von Jan Schäfer
Ein überaus interessantes zeitgenössisches Dokument über den Fechtmeisterberuf, das nicht aus der Hand eines Fechtmeisters selbst stammt, ist das Ständebuch „Der Gemein-Nützlichen Haupt-Stände Von denen Regenten Und ihren So in Friedens- als Kriegs-Zeiten zugeordneten Bedienten an, biß auf alle Künstler Und Handwercker“ von 1698. Der Autor des Werkes, Christoph Weigel d. Ä. (1654-1725) war ein deutscher Kupferstecher und Kunsthändler, der seine Werkstatt in Nürnberg hatte (vgl. Rée, Paul Johannes, „Weigel, Christoph“, in: Allgemeine Deutsche Biographie 41 (1896), S. 464-465).
Das Buch der "Gemein-Nützlichen Haupt-Stände" enthält in 14 Kapiteln die Beschreibungen zu 204 Berufen, jeder davon mit einem eigenen Kupferstich illustriert. Der Abschnitt über den Fechtmeister ist mit Abschnitten zu den Berufen Bereiter, Tanzmeister, Ballmeister und Jäger in dem Kapitel der „in rühmlichen Exercitien sich übenden Stände“ zusammengefasst. All diese Berufe zählt der Autor zu den adeligen Exercitien.
Das Kapitel über den Fechtmeister (Kap. VII, S. 175-178) ist in drei Teile gegliedert: (1) „Ursprung, Erfindung und Alterthum“, (2) „vornehmste Verrichtungen und Denkwürdigkeiten“, (3) „deroselben Notwendigkeit und Nutzbarkeit“.
Der Fechtmeister in Postur
Den Siegt erringt / wer sich bezwingt.
Den Lastern ihre Kräfte brechen,
und böse Lüste niederstechen,
ist eine Kunst weit über Geld.
Kein Sieg nützt ohne dieses Siegen
Wer anders ficht muß unten ligen
Lob-frönt ihn gleich die blinde Welt.
Was den Menschlichen Cörper schützet / und für die andringende Gefahr sichert / ist sicherlich werth / daß man es hoch schätze / und vor allen ungegründeten Verleumbdungen schütze. Dieses bewerckstelligt die Fecht-Kunst / welche ihre Lehr-Schüler tüchtig und tauglich macht / die angebrachte Stöß und Streiche ihrer Gegner und Feinde abzuwenden / und dadurch ihren Leib / ja gar öffters das Leben zu retten; So muß ihr ja warlich auch ihr gehöriges Lob gesprochen / und solche denen Adelichen Übungen mit beygezehlet werden.
Ihr Ursprung scheint so alt zu seyn / als die Erfindung der Waffen / indem vermuthlich / so gleich als selbige zum tödtlichen und schädlichen Gebrauch gewendet worden / man auch begonnen / auf Mittel und Wege zu gedencken / solche angedrohte Schläge und Streiche auszunehmen / und zu verwehren. Die Kriege haben diese Kunst befördert / und die Zwey-Kämpff nach und nach eine Vollkommenheit ihr zugewendet. Bey denen Griechen erhielt sie die erste Kunst-Regeln / und vergnügte man sich Anfangs mit den blossen Schatten / Pfahl und unempfindlichen Stöcken einen Gegen- und Wett-Streit zu halten / biß endlich diese zu Abtreibung feindlicher Gewalt gewiedmete Kunst gemißbraucht / und zur schädlichen Verletzung seines Gegners / und schändlichen Gewinnsucht angeführet und verleitet worden. Dann gleich wie der Mißbrauch alles das Gute verschlimmert / und das nützlichste in das schlimmste verwandelt / so ist es auch mit dieser Kunst der Beschützung des Menschlichen Cörpers dahin gediehen / daß die Griechen Fechter und Fecht-Plätze angestellet / worinnen sich einige um eitle Ehr der Überwindung / ja gar umb schnöden Gewinns willen / biß auf das Blut gebalget / und zum scheußlichen Schauspiel dargestellet.
Die Thorheit der Griechen gerieth endlich so weit hinaus / daß sie kein Gastmahl für stattlich noch wohlbewirtet hielten / wo nicht solche Fechter zugegen gewesen / und nebst dem Mund / auch die Augen bey der Gastung vergnüget worden. Rom / gleichwie es von denes Griechen andere Laster geerbet / als schliche auch dieses mit ein / und wurden die Fechter / nach Erbauung der Stadt Rom / in 490. Jahr unter dem Bürgermeister-Amt Ap. Claudii und M. Fulvii öffentlich eingeführet / jedoch unter dem scheinbaren Vorwand / als ob die Söhne M. und D. Bruti die Asche ihres Vaters damit beehren wolten. Unerwogen es folglich auch dahin gediehen / daß man bey Einäscherung Römischer hohen Standes-Personen / so wohl männlich als weiblichen Geschlechts / verschieden Paar solcher Fechter bestellet / die mit Vergiessung ihres Bluts / die Einäscherun des todten Leichnams verherrlichen müssen.
Es nahm endlich die Anzahl dieser Fechter in Rom ungemein überhand / und wuchs auch bey ihrer Anzahl ihre Grausamkeit / daß sie öfters nicht abliessen / biß beyde todt zur Erden hinfielen; und so ja das Glück einem das Leben gönnte / so fiel der Überwinder auf den Überwundenen / soge in vollem Grimm das noch übrige Blut aus den Adern / und verschluckte die übrige Lebens-Geister des mit dem Tod Ringenden.
Ich achte vor unnöthig / die Arten dieser Fechetr zu beschreiben / indem man sie in Secutores, Retiarios, Threces, Myrmillones, Hoplomachos, Samnites, Dimachaeros, Laquearios, Suppofiticios, Meridianos, und weiß nicht was vor Arten entsondert / wovon der geneigte Leser genugsamen Bericht in des höchst-fürtrefflichen Lipsii Saturnal. Serm. Libr. II. einziehen kann.
Ja das weibliche Geschlecht entblödete sich so gar nicht / auch mit in die Fecht-Zunfft einzumischen / und da sie sonst das kalte Eisen scheuen / trieb sie der Hochmuth darzu / daß sich offentlich / und zwar nicht etwan nur gemeines und heßliches / sondern das schönste Frauenzimmer in Fecht-Plätzen / mit den schärffsten Schwerdtern versehen / blicken liessen / biß endlich ein Rathschluß unter Kayser Servero diesen Hochmuth der Weiber in Fechten gedämpffet.
Es kam aber bey den Römern dieses Fechten in solche eine Hochachtung / daß so gar Kayser Commodus sich nicht gescheuet / mit Hindansetzung seiner Kayser-Würde / selst auf dem Kampff-Platz zu erscheinen / und vor allem das Volck gleich einem gemeinen Fechter sich herumb zu schlagen / wie Julius Capitolinus solche verzeichnet gelassen.
So sind auch in den Büchern und Schriften der Poeten und Geschichts-Schreiber die Namen vieler Fechtmeister / so selbige Zeiten geblühet / und viel Lehrling erzogen / berühmt / worunter wir nur Martianum, Vejanium, Hersennium & Pacidianum berühren wollen. Endlich ward der fromme Kayser Antoninus bewogen / nach Dions Bezeugnuß / den Fechtern zu verbieten / daß sie hinführo nicht mehr mit scharfen / sondern mit stumpffen Schwerdtern fechten sollten / um wo nicht einige Verwundungen / doch wenigstens Beschädigungen an dem Leben zu verhüten.
Nerva war gleichfalls kein Liebhaber von ihnen / und hat / wann Zonarae zu glauben wäre / sie abgeschafft / welches aber andere Geschicht-Schreiber zu vernichtigen / und dahero vermuthen machen / es habe Nerva nur ihre Anzhal verringert / und die grosse Geschenke / so man ihnen gereichet / abgeschafft. Biß endlich Constantinus der grosse und Christliche Kayser diesen heydnischen Mißbrauch / nach Sozomeni und Eusebii Zeugnüß / gänßlich vertilget. Wiewohl nach und nach immer dieser Zunfft sich gerühret / auch noch heut zu Tag in denen so genannten Klopf-Fechtern / die sich in Feder-Fechter und Marx-Brüder entsondern / übrig und lebendig zu seyn scheinen.
Es ist aber durch diese abgeschaffte Fechter-Zunft die zierliche und zu Beschützung des Leibs benöthigte Fecht-Kunst eben so wenig verwiesen worden / als die Artzney-Kunst von der Stadt Rom / wie von einigen ungegründet vorgeben werden wollen / welche die Servos Medicos, oder Handlanger der Ärtzte / von den Medicis selbst nicht zu entscheiden gewust / sondern grosse Herren haben sie jederzeit geliebt / und der Adel sich trefflich darinnen geübt; Dahero dann an grosser Potentaten und Printzen Höfen sowohl als berühmten Academien für ein hochnöthiges Werk geachtet worden / erfahrne Fechtmeister zu halten / und mit erklecklichen Besoldungen zu versehen / welche die adeliche Jugend in dem Degen auf den Stoß und Hieb unterweisen / und nicht so wohl zur Verletzung ihres Gegners / als Ausnehmung dessen Streichs und Stosses belehren möchten.
Ist demnach eines treuen Fechtmeisters Amt / seinem Lehrling vor allem / ein seiner Statur und Beschaffenheit des Cörpers anständiges und vortheilhaftes Läger und Positur anzugewöhnen / folglich dessen Stärcke und Vorthei klüglich auszuforschen / und so dann seine Lectionen darnach einzurichten. Ferner seinen Lehrlingen alle Streich und Stösse zu zeigen / damit sie die rechte von den falschen entscheiden / und im Gegenfechten gehöriger massen ausnehmen und parieren können; Über das auch ihnen anzugewöhnen / niemahls ohne gebührliche Vorsicht und Hut sich aus den Vortheil zu geben / und sich zu blösen / sondern so gleich / nach angebrachtem Hieb oder Stoß / in hurtiger Stellung sein gehöriges Lager zu wehlen / seines Gewehrs Spitze seines Gegners Augen zu bieten / und durch seine vortheilhaffte Postur selbigen von sich abzuhalten. Ingleichen ist auch höchstnotwendig / das durch Geschwindigkeit und Vorteilhafte Hurtigkeit zu bewerckstelligen / was den andern die Stärcke von sich selbst darbeut. Ich gehe mit allem Fleiß die bey denen Fechtmeistern bekannte Französische und Italiänische Kunst-Wörter vorbey / weil selbige vielleicht bey dem Teutschen Liebhaber einen Eckel erregen / und dieses Werk so lediglich zu des geneigten Lesers Ergötzen / nicht aber zur Unterweisung einer Kunst angesehen / dadurch verdrüßlich machen möchten. Doch wird ein Liebhaber hievon sich in verschiedenen Fechtbüchern in allerhand Sprachen / so offentlich an den Tag liegen / sich Raths erholen können.
Was den Nutzen dieser Kunst anbelanget / entdeckt sich selbiger schon aus bißher-erwehnten / daß sie nemlich den Cörper des Menschen bequem mache / denen feindlichen Anfällen zu begegnen / und die versetzende Streich gebührlich auszunehmen / anbey auch / so es die Noth erfordert / sich gegen mehr als einen zu wehren / und die angedrohte Gefahr auf der androhenden selbst-eigenen Nacken zu wetzen. Ferner bringt auch diese Kunst eine nicht geringe Stärcke und Fertigkeit den Körper zu weeg / so daß offt ein / dem Ansehen nach / schwache Person / die aber des Fechtens wohl kundig / den stärcksten Mann durch fertige Geschwindigkeit zu bemeistern fähig.
Letztlich ist auch diese Übung der Gesundheit / so sie anderst nicht überässig getrieben wird / beförderlich / indem es den Umlauff des Geblüths desto mehrers befördert / die unempflindliche Ausdufftung zu weiterer Ausstossung der unnützlichen Feuchtigkeiten nöthigt / und dadurch verhindert / daß die Feuchtigkeiten in dem Cörper sich nicht anhäuffen / und entweder zu Verstopffungen / oder zu einer unbequemen Dickleibigkeit Anlaß geben.