in der Zeit werdet treffen / darinnen er sich herfuͤr thut / wie man in der Figur sihet. Nach geschehenem Stoß / werdet jhr euch wider ausser dem Maß begeben / wie droben in der ersten Figur von Rapier vnd Dolchen gezeiget worden.

[Fig: 22.]

[Fig: 23.]

[
Seite 35] Wie ein Stoß gegen der rechten Seiten abzukehren.
Figur 23.

In dieser Figur (wie jhr sehet) da in gleicher Huth / wie in dem vorigen / der Gegentheil mit gesenktem Rapier an euch setzet in meynung euch in die rechte Seite zu stossen / solt jhr lernen / wie jhr eweren Arm mit dem Rapier erheben / vnd euch in der dritten Huth als gegen einen Zwergstoß solt halten / daß die Spitze eweres Rapiers gegen dem Gesicht oder der Brust Gegenth. stehe / vnd der Dolchen auff dessen Rapier sehe. Vnd also wann Gegenth. seinen Stoß gegen ewere Seite thut / solt jhr versetzen vnnd in gleicher Zeit einen Zwergstoß gegen seiner Schulter thun: so werdet jhr den effect dieser Figur befinden. Doch were es besser / daß wann jhr Gegenth. vorhaben merket / jhr jhm mit ewerem Stoß zuvor kompt / alda jhr jhn leichter werdet antreffen. Nach gegebenem Stoß / solt jhr euch widerumb zuruck ausser dem Maß begeben.
Dieses seynd also die vier fuͤrnembste Weisen beydes einen Stich vnnd einen Zwergstoß abzuwenden: welche alle auff einerley Art geschehen / nemlich daß man in einer Zeit versetze vnd schlage. Jn bewegung aber der Fuͤß muß man in acht nehmen / daß man im stossen den rechten Fuͤß vorsetze vnd sich fest auff dem Lincken halte / damit man sich auff demselbigen geschwind koͤnne zuruck thun. Welches zwar anfangs etwas schwer scheinet / aber durch fleißige Vbung erleichtert wirdt.

[
Seite 36] Wie mit Rapier vnd Dolchen ein Stoß gegen dem Angesicht abzuwenden.
Figur 24.

Zve erhalthung des effects so in dieser Figur vorgestellet / solt jhr euch erstlich in vorgemelde Huth legen: vnnd da jhr merkt daß Gegentheils meynung euch einen Stich in das Gesicht zu geben / solt jhr denselbigen mit der schneiden des Dolches abwenden / vnnd in derselbigen Zeit jhm einen Stoß in die Seite geben / allda jhr den erwuͤnschten effect befinden werdet. Doch solt jhr in acht nehmen / das wann jhr die Spitze Gegentheils auff ewer Gesicht gerichtet sehet / jhr eweren Dolchen etwas weit von demselbigen abhaltet / als wann jhr jhm Raum darzu geben woltet / vnnd wann er stoͤst / so versetzet mit ewerem Dolchen / vnnd wendet das Haupt ein wenig ab von seinem Rapier / vnd gebet jhm eben in der Zeit darin jhr versetzet / einen Stich in die neheste vnnd entbloͤste Seite. Darnach begebt euch zuruck / auff vorgemelde Weise.

[
Fig: 24.]

[
Fig: 25.]

[
Seite 37] Wie mit Rapier vnd Dolchen ein Haw so von oben herab kompt abzuwehren.
Figur 25.

In dieser Figur sihet man / wie ein Haw so oben herab kompt nach dem Kopff mit dem Dolchen abzuwenden. Leget euch in die Huth der ersten Lection; vnnd so euch Gegenth. einen Haw nach dem Kopff thete / solt jhr mit der Schneiden ewers Dolchens versetzen / vnd gleich mit einen Stoß nach seinem Angesicht thun / darzu ihr den rechten Fuß etwas must fortsetzen / vnd so jhr diese drey stuͤck mit einander vnd in einer Zeit verrichtet / werdet jhr ohne fehl / den in dieser Figur gezeigten effect befinden. Jn solchem Fall aber ist am besten / das man den Streich toͤde / daß er seine meiste Krafft verliere / dieweil er noch in der Lufft schwebet. Welches auff nachfolgende Weise zu wegen zubringen / dieweil er sein Rapier zum Streich erhaben / solt jhr jhm den Stich ins Gesicht geben / dardurch er vervrsacht den Kopff zu ruck zuziehen / vnd auch wol die Augen zuzuthun / dardurch sein Streich nicht allein vngewiß / sondern auch gantz krafftlos gemacht wirdt. Solchen effect aber zuerlangen / muß man ein Hertz fassen daß man sich fuͤr Gegenth. nicht foͤrchte: auch muß man mit dem Dolchen wol wissen zu versetzen / vnnd einen starcken / langen Stich zuthun: vnd sich huͤten daß man nicht mit der fleche des Dolchens versetze. Dann mit einem starken Streich / schluͤge man auch den Dolchen auß der Hand / vnd fiele auch der Streich auff den Kopff / da hergegen / so jhr mit der Schneiden versetzet / jhr dessen keine Gefahr habt. Darnach begebet euch widerumb wie zuvor gemelt zuruck / vnd auß dem Maß.

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Seite 38] Wie ein Zwerghaw mit dem Dolchen abzuwenden.
Figur 26.

Jn dieser Figur siehet man wie ein Zwergstreich gegen dem Gesicht abzuwenden / leget euch in die Huth der ersten Lection mit erhabenem vnd steiffem Dolchen / vnd so jhr den Zwergstreich sehet kommen / versetzet mit der Schneiden des Dolchens / vnd gebet jhm mit versetzung des rechten Fuß einen Stoß gegen der entbloͤsten Seiten / allda jhr ohne zweiffel den effect vorgestelter Figur befinden werdet.
Mercket das diese sechs Figuren alle einerley Art seynd: man muß aber in einer Zeit versetzen vnd schlagen / vnnd so jhr euch nur umb ein geringes zwischen dem versetzen vnnd schlagen auffhaltet / werdet jhr nichts außrichten. Must euch derhalben fleissig vben daß jhr es hurtig verrichten koͤnnet / vnd euch auch also baldt ausser dem Maß zuruck begeben.
Jhr must auch in acht nehmen / daß diese sechs Lectionen die fuͤrnembsten vnd besten seynd in der Fechtkunst: man muß sie aber wol lernen verrichten. Sonderlich aber / daß man den Dolchen fest halte / vnd wann man den Streich sihet kommen / mit demselbigen versetze / vnd gleich mit dem Rapier zustosse nach dem Ort den man entbloͤsset befindet.

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Fig: 26.]

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Fig: 27.]

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Fig: 28.]

[
Seite 39] Wie der Stich gegen der Brust mit Rapier vnnd Dolchen zu wenden.
Figur 27.

Das fuͤrnembste so an einem der Lust hat zur Vbung der Waffen erfordert wirdt / ist daß er wisse auff Gegenth. anzusetzen / auff jhn zustoßen / vnnd sich widerumb ausser dem Maß zuruck zu begeben. Solches aber zuverrichten muß man der Gegenhuth gute Wissenschaft haben / vnnd im stossen gegen dem entbloͤsten Ort geschwind sein: vnnd wann man jhn ein wenig entbloͤst sihet / muß man allgemach mit gesencktem Rapier an jhn setzen / vnnd die Spitze gegen seiner Brust halten / den Dolchen aber auff die Huth seines Rapiers richten / vnnd wann jhr also ins Maß kompt / solt jhr erstlich mit dem Rapier / darnach mit dem Leib / vnnd endlich mit dem Fuß fortsetzen / allda jhr den effect dieser Figur befinden werdet / vnnd ihn in die Brust treffen ehe er es gewahr wirdt. Hergegen aber / wann jhr erstlich mit dem Leib fortsetzet / vnnd hernach den Stoß woltet thun / wuͤrdet jhr nichts außrichten: dann es wuͤrde Gegentheil ewer gewahr / vnnd nicht vnderlassen zuversetzen / auch im gegenstossen nicht saͤumich sein: da jhr dann nicht ohne Gefahr weret. Darnach so baldt jhr den Stoß gethan / solt jhr euch ausser dem Maß begeben / vnnd mit fertigen Waffen zum versetzen vnnd schlagen / in die Huth legen. Dann so Gegentheil befindet daß er getroffen / wirdt er mit gewalt / sich zu raͤchen mit hawen vnnd stechen an euch setzen / welchen jhr versetzen vnnd gleich mit die Spitze bieten solt / wie jhr in vorigen Figuren angewiesen. Die fuͤrnembste Jmportanz aber dieser Figur bestehet darin / daß man sich nach gegebenem Stoß ausser dem Maß wisse zu thun. Vnd damit solches ohne Gefahr geschehe muß man erstlich / wie gemelde: / den Kopff vnnd darnach den Leib zuruck ziehen. Dann so jhr

[
Seite 40] jhr den Anfang machet mit dem Fuß / so seydt jhr in Gefahr entweder zu fallen / oder an dem noch vorstehenden Kopff getroffen zu werden / vnd ist dieses das vornembste welches jhr wol vnd fleissig solt lernen.

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Seite 41] Wie ein Stoß zu geben indem sich Gegentheil wendet.
Figur 28

Die Wissenschaft der Zeit / des Maßes / vnnd des rechten Gebrauchs derselbigen / ist wol das fuͤrnembste so in der Fechtkunst wird erfordert. Derhalben ich allhie noch ein mahl etwas eigentliches davon zuhandeln vorgenommen. Wann jhr nun die Waffen gefast dem Gegenth. damit zubegegnen / so solt jhr mit fleissiger auffsicht an jhn setzen / vnd ewere Waffen zum versetzen vnd schlagen fertig halten / vnd habet gute achtung daraufff ob er im schlagen will der erst sein / oder nicht / vnd da jhr merket daß er der erst sein will / so gebet jhm zeit daß er einen Stoß fuͤhre welchen jhr solt versetzen / vnnd also bald auch mit stoßen wie jhr droben gelehret worden. Vermercket jhr aber daß er auß Forcht in der Huth bleibt liegen / vnd ewer wartet / so solt jhr gemach an jhn setzen / gegen dem Ort / da jhr jhn bloß sehet / vnd so jhr ins Maß kommen / so haltet den Dolchen gegen der Huth seynes Rapiers / vnd setzet also fort / erstlich mit dem Rapier / darnach mit dem Leib / vnnd endlich auch mit dem Fuß: vnnd haltet den Dolchen allzeit vor / auff daß wann Gegentheil in derselbigen Zeit auch stiesse / jhr also kont versetzen / das jhr nicht zu beiden Seiten getroffen wuͤrdet. Nach geschehenem Stoß must jhr euch vorgemelder Maßen widerumb zurck begeben / vnnd dieweil er notwendig in dem jhr an jhn setzet / der drey eins thun muß / nemlich daß er entweder stosse / oder daß er sich stelle zum versetzen / oder aber sich auff eine oder die andere Seite ausser dem Maß rucke / so solt jhr euch / da er stiesse / oder sich zum versetzen stellet / vorgemeldter Maßen verhalten: wann er sich aber auff eine / oder die andere Seite beweget / so solt jhr einen geschwinden vnnd starken Stoß auff jhn thun / dieweil

[
Seite 42] weil er noch mit dem Fuß schwebet. Dann in solcher werender bewegung kan er euch / in dem jhr den Stoß thut / nicht schaden / darnach must jhr euch widerumb nach Gewohnheit ausser dem Maß begeben.

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Fig: 29.]

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Seite 43] Einen Stoß vber den Dolchen zu thun.
Figur 29.

Wann man einem so den Dolchen senket einen Stich darvber will geben / so muß man / wie in gegenwertiger Figur zusehen / auff der Seiten des Dolchens an ihn setzen / vnd so jhr ins Maß kommen / so setzet erstlich mit dem Rapier / darnach mit dem Leib hinan / vnd erhebet die Faust ein wenig / wie jhr in der Figur sehet / so werdet jhr auch den effect derselbigen befinden. Darnach thut euch widerumb auß dem Maß / nach dem Bericht der 17. Figuren. Das fuͤrnembste ist / daß man sich vbe erstlich mit dem Rapier / darnach mit dem Leib hinan zusetzen / vnd sich widerumb ausser dem Maß zurucken. Jtem das man mit der Zeit wisse an Gegenth. zusetzen / vnnd jhm an entbloͤstem Ort den Stoß zu geben / darfuͤr er sich schwerlich verhuͤten kan: als welcher sich nit allenthalben mit seinen Waffen kan bedecken / vnd sich derhalben an einem Ort muß bloß geben / allda jhr vorgemelder massen moͤget an ihn setzen.
Von den Huthen ins gemein.

Es seynd vielerhand Huthen deren man sich kan gebrauchen. Dann es werden alle weisen die Waffen zufuehren / fuͤr Huthen gehalten / wie auch droben gemeldet worden. Vnd seynd alle Huthen dienlich dem welcher weiß die Zeitten zu vnderscheiden vnd sich recht in das Maß zurichten / wie dann auch im Krieg / der so seine Wachten auffs beste weiß zuversehen / seinen Feind leichtlich betriegen vnd vbereilen kan.

[
Seite 44] Eine kuͤnstliche Huth mit entbloͤsung der lincken Seiten.
Figur 30.

Die kuͤnstliche Huthen seynd beinahe vnzehlbar; doch will ich derselbigen drey in diesem Buch vorstellen / dabey die verstendigen gnugsamen bericht werden finden / daß sie mancherley Art als sie begehren / koͤnnen zu wegen bringen.
Die rechte Weise sich in eine kuͤnstliche Huth zu legen ist / daß man einen Ort deß Leibs entdecket / doch also daß alle die andere bedeckt bleiben / vnd Gegenth. nicht mehr als an demselbigen koͤnne zu kommen / wie in gegenwertiger Figur zu sehen / darin die gantze lincke Seite bloß stehet / vnd kan doch Gegenth. nicht ohne Gefahr darzu kommen. Da so er darnach hawet oder stoͤst so koͤnt jhr versetzen vnnd gleich mit stossen / mit fortsetzung des Fusses auff der Seiten des Rapiers. Nach gegebenem Stoß weichet jhr widerumb nach vorgemeldter Lehr auß dem Maß.
Diese kuͤnstliche Huthen seynd fuer die Liebhaber dieser Kunst / welche sich auff die Zeit vnd das Maß verstehen / vnd sich die Vbung nicht verdriesen lassen / vnd hat man sich derselbigen allerhand Faͤllen zugebrauchen / vnd sonderlich kan man in gegenwertiger Occurrentz / an Gegentheil setzen / vnnd wann man ins Maß kommen / kan man da er an sich hielte / jn an dem entbloͤsten Ort treffen: oder da er stiesse koͤnt jhr viel andere Ding verrichten: als versetzen vnd schlagen mit einander / oder versetzen mit einer ficta oder mit einem Trit / oder auch alles was man in einer andern geuͤbten Huth zu thun pfleget / vnnd so der Feind auß seyner Huth etwas vnvorsichtig herfuͤr stoͤst / habt jhr gelegenheit beydes zu versetzen / vnnd gleich mit in einer Zeit zustoßen / vnnd euch auch ohne Gefahr zuruck zu begeben / vnd werden zum offtermahl durch diese Huth nicht allein die Schuͤler / sondern auch wol die beste Meister

[
Fig: 30.]

[
Seite 45] Meister verleitet. Dann wann sie euch also entbloͤßt sehen / stossen sie getrost zu: da jhr aber leichtlich versetzet vnd schlaget / vnnd sie sich in der Gefahr befinden ehe sie deren gewahr werden.

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Seite 46] Eine kuͤnstliche Huth mit entbloͤssung der rechten Seiten.
Figur 31.

Dieses ist eine andere kuͤnstliche Huth wie jhr sehet / in welcher die rechte Seite entbloͤst stehet / vnnd doch alle andere Theil des Leibs also bedeckt bleiben / daß euch der Gegentheil nirgend kan zukommen / als an gemeldter entbloͤsten Seiten: welchem jhr gleichwol koͤnt versetzen wie jhr woͤllet mit ewerem Dolchen / vnd koͤnt beydes auff festem oder mit fortgesetzetem Fuß schlagen wie jhr woͤlt.
In dieser Huth koͤnnt jhr vielerhand Ficten verrichten: beneben dem daß sie sonderlich dienlich ist wider die so eilends schlagen wollen / vnnd die gedult nicht haben daß sie der Zeit in acht nehmen. Dann so bald sie Gegentheil entbloͤst sehen / woͤllen sie hinan / ohne betrachtung was er thun kan / vnnd geben sich also in Gefahr. So seynd sie auch gut zu brauchen wider einen guten Meister / als darin jhr eweren Vortheil desto besser koͤnt außsehen: vnd wann er eine fictam braucht so koͤnt jhr besser versetzen / als wann jhr in einer engen Huth ligt. Auch kan man die freye Stich leichter abwenden / wann man den Leib zuruck zeucht / vnd sich im versetzen ein wenig wendet / nach dem die Stich geschwind oder langsam fallen.

[
Fig: 31.]

[
Fig: 32.]

[
Seite 47] Eine kuͤnstliche Huth mit entdeckung der Brust.
Figur 32.

Dieses ist auch eine Huth in welcher zwar die Brust entbloͤßt / da aber der Gegentheil keinen Schaden weder auff der Seiten des Rapiers noch auff des Dolchens Seiten thun kan. Dann will er stossen so muß er solches gegen der entbloͤsten Brust thun: in dem er aber stoͤst / solt jhr versetzen vnnd gleich in einer Zeit schlagen / entweder nach der rechten Schulter / oder nach dem Gesicht welche euch am nehesten seynd. Jhr koͤnt in solcher Huth auch vnderschiedliche Ficten gebrauchen / vnd fortschreiten / beneben allem dem das jhr in anderen Huthen gelernet habt. Sie ist auch gut zu brauchen wider die / so strack zustossen vnd sich keiner Ficten befleissen. Wider die aber so sich auff die Zeit vnnd Maß verstehen / auch wol einen stracken Stoß / oder eine Fictam fuͤhren koͤnnen / muß man sich jhrer nit merken laßen: dann wider solche ist es besser / man halte sich in den Waffen bedeckt / vnd vnderstehet euch des Gegentheils Rapier mit ewerem zu bedecken ausser dem Maß / auff das jhr nach vorfallender gelegenheit ohne Gefahr versetzen vnnd schlagen koͤnt.

[
Seite 48] Eine ficta in Rapier vnd Dolchen damit man vber den Dolchen herstoͤst.
Figur 33.

Gleich wie obseruation der Zeit vnnd des Maßes das fuͤrnembste Stueck in der Fechtkunst ist / also seynd auch die Wendungen vnd Ficten die Zierte derselbiger. Die Wendung bestehet in der drehung der Faust: die ficta aber darin daß man sich eines lest vermerken / vnd thut doch ein anders / vnd kan kan keine ficta ohne Wendung geschehen.
Nun wendet man entweder vnder oder vber dem Gefaeß des Rapiers / oder auch der Spitzen des Dolchens außwartz oder inwatz.
Jch kan auch nicht von der ficta handeln es werde dann auch die Wendung darvnter begriffen. Es ist aber die ficta ein schaͤdlicher betrug / fuer welchem sich auch die aller beste Fechter nicht allezeit zum besten koͤnnen vorsehen / viel weniger aber die so nicht sehr wol erfahren seind / vnd geschihet auff nachfolgende Weise. Wann man dem Gegentheil einen Stoß auff die Brust / oder ins Gesicht will geben / muß man allgemach mit gesenktem Rapier / vnder dem Dolchen an jhn setzen / vnd den Dolchen gegen der Huth des Rapiers halten: vnnd wann jhr ins Maß kommen so stost resolut zu / vnnd gebet euch also bald wider zuruck. So jhr jhn getroffen / habt jr nichts weiters zuthun: versetzet er aber / so setzet jhr auff ein newes an / vnd wann jhr im Maß / so bietet jhm die Spitze ohne erlengerung des Schrits / mit fest stehendem Leib vnd gesenktem Dolchen: vnd indem er will mit versenktem Dolchen versetzen / solt jhr die Spitze ewers Rapiers erheben / die Faust drehen / den Schritt mehren / vnd also jhm nach der Brust vnnd dem Gesicht stossen: welches jhr vnvermerkt vnnd ohne Gefahr thun werdet / wie in der Figur zusehen. Vnd dz diese ficta jren effect erreiche / wirdt eine grosse Geschwindigkeit darzu erfordert / damit man nit erkennen koͤnne ob man resolut oder mit einer ficta stossen woͤlle / vnnd solt in acht nehmen / daß wann jhr ewer Rapier vber Gegentheils Dolchen

[
Fig: 33.]

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Fig: 34.]

[
Seite 49] chen woͤlt bringen / solches in einer Wendung geschehe / da wenden vnd stossen mit einander in einer Zeit gehe. Darnach weichet widerumb ausser dem Maß wie droben vermeldet / vnd verwahret euch fuͤr Gegentheils Rapier.
Eine ficta im Rapier vnd Dolchen nach der Brust zustossen.
Figur 34.

Zwischen dieser vnd der vorigen ficta ist kein vnderscheid / als daß jehne vber den Dolchen diese aber vnder dem Dolchen geschihet: wird auch mit denselbigen Regulen zu wegen gebracht. Hie solt jr das Rapier hoch halten / vnd wann jhr ins Maß kommen / dem Gegenth. einen Stoß vber den Dolchen bieten / da jhr den Arm etwas hoͤher haltet als die Spitze des Rapiers: welchen Stich man den Dolchenschinder nennet. Wann er nicht versetzet / so geht ewer Stoß an / vnd habt nichts weiters zuthun. Versetzet er aber / so solt jhr jhm die Spitze widerumb wie zuvor bieten / vnd euch im Schrit / vnd auff festem Fuß halten: vnnd in dem er will versetzen / solt jhr die Faust mit dem Rapier drehen / daß die Spitze vnder des Dolchens Gefaͤß komme / vnd also mit erlangtem Schrit fortstossen / so trefft jhn jhr in die Brust ehe er es gewahr wirdt. Darnach weichet auß dem Maß / vnd verwahret euch fuͤr Gegentheils Rapier wie droben.

[
Seite 50] Eine ficta im Rapier vnd Dolchen gegen dem Gesicht zustossen / da das Rapier vber die Spitze des Dolchens gewendet wird.
Figur 35.

Wann jhr Gegenth. einen Stoß ins Gesicht wolt geben / muͤst jhr nachfolgende fictam gebrauchen / welche zwar etwas schwer / aber auch sehr schoͤn ist. Setzet an Gegenth. auff der seyten des Rapiers mit der Spitzen auff der rechten Seiten nach dem Gesicht gehalten: vnd wartet also ob er stossen / oder sich zum versetzen in der Huth halten will / vnd da er in der Huth bliebe / so last euch an als woltet jhr jhm nach dem Gesicht stossen: vnd da er versetzet so wendet jhr die Faust / vnd die Spitzen des Rapiers vber Gegenth. Dolchen / vnd stosset  also fort / so trefft jhr jhn ehe er es gewahr wird / wie er sich dann auch gantz entbloͤst. Nach gegebenem Stoß / weichet jhr widerumb zuruck / wie droben vermeldet.

[
Fig: 35.]

[
Fig: 36.]

[
Seite 51] Wie man einen langen Stich mit dem Rapier im zuruck weichen versetzet.
Figur 36.

Es ist das versetzen so noͤhtig in dieser Profession daß ich es billich fuer das fuͤrnembste Stuͤck derselbigen halte / will euch derhalben dreyerley Weisen zeigen / wie man einen langen Stich versetzen soll. Jhr solt euch mit eweren Rapier obgesagter massen in der Huth halten / mit vorgebottenem Leib / vnnd der Brust etwas entbloͤst / in oder auß dem Maß: aber doch nit innerhalb demselbigen / vnd so jhr im Maß sehet daß Gegenth. auff euch stoͤst / solt jhr zuruck weichen vnd mit dem Rapier versetzen / wie jhr in der Figur sehet: vnd in dem er den Leib sencket (da jhr euch im zuruck weichen fuͤr jhm saluiert daß er euch nicht kan erreichen) vnnd sich vbereilet das er schwerlich kan versetzen / solt jhr widerumb fuͤrwartz schreiten / vnnd jhm den Stoß geben / wie droben gezeiget worden / doch mit bedacht daß jhr euch beydes im versetzen vnd im zuruck weichen fest auff eweren Fuͤssen haltet.

[
Seite 52] Wie man im zuruck weichen mit dem Dolchen versetzet.
Figur 37.

Ihr solt euch in vorgemeldter Huth halten / vnnd den Leib kuͤnstlich vorbiegen / daß der Dolchen nach der Huth Gegentheils Rapier gerichtet sey / vnd so jhr im Maß / sehet daß er euch die Spitze beut / solt jhr mit dem Dolchen versetzen / vnnd euch gleich mit zuruck begeben / daß jhr den vorgesetzten Fuß zuruck ziehet: das Rapier aber zum schlagen fertig halten / wie jhr in der Figur sehet / dann so jhr fest stehet / vnnd ewer Rapier frei habet / koͤnt jhr viel verrichten ehe er widerumb in seine Huth kompt: Sintemal / weil er einen langen Stich fuͤhret / vnd seinen Leib muß senken / so habt jhr gnugsame Zeit zu thun was jhr woͤllet.

[
Fig: 37.]

[
Fig: 38.]

[
Seite 53] Wie man mit dem Dolchen versetzet / daß man zuruck weiche / vnd gleich in einer Zeit mit dem Rapier stosse.
Figur 38.

Wie man in beyden vorgehenden Figuren mit dem Dolchen versetzet / zuruck weicht / vnnd hernach erst stoͤst / daß man zwo Zeiten haben muß / die eine zum versetzen / vnd die andere zum stossen / also sihet man in dieser / wie man in einer Zeit versetzen vnd schlagen soll / die Vrsach aber des zuruck weichens ist / daß jhr Gegentheil in Vnordnung bringet / vnd vnder dessen sehet was jhr zu thun habet. Solt euch derhalben in vorgemeldte Huth legen beydes mit dem Rapier vnd dem Dolchen / mit vorgebottenem vnd ein wenig gebogenem Leib / vnd wann jhr im Maß / so last den Gegentheil stossen / vnd wenn er stoͤst / so solt jhr drey Ding in einer Zeit verrichten / nemlich daß jhr mit dem Dolchen versetzet / den Leib also zuruck ziehet daß der vorgesetzete Fuß / dem so dahinden gestanden gleich sey / vnd den Leib ein wenig beugen / vnnd also mit außgestrecktem Arm jhm einen Stoß in die Brust gebet. Auff solche Weise zuversetzen vnd zustossen wirdt Gegentheil dermassen verleitet / daß es jhm vnmuͤglich wird sich zu verwahren. Nach gegebenem Stoß solt jhr euch widerumb auß dem Maß thun vnd euch verwahren wie droben gemeldet.

[
Seite 54] Ein Stich nach dem Gesicht da man mit dem Rapier versetzet.
Figur 39.

In dieser Figuren sihet man einen Stich auff festem Fuß / welcher sehr schoͤn vnnd nuͤtzlich fuͤr die so sich darin vben / daß sie jhn ins Werck richten koͤnnen / wird aber auff nachfolgende Weise ins Werck gerichtet. Wann euch der Gegentheil einen Seiten Stoß nach dem Gesicht wolte thun / oder auch einen stracken Stich / so solt jhr mit dem Rapier versetzen / vnnd gleich mit nach seinem Gesicht stossen / welchen Stoß er mit seinem Dolchen nicht kan abkehren / dieweil jhr mit jhm zugleich stosset / vnnd ob er mit seinem Dolchen wolte versetzen / so wuͤrffe er denselbigen auff sein Rapier / vnd bliebe doch im Gesicht verletzet.
Jn dieser Lection sihet man nichts anders als wie man in das Gesicht soll stossen / vnd wann man nach derselbigen wolte nach der Brust stossen / so hette Gegentheil gelegenheit mit dem Dolchen zuversetzen / vnd auff daß der Stoß artig gegeben werde / dz auch ein guter Meister verleitet werde muß man sich auff der lincken Seiten decken / vnd mit gesencktem Dolchen Gegentheiln anlaß geben nach dem Gesicht oder vber den Dolchen zustossen / in meinung jhr werdet mit dem Dolchen versetzen: Alsdann solt jhr in derselbigen Zeit mit der staͤrcke eweres Rapiers versetzen / vnd mit fortgesetztem Fuß die Spitze gegen seinem Gesicht halten / so werdet jhr jhn mit seinem Rapier so verhindert finden / daß er weder schlagen noch versetzen kan / wie in der Figur zu sehen. Nach gegebenem Stoß / weichet widerumb zuruck wie droben gemeldet worden.

[
Fig: 39.]

[
Fig: 40.]

[
Seite 55] Fortschreitung im Rapier vnnd Dolchen da man einlaufft / daß man dem Gegentheil mit dem Dolchen ins Gesicht treffe.
Figur 40.

Man laufft auff vielerhand weisen ein / daß man Gegentheil mit dem Dolchen erreiche / nach vnderschiedlicher gelegenheit darin man sich befindet. Etliche lauffen ein wann sie nicht anders koͤnnen nach dem Gegentheil hitzig ist zu fortsetzen. Andere setzen fort im Zorn / vnd haben nicht die gedult daß sie lang mit der Spitzen spielen. Andere aber setzen kuͤnstlich fort / auff daß sie mit dem Dolchen schlagen. Will derhalben in diesem ersten Buch nur eine kuͤnstliche Fortsetzung zeigen / dz man ohne gefahr den Gegent. mit dem Dolchen ins Gesicht erreichen / vnd er euch noch mit seinem Rapier / noch mit seinem Dolchen beschaͤdigen koͤnne. Geschihet aber auff nachfolgende weise. Man leget sich in solche Huth / daß die gantze rechte Seite bloß stehe / vnd der Feind verleitet werde resolut darnach zu stossen oder zu hawen: als dann versetzet mit dem Rapier / vnd setzet dasselbige mit fortgesetztem Fuß / mit gewalt auff das seine / vnd wendet es also daß es in die Stange seines Dolchens komme / wie jhr in der Figur sehet / daß er weder Rapier noch Dolchen brauchen koͤnne / vnd jhr jhm so viel stoͤß koͤnt geben mit ewerem Dolchen als jr woͤllet. Diese Lection ist sehr gewiß fuͤr die so sich fleissig darin gevbet haben.

[
Seite 56] Stich im Rapier vnd Dolchen nach der rechten Schulter.
Figur 41.

Welcher in dieser Profession dapfer vnd wol erfahren ist / wird sich nimmer in die Huth legen sonder auch ausser dem Maß des Gegenth. Huth in acht nehmen / vnd allgemach gegen dem entbloͤsten Ort an jhn setzen: vnnd wann er ins Maß kommen / jhm den Stoß geben / wie diese Figur zeiget / in welcher man die rechte Schulter bloß sihet. Doch muͤst jhr in acht nehmen / das jhr auff der Seiten des Rapiers an jhn setzet / vnnd so jhr merket daß er ewer in der Huth wartet so solt jhr einen starken Stich auff vorgemeldte Weise thun / da jhr die Faust vnd Rapier nach der Seiten Gegenth. Rapier wendet / wie jhr sehet / vnd das jhr nach gegebenem Stoß widerumb ausser dem Maß weichet / wie droben.

[
Fig: 41.]

[
Fig: 42.]

[
Seite 57] W<ie> man den Fuß fortsetztet im Rapier vnd Dolchen.
Figur 42.

Diese Figur dienet nirgendt anders zu als zu einem Muster / so ich in diesem ersten Buch will vorgestellet haben: in den anderen / welche (wills Gott) ich hernach werde laßen auß gehen / will ich etwas weitlaͤufftiger zeigen / wie man im Rapier vnnd Dolchen fortsetzet / sintemal ich hierin nur zu handeln vermeint / was man auff festen Fuß zuthun habe. Dann alles was man auff festem Fuß thut / das kan man auch im fortsetzen thun / wann man die Zeit zugebrauchen weiß.
Wann man aber fortgesetzet / muß man wissen das Rapier zuwenden / vnd hernach sich zu saluiren / wie in dieser Figur zusehen / darin jhr befindet / daß der so fortgesetzet / vnd sein Rapier also gedrehet / daß er ohne Gefahr so offt stossen kan als er will / dieweil er mit seinem Dolchen Gegenth. Rapier auffhelt.
Wann aber Gegenth. sein Rapier drehet / alsdann muß man demselbigen mit dem Dolchen nachfolgen / vnd vnder dessen mit dem Rapier stossen / vnd nach dem jhr gestossen / euch widerumb aus dem Maß begeben. Dann wann einer schon die Zeit kan gebrauchen / vnnd mit dem Fuß fortsetzet / weiß aber sein Rapier nicht recht zu wenden / so ist er doch nur fuͤr einen vngeschickten Fechter zu halten. Sintemal ob er schon fortsetzet vnd schlaͤgt / so ist er gleichwol nicht ausser der Gefahr / da der Gegenth. auch seinen Stoß geben wolte: vnd findet man etliche so vnverzagt / daß ob sie schon verletzet seyn / so woͤllen sie sich gleichwol nicht vngerochen lassen / stossen derhalben mit aller gewalt widerumb zu / also daß jr moͤchtet getroffen / ja gar getoͤdtet werden. Beneben dem daß wann Gegenth. fortsetzet / ob jhr schon den Stoß abkehrt / so seyd jhr

[
Seite 58] jhr doch noch in Gefahr / wann jhr nicht koͤnt ewer Rapier wenden / vnd mit halbem Rapier fechten wie in der Figur zusehen / vnd euch nicht mit Vortheil zuruck koͤnt begeben / wie mit Gottes huͤlff in meinen andern Buͤchern soll gezeiget werden.

FIN.

Anmerkungen

(1) Vollstaendiger Titel: Scola, overo, teatro: nel qual sono rappresentate diverse maniere, e modi di parare et di ferjhre di spada sola, e di spada e pugnale.
Gigantis zweites Buch, publiziert 1608, erschien 2013 in englischer Übersetzung von Terminiello, Piermarco und Pendragon, Joshua unter dem Titel: "The 'Lost' Second Book of Nicoletto Giganti: A Rapier Treatise Rediscovered and Translated", London, 2013.
(2) Vollstaendiger Titel: Fechtschul: Darinnen angezeiget wie man aufff vnderschiedlich weisen das Rapier allein / oder beneben dem Dolchen beydes zum auffschlagen vnnd zum treffen / gebrauchen soll. / Eschole ou theatre: auquel sont représentées diverses manières de se servjhr de l’espée seule, ou accompaignée du poignard, tant pour destourner que pour donner le coup.) Sig. Signatur: Xb 7532 (1), Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, [Digitalisat HAB]
(3) Das Buch scheint bereits in jener Zeit von seinem Käufer/Besitzer mit den Resten einer mittelalterlichen liturgischen Handschrift als Einbandmakulatur versehen worden zu sein. Damit ist denkbar, dass das Buch schon kein Titelblatt und Vorwort mehr besaß, als es von seinem Besitzer gebunden wurde.
Vielen Dank an Frau Alexandra Schebesta aus der Handschriftenabteilung der Herzog August Bibliothek Wolfenbuettel für den Hinweis mit der Einbandmakulatur.
(4) "Das Zweite Buch Der Fecht-Kunst: Darinnen gezeyget / wie beydes mit dem Rappier allein / und mit Rappier und Dolchen zusammen/ ohne Stillhaltung / mit Vortheil auff den Gegentheyl hinan zu gehen." Zetter, Frankfurt 1644. "Fechtkunst 1" und "Fechtkunst 2" sind zusammengebunden. "Fechtkunst 2" ist ebenso wie "Fechtkunst 1" zweisprachig deutsch-französisch. Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, Signatur: Xb 7532 (2). [Digitalisat HAB]